Duineser Elegien. Rainer Maria Rilke

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Duineser Elegien - Rainer Maria Rilke

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      LUNATA

Duineser Elegien

      Duineser Elegien

      © 1923 by Rainer Maria Rilke

      Umschlagbild Anne Anderson

      © Lunata Berlin 2020

      Inhalt

       Die Erste Elegie

       Die Zweite Elegie

       Die Dritte Elegie

       Die Vierte Elegie

       Die Fünfte Elegie

       Die Sechste Elegie

       Die Siebente Elegie

       Die Achte Elegie

       Die Neunte Elegie

       Die Zehnte Elegie

      Die Erste Elegie

      WER, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel

      Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme

      einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem

      stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts

      als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen,

      und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,

      uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich.

      Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf

      dunkelen Schluchzens. Ach, wen vermögen

      wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht,

      und die findigen Tiere merken es schon,

      daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind

      in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht

      irgend ein Baum an dem Abhang, daß wir ihn täglich

      wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern

      und das verzogene Treusein einer Gewohnheit,

      der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht.

      O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum

      uns am Angesicht zehrt –, wem bliebe sie nicht, die ersehnte,

      sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen

      mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter?

      Ach, sie verdecken sich nur mit einander ihr Los.

      Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere

      zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel

      die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug.

      Ja, die Frühlinge brauchten dich wohl. Es muteten manche

      Sterne dir zu, daß du sie spürtest. Es hob

      sich eine Woge heran im Vergangenen, oder

      da du vorüberkamst am geöffneten Fenster,

      gab eine Geige sich hin. Das alles war Auftrag.

      Aber bewältigtest du's? Warst du nicht immer

      noch von Erwartung zerstreut, als kündigte alles

      eine Geliebte dir an? (Wo willst du sie bergen,

      da doch die großen fremden Gedanken bei dir

      aus und ein gehn und öfters bleiben bei Nacht.)

      Sehnt es dich aber, so singe die Liebenden; lange

      noch nicht unsterblich genug ist ihr berühmtes Gefühl.

      Jene, du neidest sie fast, Verlassenen, die du

      so viel liebender fandst als die Gestillten. Beginn

      immer von neuem die nie zu erreichende Preisung;

      denk: es erhält sich der Held, selbst der Untergang war ihm

      nur ein Vorwand, zu sein: seine letzte Geburt.

      Aber die Liebenden nimmt die erschöpfte Natur

      in sich zurück, als wären nicht zweimal die Kräfte,

      dieses zu leisten. Hast du der Gaspara Stampa

      denn genügend gedacht, daß irgend ein Mädchen,

      dem der Geliebte entging, am gesteigerten Beispiel

      dieser Liebenden fühlt: daß ich würde wie sie?

      Sollen nicht endlich uns diese ältesten Schmerzen

      fruchtbarer werden? Ist es nicht Zeit, daß wir liebend

      uns vom Geliebten befrein und es bebend bestehn:

      wie der Pfeil die Sehne besteht, um gesammelt im Absprung

      mehr zu sein als er selbst. Denn Bleiben ist nirgends.

      Stimmen, Stimmen. Höre, mein Herz, wie sonst nur

      Heilige hörten: daß die der riesige Ruf

      aufhob vom Boden; sie aber knieten,

      Unmögliche, weiter und achtetens nicht:

      So waren sie hörend. Nicht, daß du Gottes ertrügest

      die Stimme, bei weitem. Aber das Wehende höre,

      die ununterbrochene

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