WEHE… WENN. Andrea Lieder-Hein
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Dann schaute Emma auf das Profilbild. Viel konnte sie nicht erkennen. Kaatje hatte, wie damals auch, einen fabelhaft makellosen Teint, große, etwas böse Augen, eine gerade, niedliche Nase und volle Lippen. Das Böse an den Augen wurde von den Augenbrauen unterstützt. Die waren teuflisch hochgezogen und fielen dann plötzlich wieder nach unten ab.
Emma zögerte noch, ob sie wirklich eine Freundschaftsanfrage stellen sollte. Gefunden hatte sie Kaatje nur, weil Kaatje bei Facebook Kaatje Wittgens-Krohn hieß. Aber so hieß sie gar nicht. Als Kaatje damals heiratete, da stand das in allen Zeitungen. Ihr Mann war viel älter und steinreich. Und Kaatje hieß in der Anzeige Kaatje Krohn geb. Wittgens. Ob sie wohl geschieden war? Tot war der Krohn sicher nicht. Er war ein bekannter Reeder. Das hätte sie gelesen oder in den Nachrichten gehört.
Bremen. Da waren sie beide gar nicht so weit von Oldenburg weggezogen. Kaatje nach Bremen und sie nach Hamburg. Witzig.
Ein Lachen huschte über Emmas Lippen, als sie die Anfrage stellte. Sie würde Kaatje ihren Meeno stolz präsentieren. Kaatjes ehemaligen Meeno in IHREM Bett und sie fast schon schwanger. Von Meeno. Er hatte nach fünf Jahren Ehe gefragt, ob das nun der richtige Augenblick für ein Baby sei. Und sie hatte mit JA geantwortet. DAS war ein Triumph. Den konnte man feiern. Schwanger von ihrem Meeno. Da lohnte sich die Freundschaftsanfrage.
Abgeschickt. Nun musste sie nur noch warten.
Kaatje
Kaatje schaute auf ihre Armbanduhr und nickte. Ja, genau die richtige Zeit, um in den „Englischen Garten“ zu gehen. Relaxen. Ausspannen vom Stress ihres Berufes.
Kaatje war Tierärztin in Bremen und verdiente gut. Sie verarztete nur Kleintiere, in Notfällen aber auch mal Tiere in Massentierhaltung. Sie hatte sich damals in Bekämpfung von Tierseuchen ausbilden lassen, weil antibiotika-resistente Krankheitserreger aus dieser Intensivmast für Menschen gefährlich waren. Die Keime könnten über den Feinstaub ungefiltert aus den Mastanlagen in die Umwelt gelangen und schwere Entzündungen erzeugen. Deshalb trug Kaatje auch immer einen Ganzkörper-Schutzanzug, wenn sie mal für einen Kollegen in einem Mastbetrieb einsprang. Dass sie diesen Schutzanzug auch mal anders verwenden würde, hätte sie sich damals nicht träumen lassen.
Aber eigentlich hatte sie gut zu tun in Bremen. Da gab es Patienten genug. Gelenke kaputt, Fettleibigkeit, falsche Ernährung, zu wenig Auslauf, im Grunde genau die Leiden, die Menschen auch haben. Kaatje lachte laut auf. „Aber sag das mal einem Herrchen oder Frauchen“, dachte sie und eilte die Treppen des „Hotel Isarkutter“ hinunter. Sie hatte sich dort für eine Woche eingemietet, in München, fernab von Bremen und ganz nah zwischen Bergen und Natur. Herrlich, ein Sommerurlaub in München, Ende Juli.
„Der Englische Garten gehört zu den größten Parkanklagen der Welt. Knapp 400 ha Grünanlage, im NordOsten von München, am Westufer der Isar“ hatte sie in der Schule gelernt. Ob er immer noch einer der größten der Welt war? Sie wusste es nicht. War auch nicht wichtig. Mitten in München und mit so vielen Attraktionen, das war ihr wichtiger.
Biergärten, staunenswerte Ausblicke, Liegewiesen und Scharen von fröhlichen Menschen begegneten ihr auf ihrem Weg zum Eisbach. Im Sommer war hier Hochbetrieb und eine Erfrischung im Eisbach angenehm. Sie aber nahm ihr Handy aus der Hosentasche und startete ein Filmchen. Surf-Action am und im Eisbach. Fantastisch. Manche Surfer konnten sich minutenlag auf der Welle halten, ehe sie in die Fluten eintauchten und ihr Glück erneut versuchten.
Nach fast einer Stunde taten Kaatje die Beine weh und sie machte sich auf zu einem Café. Auf den großen Wiesen staunte sie über Federball, Jogger, viele Hunde und jede Menge Radfahrer. An einem Biergarten mit Seeblick hielt sie inne. Biergarten war auch gut. Passte. Und ein Päuschen hatte sie jetzt bitter nötig.
Sie hatte Glück. Ein Pärchen stand gerade auf, winkte ihr zu und überließ ihr den Tisch mit einem fantastischen Blick auf den See. Hmmm, leckere Gerichte standen auf der Speisekarte und sie hatte Hunger. Oder doch nur Kaffee? Kaatje überlegte kurz, ob ihr Bruder wohl mit den beiden Irischen Wolfshunden in ihrem Haus zurecht kam. Thure hatte sie nämlich gefragt, ob er die Woche in ihrem reetgedeckten Hof am Rande von Bremen wohnen könnte, während sie in München war. Er würde dafür auch auf Pan und Amos aufpassen und sie versorgen.
Ob sie ihn mal anrufen sollte? Dann konnte sie hier auch in aller Ruhe essen und vielleicht doch mal in ihren Facebook-Account schauen. Eigentlich wollte sie das diese Woche vermeiden. Aber man wusste ja nie...
Sie bestellte sich eine Bärlauchcrémesuppe, danach den Baby-Steinbutt mit Kräutern, Knobi und Zitrone und als Getränk ein Radler. Es gab sogar BioEis in den Geschmackssorten Ingwer, Pflaume-Zimt und Gries-Sahne. Vielleicht passte am Ende noch etwas rein in ihren Magen. Und wenn nicht - sie war ja noch drei ganze Tage in München und man musste es nicht übertreiben.
Während Kaatje auf ihre Leckereien wartete, klingelte sie bei Thure durch, aber niemand ging ran. Typisch für Thure.
Dann tippte sie fast verschämt auf das weiße f im blauen Quadrat in ihren Apps. Erschrocken tat es ihr sofort leid. 38 Benachrichtigungen, 17 Nachrichten und eine Freundschaftsanfrage. Nach nur drei Tagen. Eine Freundschaftsanfrage? Wer das wohl sein könnte? Einige Patienten waren mit ihr befreundet. Und sie bestätigte diese Freundschaften immer. Man wollte sie ja als Patienten behalten. Meistens posteten sie dann Hundebilder oder Katzen, Mäuse und Hamster und somit völlig ungefährlich und bei FB-Usern durchaus beliebt.
Als sie schaute, wer da die Anfrage gestellt hatte, wurde ihr schlagartig übel. Emma Larssen!!! Das durfte doch gar nicht wahr sein. Die alte Hexe, dass die sich das traute. Larssen. So hieß sie jetzt, wie Meeno. Larssen. Nicht mehr Greiner.
Als die Bärlauchsuppe serviert wurde, konnte Kaatje gerade noch alles bezahlen, sich entschuldigen und mit wackeligen Beinen in ihre Pension fahren, mit einem Taxi. Dort nahm sie eine Valium und legte sie sich auf ihr Bett.
Tagebuch Kaatje
Liebes Tagebuch,
mir ist immer noch ganz schlecht. Ich kann es kaum fassen. Jahre lang habe ich versucht, Meeno und diese Emma zu vergessen, eher zu verdrängen, und dann finde ich heute von ihr in meinem Urlaub eine Freundschaftsanfrage bei FB vor. Unglaublich.
Meeno, mein geliebter Meeno, wie verliebt waren wir seit der Zehnten. Wir waren DAS Paar, das TRAUMPAAR der Schule. Meeno hat mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen, mich überall als seine „Freundin for ever“ vorgestellt, ich war bei seinen Eltern fast schon die Schwiegertochter. Und dann kommt zu Beginn der Elften dieser Barbie-Verschnitt mit Supertaille und langem wallenden Haar in blond zu uns in den Jahrgang.
„Hey, Leute, ich komme aus München und bin nun bei euch im Jahrgang. Ich bin Emma“.
DAS waren ihre Worte. Ich sah Meenos Gesicht und wusste sofort, ich hatte verloren. IHN verloren. Und sie hatte ihn gewonnen. Einfach so. Mit „Hey, Leute, ...“
Als ich heute die Anfrage fand, da fragte ich mich, ob ich deswegen vielleicht in München war. SIE kam aus München. Vielleicht wollte ich hier gar nicht relaxen, Berge und Natur sehen? Vielleicht wollte ich immer noch den Schmerz fühlen, auffrischen?