Fridolin der freche Dachs. Ханс Фаллада
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Dann kam an einem schönen Sonnentag, Anfang April, der große Augenblick, wo Friedesinchen zum ersten Male ihre Kinder ans Tageslicht führte. Du lieber Himmel, was war das für eine Aufregung, als es in der düsteren Schlupfröhre immer heller und heller wurde! Den Kleinen, die bisher nur Dunkelheit gekannt hatten, wollte Angst werden vor dem Licht – Mutter Friedesinchen musste nachschieben und tüchtig schelten, sonst wären alle vier gleich wieder in ihr Nest zurückgekrochen!
Und wie rissen sie erst die Augen auf, draußen im hellen Sonnenlicht! Rissen sie auf und machten sie gleich wieder zu, denn so viel Helligkeit tat den Augen weh. Erst langsam wagten sie wieder, zuerst zu blinzeln, dann um sich zu schauen – und nun ging die Fragerei los!
»Mutter, was ist das Gelbe, das Weiche, das Warme«? fragten sie und meinten den schönen, reinen Sand, den Friedesinchen beim Bau der Höhle aus der Tiefe der Erde hervorgescharrt hatte.
»Mutter, was ist das für ein braunes, langes Ding, in dem meine Zähne immer klebenbleiben? « fragten sie und meinten eine harzige Kiefernwurzel.
»Mutter, ist das ein kleiner Dachs, der so komisch schreit? « fragten sie und meinten die Vögel, die in den Kronen der Bäume tschilpten.
»Mutter, was macht mir so warm, als läge ich ganz dicht an deinem Bauch? « fragten sie und meinten die liebe Sonne, die ihnen den Pelz wärmte.
So hatten sie hundertundeine Frage, und Friedesinchen wusste sich nicht anders zu helfen, als dass sie, um endlich ein bisschen Ruhe zu bekommen, die Kinder den Abhang zum See hinunterführte, damit sie das Wassersaufen lernten. Gab das aber eine Stolperei, Purzelei, Fallerei den steilen Abhang hinunter! Es geschah sogar ein ernster Unglücksfall: Frieda kam so in Schuss, dass sie immer rundherum – rundherum – bumm! Den Abhang hinabrollte. Unten konnte sie natürlich nicht bremsen; sie wusste ja auch nicht, dass das Helle, Glitzernde Wasser war – kopfüber fiel sie hinein, und ein großer Hecht, der sich behaglich im seichten Wasser gesonnt hatte, schoss auf sie zu und zog sie in die Tiefe, wo er sie mit Vergnügen verspeiste.
Zuerst hatte natürlich Friedesinchen einen großen Schreck bekommen, als sie den Plumps hörte und die Tochter im Wasser verschwinden sah. Aber dann lief sie um die drei ihr verbliebenen Kinder herum und zählte sie: »Eins – zwei – viele! « Es stimmte, sie hatte vorher viele gehabt, und jetzt waren immer noch viele da. Alles war in bester Ordnung. Da sieht man's, wie vorteilhaft es ist, wenn man nur bis zwei zählen kann!
Nach dem Saufen wurde wieder hinaufgekrabbelt zum Bau; das war noch schwieriger als das Hinunterpurzeln. Friedesinchen musste oft tüchtig mit der rüsselförmigen Schnauze nachschieben. Aber schließlich waren sie doch alle wieder oben im schönen weichen Sande angelangt, die Kinder völlig außer Atem und sehr müde, und nun durften sie noch ein Weilchen in der Sonne liegenbleiben. Mal ließen sie sich von ihr den Rücken, mal den Bauch wärmen, und Friedesinchen machte sich indes an eine große Reinigung ihrer Kinder; mit Kralle und Schnauze ging sie dem Ungeziefer, das sich in dem dichten Fell eingenistet hatte, zu Leibe. Die Kleinen aber waren viel zu glücklich und zu müde, ihre Mutter noch viel zu fragen. Die Welt, diese Höhle unter der breitkronigen Buche, der steinige, oft bemooste Hang, das sonnenglitzernde Wasser unten, mit seinem immer leise im Winde raschelnden Schilfgürtel, das war alles nun einmal so, wie es war – was gab's da noch viel zu fragen –?
Diese kleinen Ausflüge wiederholte Friedesinchen mit ihren Kindern nun fast jeden Tag, wenn nur die Sonne schien und kein böser Feind in der Nähe war. Die Dachslein lernten dabei ihre Glieder gebrauchen; ohne jede Nachhilfe der Mutter kletterten sie rasch und sicher den Abhang hinunter und wieder hinauf – rasch, soweit ein Dachs eben rasch sein kann, denn viel schneller als ein guter Fußgänger unter den Menschen kann auch der schnellste Dachs nicht laufen. Vor dem Bau spielten die Kinder gern miteinander, während Friedesinchen ihnen friedlich zusah und dabei immer ein wachsames Auge und Ohr für jede herannahende Gefahr, wie Leute, streunende Hunde und den bösen Fuchs, hatte.
Die Kleinen stießen einander um, oder sie stellten sich tot, wobei sie sich ganz flach gegen die Erde drückten, den Kopf zwischen die Vorderpfoten legten und die Augen fest schlossen: sie bildeten sich ein, dann sähe sie keiner. Das beliebteste Spiel war Sicheingraben, da spielte Friedesinchen auch gerne mit. Die Mutter war natürlich Meisterin dabei, in drei, höchstens vier Minuten war sie vollkommen vom Erdboden verschwunden. Sie gebrauchte zum Graben ihre kräftigen Vorderfüße, deren Krallen durch feste Häute miteinander verbunden waren. Mit den Hinterfüßen warf sie die Erde nach rückwärts. War sie dann tiefer in den Erdboden gedrungen, schob sie die Erde mit ihrem Hinterteil zurück, und nur ein Häuflein Sand und Erde verriet, wo Mutter Friedesinchen geblieben war.
Die Kinder taten es der Mutter mit Begeisterung nach; es war so schön, aus dem hellen Sonnenschein immer tiefer in das geheimnisvolle Dunkel einzudringen, bis auch der letzte Schimmer von Tageslicht erloschen und alles still, tief still um sie war, wenn sie einmal mit Graben innehielten. Dann hörte Fridolin nur noch das Klopfen des eigenen kleinen Herzens in der eigenen kleinen Brust. Das fand er am schönsten: ganz allein mit sich zu sein, tief im stummen, stillen Schoß der Erde. Darin war er ein richtiger Dachs, der ja unter allen Tieren das einsiedlerischste, menschen- und tierscheueste Geschöpf ist. Nur in der Kindheit lebt er mit seinesgleichen, von da an will er immer nur allein sein.
Ach, der kleine Fridolin – wenn er sich da ganz tief eingegraben hatte, wenn er dabei vielleicht auf einen tief im Erdschoß ruhenden Felsblock geraten war, und er hatte seinen Gang unter dem Block fort- und auf der anderen Seite wieder hochgescharrt, so dass nun nichts mehr von der Welt draußen zu spüren war, und um ihn nichts als die tiefe, leise rauschende Samtschwärze der Dunkelheit – wie glücklich fühlte sich Fridolin da –! Er lag atemholend auf seinem Bauch und hatte beinahe völlig vergessen, dass es eine Mutter Friedesinchen und zwei Geschwister Friedrich und Friederike auf der Welt gab. Mit einem Schwung warf er sich auf den Rücken, zog die Füße eng an den Bauch, steckte den Kopf zwischen die Vorderbeine und war einen Augenblick später fest eingeschlafen.
Das ist auch eine besondere Eigenschaft der Dachse, dass sie jederzeit und beliebig lange schlafen können. Nach dem Fressen ist das Schlafen die beliebteste Beschäftigung der Dachse, wenn man Schlafen überhaupt eine Beschäftigung nennen darf. Die Dachse sind nämlich unglaublich faul, sie tun, wenn sie keine Kinder mehr sind, nicht einen Schritt, den sie nicht tun müssen, und wenn ihnen einmal so zumute ist, verschlafen sie lieber ihren Hunger, als dass sie sich etwas zu fressen suchen.
Fridolin verschlief auch oft in dem doch nur zum Spielen gegrabenen Gang die wartende Mutter mit den Geschwistern. Wenn er schließlich dann wieder hervorkroch, war es manchmal längst Nacht geworden, und die andern lagen schon in der Mooshöhle schlafend. Kroch er dann zu ihr ins warme Nest, sagte die Mutter ihm ein paar scheltende Worte über »Rumtreiberei« und »Nächtliches Bummeln«. Zum richtigen Schelten war aber Friedesinchen zu müde, und zum richtigen Zuhören war Fridolin zu müde, und so schliefen sie gleich wieder allesamt weiter.
Bei diesen Ausflügen und Spielen kräftigten sie sich die Glieder, die Kinder lernten es, ihre Pfoten, ihr Auge und ihr Gehör, vor allem aber auch ihr Gebiss zu gebrauchen, das ausnehmend stark und kräftig ist und gefährliche Wunden versetzen kann.
Eines nachts glaubte Friedesinchen dann die Stunde gekommen, ihre Kinder in den Wald auf die Nahrungssuche mitzunehmen, damit sie es nun allmählich lernten, selbst für ihren Hunger zu sorgen. Oh, was waren das für geheimnisvolle, schweigsame Wege durch den stillen Wald! Sogar der Wind war dann schlafen gegangen, kein Blättchen rührte sich, und sachte, sachte musste man mit den nackten Sohlen