Der Isländische Freistaat in Sagas. Helmut H. Schulz
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Helmut H. Schulz
Der Isländische Freistaat in Sagas
Ein Bericht
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Inhaltsverzeichnis
I. Landnahme
Die Saga von den Leuten im Laxartal ist einer der anschaulichsten Berichte einer Landnahme in der altnordischen Saga-Literatur und dem Landnáamabók; die Erzählung bietet einen kleinen überschaubaren Ausschnitt der Besiedlungsgeschichte Islands; der Landschaft am Breidafjord im Norden der Landzunge Snaefjellnes um die Zeit der ersten Norwegerkönige. Die Insel am Rande Westeuropas im Nordmeer entdeckt zu haben, teilen sich mehrere der alten Seefahrer; einer davon ist der Wikinger Gadar; ein anderer, Floki Vilgerdasson, bediente sich einer einfachen navigatorischen Hilfe, um den Weg zu finden, wie sie schon Noah gebraucht hat. Als der Norweger von den Färöern aus westwärts segelte, hatte er drei Raben an Bord und ließ sie nacheinander einzeln frei; zwei davon kamen zu seinem Schiff zurück, der dritte wies Floki den Weg. Alle Seefahrer, die im Südwesten Islands anlandeten, sahen ein nebelverhangenes Land mit flachen Erhebungen; sie nannten den Ort: Reykjavik, die rauchende Bucht. Die genauer hinsahen, fanden, dass hier von jedem Grashalm Butter tropfe, was nicht alle bestätigen wollten, aber es stimmte. Das Südland war reich an fruchtbarem Boden; die Fjorde wimmelten von Fischen, von Lachs, Kabeljau und Robben, von Seevögeln, die zu Tausenden, wenn nicht zu Millionen auf den Klippen oder auch am Boden nisteten. Ihre Eier bildeten eine sichere Nahrungsquelle, ihre weichen Federn Material zum stopfen der Kissen. Hin und wieder trieben die Meeresströme verendete Wale in die Fjorde; sie lieferten Speck und Tran. Raubwild gab es nicht. Zwar war die von Wikingern entdeckte Insel bis zum Ende des ersten Jahrtausend bereits vereinzelt durch Einsiedlermönche als Wohnsitz auserkoren, aber nie bearbeitet oder überhaupt nutzbar gemacht worden. Da es in dieser Einöde keine Menschen gab, konnte auch keiner christlich belehrt werden. Schottische, irische Klöster sendeten dennoch Mönche aus und versorgten die Einsiedeleien mit allem Nötigen. Zu beiden Seiten im Norden wie im Süden des Breidafjord, genauer eines Ablegers, Hvammr, fand eine ganze Reihe von miteinander verwandten Ansiedlern freies Land. Wie sich eine bäuerliche Gesellschaft zu einem Freistaat entwickelt und wie bald ein Freistaat an sein Ende kommt und aus welcher Ursache, ist hier im Laufe eines Jahrhunderts zu verfolgen. Alle historischen Darstellungen beginnen mit einem Geschlechtsregister. Die Nachgeborenen wollten wissen, woher sie kamen; sie führen ihre Abstammung auf einen göttlichen Ursprung zurück, begründen als Erklärung für das Unerklärliche ihrer Herkunft mit den Leistungen mythischer Vorfahren und formen sich ein in sich geschlossenes Geschichtsbild. Selbst Kaiser Karl der Große zählte die Göttin Berta, ein Gleichwort für die germanische Frigga, zu seiner Ahnfrau. Vom gesalbten, von Gott berufenem christlichen Königtum führt nur ein kurzer Weg zum Sendungsauftrag, der Berufung eines Selbstherrschers und seiner Nachkommen durch Gott zum Weltbesitzer und zum Lenker allen Lebens. Noch in der Neuzeit verkündeten alle europäischen Monarchen voller Überzeugung, dass ihnen Gott mit priesterlicher Zustimmung die absolute Gewalt verliehen habe, dass ihre Person unantastbar sei, immerhin noch im Jahrhundert der Aufklärung. Nicht wenige amerikanische Präsidenten geben an, und glauben es mehr oder minder selbst, mit ihrem Volk, von Gott auserkoren zu sein, die übrige Welt republikanisch zu verbessern.
Die ersten norwegischen Auswanderer kamen ohne einen göttlichen Auftrag nach Island, getrieben von ihrem Festhalten an der Überlieferung und von ihrem Freiheitswillen. Von keinem ihrer Götter beauftragt, vertrauten sie auf deren Hilfe bei der Suche nach einem Landeplatz für ihre Langschiffe, bauten dort, wo die ins Meer geworfenen Balken der aus ihrer Heimat mitgenommenen Hochsitze angeschwemmt wurden, mehr mit Selbstvertrauen als mit göttlichem Beistand, wohl auch häufig ohne ihn, die neuen Heimstätten. Als Bauern opferten sie den alten Naturgöttern zum Dank bei guter Ernte, feierten die Wintersonnenwende mit lodernden Feuern und in Baldur die Wiederkehr des Lichtes, deuteten unerklärbare Erscheinungen als Hinweise auf das heilsame Wirken der Götter oder auf das unheilsame von Tursen. Die Welt war ausgewogen; das Zeitalter der Naturreligion ist vielleicht das glücklichste in der Geschichte des Nordens gewesen; Tod und Leben blieben nahe beieinander ein stirb und werde; es gab kein Jenseits, keine jeden von ihnen angeborene persönliche Schuld gegenüber einem Gott, dessen Ansprüche niemand vorhersehen konnte. Gleichwohl war das irdische Leben kein Geschenk. Dennoch, hier, unterm Strohdach wie im Viehstall fühlen wir uns heimisch. In ihren Häusern fehlte in den langen düsteren Wintermonaten des Nordens das natürliche Licht; deshalb brannten sie im Mittelgang der Wohnhalle mit Schafmist unterhaltene Langfeuer. Das Helle steht der Dunkelheit entgegen; die Nachtschwärze ist dem Norden gleichbedeutend mit Gefahr, der panis nocturnis des Kindes und die Finsternis eine Bedrohung durch lichtscheue Mächte bis an die Markungen des geschützten Besitzes heran. Mehr: der Gegensatz von schwarz und weiß durchzieht die nordische Kosmologie; die Welt ist als ein fruchtbarer Baum gedacht und als Weltesche Yggdrasil von oben bis unten belaubt und besiedelt. In Asgard, der oberen Baumregion haben die Asen ihren Sitz; in der Mitte leben die Lichtalben, also die Menschen und weit unten im Inneren der Erde hausen die Schwarzalben, missgestaltete Zwitterwesen, Zwerge voller Bosheit, mit Zauberkräften