Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.. Helmut H. Schulz
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Man hätte ja übrigens Gelegenheit gehabt, die berühmte Oper Webers zu hören. Der Freischütz war 1821 uraufgeführt worden und hatte den Spontini in der Öffentlich längst entmachtet und auf einen letzten Platz verwiesen. Davon hatte der Prinz schon deshalb keine Kenntnis genommen, weil die Ebene der Agnes von Hohenstaufen unzweifelhaft die Vornehmere war. Im Berliner Opernhaus fand darüber hinaus noch eine besondere Art Mummenschanz statt. Augusta musste in russischer Nationaltracht dem Zarenpaar aufwarten und huldigen, also die erneuerte Eintracht der beiden Mächte in persona bekräftigen. Sie tat es, die Unmöglichkeit sich zu weigern einsehend. Eine kluge Regie hatte alle diese Festlichkeiten so zu legen verstanden, dass auch noch der Geburtstag Charlottes, also Alexandra Feodorownas, in Berlin gefeiert werden konnte. Am 13. Juli 1829 wurde eine jener seltsamen Feten zu Potsdam im Neuen Palais veranstaltet, die hier so hoch beliebt waren. Sie trug den Namen: Fest der Weißen Rose. Weiße Rose deshalb, weil die Zarin ganz in Weiß gekleidet war, mit einem Kranz weißer Rosen auf dem Kopf. Offenbar musste der Name zu dieser Aufführung erfunden werden, um der Symbolik willen. Im Hof des Palais tuteten 115 Trompeter die Weiße Rose ein, alle Herrschaften traten zwar unter dem alten Preußenbanner Schwarz-weiß auf, schleppten aber eine Menge mittelalterliches Blech und Gold und Silber mit sich herum. Wilhelm war in eine Ritterrüstung gestiegen, in der Grundfarbe blau; alle Teilnehmer hatten Schwerter umgehängt, sie zu ziehen und vor der Weißen Rose zu senken, so wie man sich ein mittelalterliches Turnier vorzustellen begann. Das stürmische Angebot dieser Ritter, sich für die jeweilige Dame ihres Herzens nach Mittelalterbrauch zu raufen, wandelte Charlotte in ein harmloses Lanzenstechen nach Kränzen weißer Rosen um. Entschieden besser wäre es gewesen, die Schlägerei zuzulassen, und die Welt wenigstens von einem Teil ihrer Thronen und Herrschaften zu befreien, wenn auch nur zeitweilig. Zum Abschluss gab es eines der im Rokoko erfundenen und noch immer hoch beliebten lebenden Bilder, man stellte kostümiert bestimmte Szenen aus der Geschichte dar. Dabei ging es recht freizügig zu; Rübezahl und die Göttin des Krieges Bellona traten unter den kritischen Augen Augustas auf, und schließlich tanzten nach einem Bankett Ritter und Ritterfräulein bis in den Tag hinein. Wilhelm legte blecherne Rüstung und Adlerhelm wieder ab, und der papierne Alltag der Ehe begann. Dieser Hochzeiterei hatte in Augusta nicht nur die Spottlust geweckt; satirische Betrachtungen lagen ihr nicht, auch Humor besaß sie kaum. Dergleichen Hof- und Gelegenheitsfeste kannte sie auch, selbst der Geheimrat pflegte gelegentlich eines seiner Plunderweilernischen Vergnüglichkeiten beizusteuern. Allein war am Fest der Weißen Rose irgendetwas vergnüglich und nicht nur gespreizt, so war es Augusta gewisslich entgangen.
Glücklicherweise feierte man in Preußen nicht täglich solche Lanzenstechereien. Augusta, junge Ehefrau, begann sich in diesem Berlin, also im näheren Umkreis, denn Berlin ist auch zu einem guten Teil Potsdam gewesen, nach geeignetem Personal umzusehen. Sie durfte sich aber eingestehen, dass der ganze Hochzeitsspuk keinen sehr tiefen Eindruck bei ihr hinterlassen hatte; sie nahm ihn einfach hin, wie ein notwendiges Übel. Sie stellte rasch fest, dass zu den ästhetischen Gesellschaften, die sie geben wollte, ein recht kleiner Kreis zugelassen war, ganz anders, als in Weimar, wie sie meinte, nicht bedenkend, dass sich auch der Geheimrat für die Hofgesellschaft zu kostümieren pflegte und allein kommen musste, ohne die Geheimrätin.
BERLINER SALONS, ÄSTHETISCHE TEES
Es wird nunmehr Zeit, die Nutzanwendung aus den ersten Kapiteln um die Verhältnisse der Residenz Weimar zu ziehen und mit Berlin, dem Berliner Hofleben der ersten Ehejahre Augustas zu vergleichen. Auch Prinzessinnen haben so etwas wie einen Alltag. Goethe hatte geschrieben: mag es ihr wohl ergehen in dem ungeheuer weiten und bewegten Element, nämlich der jungen Augusta in dem weiten und bewegten Berlin. Wir nehmen mal an, der Dichterfürst hat diese Stadt gemeint, von der er selbst gar nichts hielt. Das junge Paar bezog eine erste Wohnung in Potsdam, und zwar im so genanten Kavaliershaus bei Sanssouci. Hält man sich die Architektur Potsdams wie deren Zweck vor Augen, Wohnstadt für Militärs, Beamte und Dienstleute zu sein, bedenkt man die daraus hergeleitete gesellschaftliche Struktur Potsdams, die abgeschotteten Salons der Offiziersgattinnen, die Kränzchen der Probst- und Predigerswitwen, die Unterhaltungen sitzen gebliebener Pfaffentöchter, die Masse subalterner Beamtenschaft, dann wird deutlich, was die junge Frau mit dem Wort Verdutztheit ausdrückt, mit dem sie ihre Lage beschrieb. Sie war nicht die erste, die, nach Preußen verpflanzt, verzweifelte, und von einer unbestimmten Angst geschüttelt wurde, für die das Wort Verdutztheit eher eine Verkleinerung ist. Vor der Kälte des Hofes und ihrer neuen Verwandten, dieser Atmosphäre ständigen Misstrauens, der Intrige und des gegenseitigen Belauerns brach der Mut der jungen Augusta, sich in diesem Berlin auf eigene Füße zu stellen, in die Knie. Hatte ihr Gatte einst zu viel süßliches Gefühl an eine Liebe verschwendet, die er vielleicht gar nicht real genießen wollte, so kehrte er jetzt den Mann der Pflichterfüllung heraus. In diesem Kodex war selbst die Ehe so etwas wie eine Frage der Räson, wie der Dienst, - sollten einem Prinzen die Freuden nicht vergönnt sein, die jeder Stalljunge besitzt? -, besaß er nur ein wenig menschliche Qualitäten, war er zur Liebe und zum Hass wie zum Genuss fähig. Wie der Prinzessin von Preußen, Augusta, so war es auch Luise ergangen, ihrer Schwiegermutter, als diese nach Berlin gekommen war. Auch sie war in den ersten Jahren der Ehe beinahe an diesem Hof zerbrochen, hätte sie nicht den besonnenen Gatten an der Seite gehabt, der sie übrigens auch wirklich liebte, was alles ein wenig leichter machen kann, leider aber auch im Falle Luises nicht machte. Wilhelm hatte seine Arbeit, er war Soldat, nahm allen Dienst ernst, oder mag ihn zumindest in dieser Zeit ernster als nötig genommen haben, um auf den Unterschied zwischen einem nutzlosen Kulturhof und einem Hof heroischen Soldatencharakters hinzuweisen. Und dieser Hof hatte draußen, neben seinem Ruf unendlicher Kälte, grenzenloser Missgunst und beispielloser Intrigenwirtschaft, noch den einer aus dem Rahmen fallenden Liederlichkeit. Der jungen Ehefrau wurde sorglich zugeraten, mit wem ihr Gatte es gerade hatte, in der Regel mit einer Ballettratte, einer Schauspielerin, und sie musste es noch als Ritterlichkeit dankbar hinnehmen, dass Wilhelm seinen Ehebruch ihr gegenüber geheim hielt. Er setzte das Leben eines Gardeoffiziers fort, als sei er noch ledig und los, und es ist schwer zu verstehen, weshalb er über sein schweres Schicksal Beschwerde führte, da er doch ganz gut zu leben verstand. Noch komischer ist, was er seiner Schwester über seine moralischen Vorstellung schrieb. Nichts Schrecklicheres denke ich mir, als gegenseitig aneinander gefesselt zu sein, ohne Achtung vielleicht sogar, oder auch ohne Freundschaft, denn an Liebe denke ich doch nicht mehr, wenigstens nicht an eine solche, wie ich sie kannte. Wer hier leben und existieren, und nicht absterben wollte, der musste sich eine eigene Welt schaffen, der musste allerdings auch gewärtig sein, von Hofdamen, Lakaien und Diplomaten auf Schritt und Tritt belauert und durchgehechelt zu werden. Diesem Klima war nicht leicht zu entkommen. Selbst Heilige fürchten das Gerücht, hatte ein berühmter Kirchenfürst einmal weise gesagt, als seine makellose Lebensweise gerühmt worden war; um wie viel mehr musste eine Fremde, eine blutjunge Frau und ein unbeschriebenes Blatt die Nachrede fürchten, auch dann, und dann vor allem, wenn sie auf eine saubere eheliche Lebensführung achtete, und nicht nur wie ihr Gemahl, auf eine saubere eheliche Geschäftsführung.
Eigentlich hätte ihr ihre Umgebung Verständnis geschuldet. Allein,