In Mexiko Bd. 1. Gerstäcker Friedrich
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„Und halten Sie Miramon wirklich für gefährlich?"
„Ja -", sagte der Minister nach einer kurzen Pause, „denn der Klerus hat Niemanden weiter, auf den er sich so fest und sicher stützen kann, als auf ihn, sobald er nämlich steht, daß er von der Regierung Eurer Majestät nichts weiter für seine ungerechtfertigten Ansprüche hoffen und er-/54/warten kann. Ich weiß aber, daß Miramon gerade in der letzten Zeit häufige Konferenzen mit Labastida hatte, und was die beiden Herren mit einander verhandelten, ist nicht schwer zu durchschauen."
„Aber was kann ich mit ihm anfangen?" sagte Maximilian, der sich dadurch doch etwas beunruhigt fühlte.
„Geben Sie ihm irgend einen Gesandtschaftsposten in Europa," drängte der Minister, „er wird Mexiko überall würdig repräsentiren und kann dem Lande dort nützen, während er ihm hier -"
„Was wollen Sie sagen?"
„Vielleicht Schwierigkeiten bereitet."
„Ich glaube, Sie sehen zu schwarz, Ramirez" erwiderte Maximilian freundlich. „Besinnen Sie sich, wie wir vorhin über den „ersten Eindruck" sprachen. Ich kann mich nicht erinnern, in Mexiko ein Gesicht gesehen zu haben, das mir bei dem ersten Anblick mehr Vertrauen erweckte, als gerade Miramon's. Er ist jedenfalls ein ungewöhnlich begabter Mensch; und sollte er nicht, als geborener Mexikaner, wenn er sieht, daß Alles nur zum Besten seines eigenen Vaterlandes geschieht, ein vielleicht gefaßtes Vorurtheil fallen lassen und sich mit aufrichtigem Herzen der guten Sache widmen?"
Ramirez schwieg und sah eine Weile sinnend vor sich nieder.
„Es ist möglich, Majestät," sagte er nach einer längeren Pause, „aber es bleibt ein gefährliches Experiment. Nehmen Sie Marquez, den General, der der Kirchenpartei eben so entschieden an- oder vielmehr von ihr abhängt, als Miramon; den würde ich nie im Leben fürchten. Marquez ist vielleicht ein tapferer Soldat, was ich für meine Person aber ebenfalls bezweifle, denn wirklich tapfere Menschen sind nie grausam; aber um Marquez zu gewinnen, giebt es Mittel: Orden, Ehrenstellen, Geld. Miramon dagegen hat schon einmal den höchsten Ehrenposten des Staates inne gehabt, seine Frau war die Erste des Landes einst, und Beide vergessen das nie und nimmer im Leben." /55/
Maximilian schaute sinnend nach dem im vollen Glanz der Sonne liegenden und schneebedeckten Vulkane hinüber, und das Schauspiel dort lenkte bald und rasch seine Aufmerksamkeit von all' den unruhigen Gedanken ab, die ihn bis dahin wohl beschäftigt hatten.
„Oh, sehen Sie, Ramirez," rief er bewegt aus, indem sein Arm sich unwillkürlich den Bergen zu hob - „sehen Sie, wie wunderbar schön und herrlich! Die Sonne nähert sich dem Horizont! Die Kuppen da drüben fangen an zu glühen! Oh, wie wunderbar schön, wie reich und hochbegabt ist dieses Land, und daß nur die Menschen stets den einzigen Mißton darin bilden müssen!"
Einen Moment stand er in bewunderndem Staunen versunken; dann aber drängte es ihn, auch Andere um sich zu haben, die den wahrhaft prachtvollen Anblick mit ihm genoffen.
„Charlotte," rief er nach dem offenen Saal hinüber, „oh, versäumt den Sonnenuntergang nicht - was habt Ihr da drinnen noch im dumpfen Saale, während sich hier das Schönste und Herrlichste entfaltet, was die Welt an Scenerie Euch bieten kann!"
Die Kaiserin war herausgetreten; ihr folgte die übrige Gesellschaft, und still und bewegt sahen Alle nach den fernen, aber in der Abenddämmerung und der reinen Luft scheinbar nahe heranrückenden Bergen hinüber, deren klare Umrisse sich deutlich erkennen ließen und jetzt in den wunderbarsten Farben spielten.
Zuerst, als die Sonne noch nicht den Horizont berührte und nur hinter den Dunstkreis der Erde trat, zog sich ein leises, kaum merkliches Rosa über die beiden weißen Höhen des spitz auflaufenden Popocatepetl wie der links davon ruhenden, breit ausgedehnten „weißen Frau", dem Ixtaccihuatl, und täuschend wirklich war jetzt die Ähnlichkeit mit einer auf dem Rücken liegenden, von einem riesigen weißen Tuch überdeckten und lang ausgestreckten weiblichen Gestalt - aber immer glühender wurden die Farben, immer schärfer hoben sie sich vom dunkelblauen Hintergrund des östlichen Himmels ab; und lautlos - kaum athmend, stand der junge Kaiser /56/ und schwelgte in dem wunderbaren Schauspiel, das sich dort ihm bot.
Vor ihm ausgebreitet lag die Hauptstadt des Reiches, mit ihren Kuppeln und Thürmen, dahinter dehnten sich die noch in der Sonne blitzenden Seen; aber das Auge suchte nichts weiter, als die glühenden Kuppen der beiden Vulkane, die in fast überirdischer Pracht jetzt selber Feuer auszustrahlen schienen, während aus den von der Sonne nicht mehr erreichten Klüften der Kolosse milchweiße, ebenfalls von rosigem Licht übergossene Nebel aufstiegen, und wie sie entstanden, sich in phantastische Formen und Gruppen bildeten.
Und wieder wechselte das Farbenspiel; tiefer und tiefer sank die Sonne, und wie ein Schleier zog es sich aus der Tiefe herauf, wuchs höher und höher, bis es die Kuppen der Berge erreichte und bleigrau färbte, während die Nebelstreifen darüber noch für Momente ihren Duft bewahrten. Jetzt schwand auch der, die Berge schienen in der rasch einbrechenden Nacht zu vergehen, denn nur noch unvollkommen ließen sich ihre Umrisse erkennen, bis die Nacht völlig einbrach, die Kuppen beider Berge ganz plötzlich wieder zu strahlen anfingen und nun mit fast blendend weißem Schein herüberleuchteten.
Es lag etwas Geisterhaftes in diesem Anblick, und während die Damen mit einander zu flüstern anfingen, und das Bedürfniß fühlten, ihre Gedanken gegenseitig auszutauschen, stand Maximilian noch immer in stillem Anschauen versunken, und konnte sich nicht losreißen von dem Schauspiel.
Aber es war spät geworden, die Luft wehte kühl von den schneeigen Kuppen herüber, und da sich Maximilian heute nicht mehr in der Stimmung fühlte, ein politisches Gespräch wieder aufzunehmen, verabschiedete er sich mit einer freundlichen Handbewegung von seinen Gästen und schritt allein in das Schloß zurück. Aber auch dort litt es ihn nicht lange: die Mauern beengten ihn, und seinen Hut ergreifend, stieg er, von keinem Diener begleitet, allein den Schloßberg hinab, um dort, im Schatten der mächtigen Cedern, die am Fuß desselben standen, seinen eigenen Gedanken ungestört nachzuhängen.
Und wie still die Welt da unten lag, wie still und ausgestorben fast, während doch früher in diesem heiligen Hain /57/ Leben und Freude geherrscht hatte, und all' die Fürsten dieses Landes unter ihnen wandelten - bis sie ihr Geschick erreichte.
Schon zu Montezuma's Zeiten fingen diese Bäume mit ihren Aesten die Brise und rauschten im Abendwind; dort drüben hatte der unglückliche Kazike, dessen schönes Land die Fremden mit dem Kreuz und Schwert verwüsteten, seine Bäder. Nach ihm bauten die spanischen Vicekönige ein festes Schloß auf diesen Hügel, und hier wohnte nach ihnen Iturbide, der erste Kaiser dieses Reiches, und wie endete er! Wie oft mag auch er, mit Träumen von Glück und Macht, unter diesen Bäumen gewandelt sein, bis er entthront, verurteilt, dem eigenen Volk zum Opfer fiel, - und doch hatte er gerade das mexikanische Volk von dem spanischen Joch befreit. Und nach ihm all' die Präsidenten, die hier gehaust. War denn auch Einer nur von allen im Stande gewesen, dem schönen Lande den Frieden zu geben und Ruhe und Eintracht in das Volk zu bringen? Und würde i h m das jetzt gelingen, ihm, dem Fremden, der aus weiter Ferne, aus glücklichen Verhältnissen heraus, herüber kam an diese Küste?
Es war wohl ein heimlicher, aber nicht günstiger Platz zum Nachdenken über die Zukunft Mexikos, denn nur Blut und Zwietracht zeigte die Vergangenheit, und klagend rauschte dazu das Laub durch jene Aeste.
Maximilian warf sich unter dem stärksten der Bäume, den Kopf in die Hand gestützt, auf die Erde nieder, und