Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.. Helmut H. Schulz
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Gewiß ist daran nicht zu denken. Mir ist aber doch, als täte ich besser, ihm von meinen Sympathien für die Jungen, die meine Generation sind (und die ich versteh)e, zu schweigen. Aber vor dem Alten ist nichts ganz zu verbergen; er warf einen Blick auf meine Skizzen mittelalterlicher Schloßruinen und bemerkte trocken, man schule sich besser an der Natur der Dinge, als sich selbst zum Gegenstand des Alls zu machen. >Sehen Sie, was auf der Heide, die ich eben als trockenen Sand bezeichnet habe, noch wuchert, diese Unnatur, dieses aus zweiter Hand leben. Was soll das mit dem Kult des Mittelalters? Habt ihr Jungen denn dieses Zeitalter verstanden und nicht bloß auf ein paar Kostüme heruntergebracht, ein wenig Blech und eine Menge Weihrauch? Nutzt uns das, die wir in allem aufholen müssen, nach rückwärts zu starren und Heil zu erwarten? Nun, ich weiß schon, ihr haltet uns für veraltet, für verkalkt. Hüten Sie sich, Prinzessin, vor dem Spiel mit der Form! < Habe mich beeilt, ihm meine Ergebenheit zu versichern. Aber was half es? Geglaubt hat er mir nicht.
Dieser würdige Greis verfolgt ein uns fernes Ziel, in seiner gedachten Welt sind wir alle alles miteinander, Bauern und Fürsten, Künstler und Gelehrt, alles aus uns selbst heraus. >Sie werden also nun wirklich in dieses Berlin hinein heiraten? < Ich spürte, dass er mich ungern verliert, kam sehr nachdenklich nach Hause zurück. Fand einen der merkwürdigen Briefe meines Bräutigams vor, die Aufzählung einer Menge von Belanglosem. Im ersten Anlauf war ich nicht imstande, diesen Quark überhaupt zu lesen. W. schreibt, wie einer, der seine tägliche Pflicht, ähnlich der Inspektion eines Regimentes. Es soll ja Preußen sehr kriegerisch sein; ich meine, dass es kriegerisch ist, wird nicht bezweifelt, selbst Papa und Großvater bewundern Preußen auf das höchste seit den Taten Friedrichs, es ist kriegerisch im Sinne seiner Ferne von höherer Kultur. Das werden wir ändern, denn die Hochzeit soll ja doch sein. Gott, am Ende wird bei Preußens vor dem Mittagessen regelrecht der Herr angerufen?
Die Hochzeit war auf den 11. Juli 1829 festgesetzt worden. Wilhelm wünschte einen vorgezogenen Termin, Maria Pawlowna wollte ihn dagegen aufschieben und vor allem: nicht in Berlin, sondern in Weimar sollte geheiratet werden. Der Umgang mit der Großfürstin Maria Pawlowna war nicht eben leicht, und er wurde immer schwieriger. Sie litt zunehmend unter Schwerhörigkeit, was das ihr angeborene Misstrauen noch steigerte. Und die ganze Vorgeschichte dieser Brautwerbung war nicht dazu angetan, sie milde gegen den Bräutigam ihrer Tochter, eben diesem Herrn aus Berlin, zu stimmen. Seine Kälte, seine offen bekundetet Gleichgültigkeit für ihre Tochter ließen sie für die Ehe Augustas fürchten. Ihr war natürlich bewusst, dass es sich um eine dynastische Kuppelei handelte, ja, sie hatte an eben dieser Kuppelei recht lebhaft teilgenommen, allein ganz sorglos war der Eheknoten nun doch nicht geknüpft worden. Menschliche Güte und Größe sollte die Nachteile solcher Heirat denn doch auch ausgleichen. Weimar als Trauungsort war wieder Schrulle, und die preußische Seite bestand allerdings darauf, dass die Ehe in ihrer Residenz geschlossen wurde. Nach manchem Hin und Her entschlossen sich Großherzogin und Großherzog, um wenigstens daran zu erinnern, dass es auch einen Großherzog gab, nach Berlin zu reisen, und an der Trauung teilzunehmen. Zur Hochzeit wurde der neue Zar Nikolaus I., Wilhelms Schwager, weil dieser mit dessen Schwester Charlotte verheiratet war, in Berlin mitsamt Gemahlin zu Gast erwartet. Nikolaus, der Bruder Maria Pawlownas, und Alexandra Feodorowna, wie sich Charlotte jetzt nennen ließ, bildeten denn auch in Berlin und Potsdam erwartungsgemäß den Mittelpunkt, nicht das Hochzeitspaar, wie alles Russische in Berlin Respekt und höchste Bewunderung auslöste, zumindest seit Alexander I. sich mit Luise und Friedrich Wilhelm III. an der Gruft Friedrich II. die Hände zu ewigem Bündnis und unverbrüchlicher persönlicher Freundschaft gereicht hatten, seit den Tagen der Waffenbrüderschaft. Aber die Sympathien schwankten doch auch stark; allemal wenn Russen in Berlin auftraten, stellten sie höchste Ansprüche an Aufwand, sie waren nicht nur Autokraten, sondern den römischen Päpsten gleichgestellt. Irgendwie hatten die deutschen Fürsten alle das Gefühl einer Minderwertigkeit, als ob ihre Bedeutung permanent in dieser Welt aus den Händen der russischen Befreier empfangen wurde. Loswerden konnte sie die Russen allerdings nicht mehr.
Dass es mit der russischen Freundestreue ein eigen Ding ist, wusste niemand besser als die Großfürstin Maria Pawlowna, die ihrer Tochter einen Abscheu gegen den zaristischen Absolutismus eingeimpft hatte. Was nichts daran änderte, dass bei einem Zarenbesuch regelmäßig etwas mehr getan werden musste, als das Protokoll vorgeschrieben hätte, würde es eins gegeben haben, und weil der Herrscher aller Russen und Reußen zugleich als der orthodoxe Papst auftreten konnte, falls er es wollte. Und natürlich wuchs sich die Hochzeit zu einer endlos langen Feierlichkeit aus.
Der 11. Juni 1829, war ein Donnerstag und ein lauer Sommertag. Die 18jährige Braut und der 32jährige Bräutigam wechselten die Ringe, der Bischof Eylert hielt die Rede oder Predigt, während die im Lustgarten aufgestellten Kanonen Salut schossen. Es war ihr erster wirklich öffentlicher Auftritt in diesem Berlin. Schwiegervater Friedrich Wilhelm III. war in ihrer Nähe, ein zugeknöpfter, allerdings auch wohlwollender Witwer, die Prinzen von Preußen, Karl, ihr Schwager zumal, der gewöhnliche Hofschranzenpöbel, die Örtlichkeit, an der nichts die junge Frau an das heimische Weimar erinnerte, hunderte Augenpaare, die lauerten, um Augusta bei einem Fehler zu ertappen. Ihr kamen erste Ahnungen, dass sich dieses Land, dieser spröde Hof nicht ganz leicht ihren frommen Hoffnungen ergeben würde, sondern eher so bleiben wollte, wie er war. Die Uniformen störten sie, das militärische Zickzack schien ihr nicht passend für die Hochzeit einer Weimarischen Prinzessen, etwas ganz Besonderes, mit einem nicht mehr jungen Prinzen, der aus ihren Händen die höheren Weihen des freien Geistes empfangen sollte. Es befremdete sie, keines der Bücher in Nähe ihres Gatten gesehen zu haben, die zu kennen Augusta für unersetzlich hielt, die Weimarer Klassik, die Romantiker, einiges Englische, Französische. Er erschien ihr plötzlich recht oberflächlich, im Auftreten gekünstelt. An Pomp entfaltete der sparsame Schwiegervater genug.
Die junge Augusta wurde ihrer Rolle nicht völlig gerecht. Wie die Zeitgenossen berichten, vermochte ihre Haltung niemand hinzureißen. In ihrem Brautstaat wirkte die Weimarerin überdies schlecht angezogen, fein gemacht, sie, eine Arbeiterin, hatte vielleicht zu wenig Wert auf das strahlende Kostüm gelegt. Sie beschloss in genau dieser Stunde, in allem peinlich korrekt am Zeremoniell festzuhalten; niemand sollte sie bei einem Fehler ertappen. Der endlos langen Gratulationskur nach dem Festakt, folgte der in Preußen traditionelle Fackeltanz, eine Art Polonäse, bei der die Hofchargen gehend und schreitend Fackeln herum tragen. Diese Zeremonie soll bis auf eine Sitte der Antike zurückgehen, und war in Berlin schon in der Kurfürstenzeit üblich. Welche Bedeutung er hatte, das konnte der jungen Frau niemand erklären; allein sie schritt und walzte mit ihrem Herren Gemahl, dem alles offenbar verteufelt wichtig war, seiner Ernsthaftigkeit nach zu schließen, mit den Hofchargen durch den Saal. Dann war dies überstanden. Die Brautnacht kam.
Was sich in der ebenfalls traditionellen Brautkammerflucht des Berliner Schlosses unter vier Augen abspielte, darüber äußerte sich der neu gebackene Ehemann öffentlich ausnahmsweise einmal nicht. Der folgende Tag brachte Hofoper; gegeben wurde Spontinis Agnes von Hohenstaufen. Dieses Singedrama hatte sich der Ehemann bestellt, er kannte es von der Uraufführung her, und