In Amerika. Gerstäcker Friedrich
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„Mein Name ist Taylgrove“, sagte der alte Herr düster, „und bis vor einer Stunde war ich Besitzer dieser Plantage.“
„Sind es also noch, Mr. Taylgrove“, erwiderte Helldorn, „soweit es nämlich die Plantage selber betrifft; nicht mehr freilich über die Neger, deren Eigentumsrecht der Süden durch diese blutige Rebellion verscherzt hat.“
„Und wer gibt dem Norden das Recht, uns unser Eigentum zu nehmen?“, fuhr Taylgrove wild empor.
„Mein werter Herr“, sagte der junge Hauptmann abwehrend, „Sie können nicht von mir verlangen, dass ich mich hier mit Ihnen in politische Streitfragen einlassen soll; das ist Sache der Regierung zu Washington, und an die, bitte ich, sich zu wenden. Wollen Sie aber einen R a t von mir annehmen, so seien Sie von diesem Augenblick an außerordentlich vorsichtig in der Behandlung der Neger, denn ob diese ihre Freiheit mäßig gebrauchen werden, oder vielleicht gar missbrauchen werden, hängt nur von der Klugheit ihrer früheren Besitzer ab.“
„Sie sind sehr gütig mit Ihrem Rat“, sagte Taylgrove scharf.
„Und Sie finden hier gleich die Illustration dazu“, lachte der Captain; „Hätten die Damen sich freundlich herbeigelassen, mir nur auf meine Bitte ein Glas Wasser zu reichen, so wären wir gar nicht zu Ihnen hereingekommen, aber der Ü b e r m u t des Südens muss erst gedemütigt sein, und nachher, hoffe ich, können wir wieder recht gute Freunde werden.“
„Sie scheinen mir in Ihren Hoffnungen etwas überspannt, Herr Hauptmann“, sagte Taylgrove bitter. „Der Süden kann für den Augenblick zurückgeschlagen, aber nie besiegt werden, und der Norden wird schließlich eine hübsche Kostenberechnung zu zahlen haben.“
„Warten wir es ab“, lachte der Captain, „aber glauben Sie wirklich, dass Sie d i e Burschen je wieder in Ihren Dienst und in Sklavenketten zwingen können? Wahrlich nicht, und selbst der Versuch möchte schlimm ablaufen, wenn es auch sonst ein harmloses Volk ist. Sehen Sie selber, wie sie sich jetzt nur ihrer F r e u d e hingeben.“
Der Zwischenfall mit dem fremden Neger, der fast blutige Folgen gehabt, war in der Tat fast unbeachtet verlaufen. Der leichte, harmlose Sinn der Neger, der aber auch aus ihrer ganzen Erziehungsweise entsprang und nie eine Sorge für die Zukunft in ihnen aufkommen ließ, da für diese ja ihr H e r r einstehen musste – setzte sie bald über alles andere hinweg und ließ sie nur den Augenblick erfassen, der ihnen alles gebracht, was sie nur je erwünscht und erhofft: F r e i h e i t.
Der Neger ist ein geborener Musiker, liebt wenigstens leidenschaftlich j e d e s Instrument von der Maultrommel bis zur Violine, von der großen Trommel bis zur Holzharmonika, und sucht sich stets, sobald es ihm nur seine Mittel erlauben, eines oder das andere derselben zu verschaffen und einzuüben. Auf Mr. Taylgroves Plantage befanden sich deshalb auch zwei wirkliche Violinen – oder fiddles, wie sie die Schwarzen nannten, ein paar Dutzend Maultrommeln, eine Trompete, eine Trommel und eine „Zieh-Harmonika“; und wenn auch bis dahin noch niemand daran gedacht hatte, sie alle z u s a m m e n einzuüben und stimmen zu machen, so wollte doch jetzt auch keiner mit seiner Kunst nachstehen oder in den Hintergrund gedrängt werden.
Dass der Charakter dieser Menschenklasse kein blutdürstiger oder rachgieriger ist, zeigt sich am Deutlichsten gerade durch die Musik. Sie griffen nicht in ihrem ersten Siegestaumel nach Messer oder Gewehren, um sich an ihren oft so harten und grausamen Herren zu rächen, sondern nach Harmonika und Violine, mit denen sie freilich kaum minder grausam zu Werke gingen. Jeder Neger hat indessen ein ganz richtiges Gefühl für Takt, und wenn die Melodie selber auch eine heillose genannt werden konnte, so hielten die Spieler doch wenigstens das richtige Tempo, und einige Paare der jüngeren Leute traten bald zu einem der gewöhnlichen Negertänze an.
Auch die älteren Frauen waren herbeigekrochen, um das W u n d e r zu sehen. Ihr Volk f r e i ? Sie hatten die „Botschaft“ wohl gehört, aber es fehlte ihnen noch der Glaube, denn es war nicht möglich – nicht denkbar. Ja, jetzt vielleicht, so lange die Soldaten der „Nordischen“ hier im Hofe lagen, ließ man ihnen die Freiheit, aber waren die wieder fort, würden dann nicht Massa und Massa Hall die armen Schwarzen wieder mit der furchtbaren Peitsche zusammentreiben? Und was für strenge Strafen folgten später noch. – Für diese war das auch kein Fest, denn die Furcht lauerte hinter dem freundlichen Bild, und die Erinnerung an blutig gepeitschte Rücken tauchte vor ihrer inneren Seele auf.
Desto ungestörter überließ sich aber das junge Volk dem ersten Freudentaumel, und wieviel des Neuen gab es auch heute zu betrachten, von dem sie sich früher nie auch nur träumen ließen. Die fremden weißen Soldaten mit ihren Waffen, die freundlich mit ihnen waren und mit ihnen Wein tranken, ohne dass der sonst so finstere Massa Hall nur ein Wort hineingeredet hätte – und außerdem ein Wochentag, an dem nicht gearbeitet wurde – und sämtliche Plantagenneger hier mitten im Hofe, den sie sonst ja nie betreten durften.
Der junge Hauptmann hatte sich wieder zu einem der Unteroffiziere gewandt und diesem die nötigen Befehle gegeben, da sie hier auch nicht zu lange verweilen durften, als er sich plötzlich an dem einen Arme leise und schüchtern berührt fühlte. Wie er den Kopf dahin wandte, erkannte er ein kleines, bildhübsches Negermädchen in einem schneeweißen Kleid, das scheu zu ihm aufsah und doch auch wieder dabei den Blick in Angst zur Seite warf, ob „Missus“, ihre Herrin, sie wohl beobachte, und ob sie nachher böse darüber sein würde. Aber es war ja doch nichts Unrechtes, das sie hier wollte.
„Nun, Kleine? – Was gibt’s?“, sagte der Offizier freundlich. „Was hast Du, Kind?“
„Ach, Sir“, flüsterte Liddy, indem sie verschämt und furchtsam an ihrem Rockband zupfte, „ist es denn wahr, was Bob da drin erzählt?“
„Und was erzählt Bob?“
„Dass wir alle frei wären und hingehen könnten, wohin wir wollen?“
„Das ist allerdings wahr – aber willst D u nicht bei Deinen Eltern bleiben?“
„Ach wie gerne, Sir“, klagte Liddy, „wenn ich nur wüsste, wo sie wären.“
„Sind sie nicht hier?“
„Ach nein, Massa – weit, weit oben im Land, irgendwo an einem großen Fluss habe ich sie zum letzten Mal gesehen, und dann wurden wir – die Schwester und ich – hierher gebracht und verkauft.“
Der junge Hauptmann biss die Lippen zusammen. „Und wo war das?“, frug er endlich.
„Auf einem Dampfboot…“
„Nein, in welchem Staat…“
„Ja, das weiß ich nicht, Massa, ich kannte das Land nicht; ach, wenn Sie uns nur dort hinaufschicken könnten. Mutter jammert gewiss nach uns.“
„Armes Kind“, sagte der Soldat weich, „und solche Schurkerei aufrecht zu erhalten, dafür schlägt sich noch ein ganzes Volk. Die Pest über die Schufte.“
„Und wollen Sie uns dahin bringen, Massa?“, drängte die Kleine.
„Ja, mein liebes Herz“, sagte Helldorn, „wie k a n n ich, wenn ich selbst wollte. Ich darf hier die Truppe nicht verlassen. Wo wohnen denn Deine Eltern jetzt? Bei welchem Herrn sind sie? Gib mir den Namen und ich will mich danach erkundigen lassen.“