Kampf um Katinka. Thomas Pfanner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Kampf um Katinka - Thomas Pfanner страница 16
»Gut, macht es so. Ich beschäftige mich ein wenig mit dem Anführer und lege das Bild auf dein Display.«
»Roger.« Anheuser wechselte auf den allgemeinen Kanal und gab seine Anweisungen.
*
Der Sonnenuntergang verlief wie immer, also absolut überwältigend. Die riesige Sonnenscheibe prangte in metallischem Kupferrot über dem endlosen Meer, dessen tiefes Türkis sich in zahllose rasch wechselnde Farbspiele auflöste, als die Sonne ihren unteren Rand in den Horizont tauchte. Den Vorgang zeichnete eine frappante Ähnlichkeit mit den Kaleidoskopen aus, die man den Kindern von Katinka zum Spielen schenkte. Solche Sonnenuntergänge waren es, die den Reichtum des Planeten begründeten. Anerkanntermaßen galt Katinka als schönste7 aller Welten. Niemals wieder konnte der Mensch einen Planeten betreten, der wie dieser Schönheit und Harmlosigkeit in sich vereinte. Die Evolution hatte auf diesem Planeten bei der Entwicklung der Natur einen partiellen Gedächtnisverlust erlitten. Es gab keine Raubtiere, weder zu Wasser noch zu Land. Alles, was in der Biosphäre kreuchte und fleuchte, ernährte sich von Sonnenlicht oder von Pflanzen. Das Wasser beherbergte neunundneunzig Prozent der gesamten Biomasse, was nicht weiter verwunderlich schien angesichts des verschwindend geringen Anteils, den das Land im Verhältnis zum Meer einnahm. Direkt am Äquator existierte der einzige Kontinent, ein zerfaserter Fleck von zweitausend Kilometer Länge und vierhundert Kilometern Breite, unendlich viel Strand mit relativ wenig Fläche in der Tiefe. Entlang des Äquators verteilte sich dann noch wie an einer Schnur aufgereiht eine Anzahl ständig kleiner werdender Inseln. Die Adligen von Horave kolportierten auf ihren Orgien eine Version der Entstehungsgeschichte, wonach ein Riese den Hauptkontinent aus dem Himmel heraus erbrochen und beim weglaufen noch ein paar Spritzer verloren hatte.
Erbherzog Stanislaus spuckte angewidert aus. Horave! Was sollte man auch von diesen Banausen erwarten? Die glaubten auch an ein ominöses Monsterraumschiff, das ihnen die Rotsteinberge vor die Tür geworfen haben sollte. Ungebildete Hornochsen waren sie alle zusammen. Unglücklicherweise besaßen sie aber die Macht. Und gerade deswegen verzog sich das an sich sehr freundliche und feinnervige Gesicht des Erbherzogs bereits seit Stunden zu einer übellaunigen Maske. Der Vizekönig hatte ihn zur Audienz gebeten. Da der Vizekönig ein genusssüchtiger Mensch war, dem die Bevölkerung Katinkas inklusive des Landadels herzlich gleichgültig blieb, stellten Audienzen eine absolute Ausnahme dar. Dies konnte entweder bedeuten, dass den Vizekönig eine zeitweilige Impotenz plagte, oder aber es drohte handfestes Ungemach. Und da Erbherzog Stanislaus regelmäßig recht gute Basisinformationen über Kondition und Gesundheit des Vizekönigs erhielt, vermochte er sich plastisch vorzustellen, dass der anstehende Termin keine wirklich erfreuliche Veranstaltung zu werden versprach.
Er stand am Rande des kleinen Flugfeldes, dort, wo der Belag aus hitzefestem Plast direkt in den ultrafeinkörnigen Sand des Strandes überging und erwartete seinen Aufruf. Er mochte sich gar nicht umdrehen, stand doch hinter ihm das Symbol der Fremdherrschaft. Ein Palast von epischen Ausmaßen, mehr breit als hoch, um sich deutlich über den drängenden Mangel an Siedlungsraum auf einer Wasserwelt lustig zu machen. Links ein kleiner, überaus hässlicher Wohnturm, in dem die Service-Abteilung des Vizekönigs mehr hauste als wohnte. Obszöner Protz, gleich daneben Elend im Reihenbau, überall wimmelte es zudem von Sicherheitsleuten und Kaiserlichen Dragonern, der gefürchteten Leibwache des Stellvertreters der Kaiserin auf Katinka. Zum nicht geringen Glück für die Bevölkerung hatte die Kaiserin für ihre Zwingburg eine Insel requiriert, was dem Kontinent einiges an Unannehmlichkeiten erspart hatte und noch immer ersparte.
»Seine Eminenz, der Vizekönig, lässt bitten.«
Der Großherzog unterdrückte einen Fluch. Der Horaveische Adel hielt sich in seiner unendlichen Selbstherrlichkeit selbst den Göttern überlegen, man beliebte selbst auf den Adel, der auf den Kolonien beheimatet war, herabzublicken, möglichst oft zu demütigen und grundsätzlich als minderwertig zu betrachten. Derlei Einstellungen färbten stets auf nachrangiges Personal ab. Selbst dieser nichtswürdige Lakai, der zu nichts anderem taugte, als den ganzen Tag Botschaften seines Herrn wortgetreu und ohne Einschaltung seines eigenen Gehirns weiterzugeben, befleißigte sich eines mehr als herablassenden Tones, dem er zu allem Überfluss mit einer näselnden Sprechweise zusätzliche Verachtung verlieh. Ihm blieb als Strafmaßnahme nichts weiter, als dem Kerl eine Antwort zu verweigern. Stumm und mit abweisendem, kalten Blick folgte er dem Lakaien in den Palast. Auch wenn er sich abwesend und in sich gekehrt gab, so entging ihm doch kein einziges Detail. Für den möglicherweise daraus entstehenden Nutzen nahm er alles Wichtige wahr und verankerte es in seinem Gedächtnis, von der Zahl, Bewaffnung und Positionierung der Wachen angefangen bis zu den räumlichen und technischen Gegebenheiten. Insbesondere registrierte er die Veränderungen, die sich seit seinem letzten Aufenthalt vor acht Monaten ergeben hatten.
Der Gang in den Audienzsaal gestaltete sich ansonsten reichlich langwierig. Durch das Tor gelangte er in einen großen Saal, der von Kaiserlichen bevölkert wurde. Dann folgte ein langer Säulengang, eine Empore, dahinter weitere Räume, einige riesige Büros, schließlich eine weitere Sicherheitsschleuse und dann das Ziel. Ein niedriger, lang gestreckter Saal, zu beiden Seiten von Säulen flankiert, am entfernten Ende ein hohes Podest, darauf der Thron. Der Erbherzog straffte sich und trat am Lakaien vorbei den Gang zum Fuße des Thrones an. Das würde wieder eine anstrengende Veranstaltung für seine Genickmuskeln werden. Der Vizekönig befand sich auf einem wirklich hohen Podest, viel Platz blieb nicht mehr zwischen seiner Glatze und der Decke. Die Untertanen waren gezwungen, steil nach oben zu blicken, um ihn den protokollarischen Regeln entsprechend ins Gesicht sehen.
Mit unbewegter Miene überwand der Erbherzog die Strecke, ohne weiter auf die Bediensteten zu achten, die schweigend rechts und links zwischen den Säulen standen. Die Nackenhaare stellten sich ihm auf. Sie alle hatten auf ihn gewartet, kein einziges Gespräch war bei seinem Erscheinen unterbrochen worden. Keine Zeit für tiefschürfende Gedanken, der Sockel des Throns war erreicht, er beugte sein Knie und murmelte die Ehrbezeugung, gerade laut genug, um von den Wänden dröhnend zurückgeworfen zu werden. Anschließend blickte er nach oben, sah den für das Amt ungewöhnlich schlanken Vizekönig, der ungnädig auf ihn herabblickte. Dieser Blick taugte nicht als Gradmesser für Gefahr, wandte der Vizekönig ihn doch stets und ständig an, um die Herzen der Bittsteller in die jeweiligen Hosen rutschen zu lassen. Die Stimme schließlich klang etwas dumpf, verwaschen, ganz und gar nicht königlich, als ob ein Jüngling sprach, der unter Druck stand, dringend weg wollte und sich des Termins möglichst rasch zu entledigen suchte.
»Erbherzog Stanislaus, welch seltene Freude, Euch bei Hofe begrüßen zu dürfen. Erspart Euch bitte den Anschein von Beglückung und lasst uns sogleich zum Thema kommen.«
Der Vizekönig seufzte auf, raschelte mit einem von unten nicht sichtbaren Papier, was dem Erbherzog Gelegenheit gab, ein wenig kalten Schweiß abzusondern.
»Nun denn, wie Ihr wohl wisst, ist der Krieg gegen die Untermenschen der Hurshen-Union siegreich beendet. Dies führt unweigerlich zu einer gewissen … Umverteilung der Aufgaben der Kolonien der Kaiserin. Kriegsdienste werden nunmehr nicht weiter benötigt, weshalb alle bewaffneten Einheiten demobilisiert werden. Ähem.«
Der Vizekönig raschelte wieder. Ringsum war es totenstill, während Stanislaus von kaltem Entsetzen gepackt wurde. Nun also wurden alle Befürchtungen schreckliche Realität. Das Kaiserreich dachte nicht im Traum daran, die Kolonien für ihre geleisteten Dienst zu belohnen, etwas durch verringerte Abgabenlast oder eine Winzigkeit an Freiheit. Oh nein, im Gegenteil. Horave hatte sich als schwach erwiesen, unfähig, ohne die Hilfe seiner versklavten Außenwelten zu überleben. Als Dank würden jetzt die Zügel noch straffer angezogen, für die Notwendigkeit