Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.. Helmut H. Schulz

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Tee. >Du darfst, sagte ich ihm, in einem ästhetischen Tee eher zerstreut und tiefdenkend als vorlaut erscheinen. Du darfst nichts ganz unbedingt loben, sondern sieh immer so aus, als habest du sonst noch etwas in petto, das viel zu weise für ein sterbliches Ohr wäre. Das Beifallslächeln hochweiser Befriedigung ist schwer und kann erst nach langer Übung vor dem Spiegel völlig erlernt werden. Man hat aber Surrogate dafür. < Etwas später entwirft Hauff die Personage eines solchen Salons: >Die milde und sinnige Frömmigkeit, die in dem zarten Charakter der gnädigen Frau vorwalten sollte. Der feierliche Ernst, die stille Größe des älteren Fräuleins, die, wenngleich Protestantin, doch ganz das Air jener wehmütig heiliger Klosterfrauen habe, die, nachdem sie mit gebrochenem Herzen der Welt Ade gesagt, jetzt ihr ganzes Leben hindurch an einem großartig interessanten Schmerz zehrt. Das jüngere Fräulein, frisch, rund, blühend heiter, naiv, sei verliebt in einen Gardeleutnant, der aber, weil er den Eltern sinnig (soll wohl heißen prosaisch) genug sei, nicht zu den ästhetischen Tee komme. Sie habe die schönsten Stellen in Goethe, Schiller, Tieck usw., welcher ihr die Mutter zuvor angestrichen, auswendig gelernt und gäbe sie hie und da mit allerliebster Präzision preis. Sie singt, was nicht anders zu erwarten ist, auf Verlangen italienische Arietten mit künstlichen Rouladen. Ihre Hauptforce besteht aber im Walzerspielen. Die übrige Gesellschaft, einige schöne Geister, einige Kritiker, sentimentale und naive, junge und ältere Damen, freie und andere Fräuleins werden wir selbst näher kennen lernen. <

      Hauff ist 1802 geboren und starb bereits 1827; er hat also die Periode der Befreiungskriege nur als Kind miterlebt. Dass aber um die Mitte der 20ger Jahre des 19. Jahrhunderts der Berliner Salon in Süddeutschland bereits zur Persiflage herausforderte, ist schlechterdings erstaunlich und lässt nur den Schluss zu, dass der Berliner Salon innerhalb kurzer Zeit alle Stadien des Ruhmes wie des Niederganges durchlaufen hatte, Gegenstand triefend ironischer Satire geworden war. Harren wir noch ein wenig bei Hauff aus, als einer Quelle an der selten geschöpft wird. In einer Szene zwischen drei Vertretern europäischer Nationen, sagt der Engländer, als man auf die Masse der Rezensionen zu sprechen kommt, die seinerzeit noch wie ein kriminelles Vergehen betrachtet wurde: >God dam! Habe ich in meinem Leben dergleichen gehört? rief der Lord mit wahrem Grauen. Aber wenn Sie alle Tage nur ein Buch rezensierten, das macht im Jahre 365! Gibt es denn in Ihrem Vaterlande jährlich selbst nur ein Drittel dieser Summe?< > Ha! da kennen Sie unsere gesegnete Literatur schlecht, wenn Sie dies fragen. So viel gibt es in einer Messe, und wir haben jährlich zwei. Alle Jahre kann man achtzig Romane, zwanzig gute und vierzig schlechte Lust- und Trauerspiele, hundert schöne und miserable Erzählungen, Novellen, Historien, Phantasien usw., dreißig Almanache, fünfzig Bände lyrischer Gedichte, einige erhabene Heldengedichte in Stanzen oder Hexametern, vierhundert Übersetzungen, achtzig Kriegsbücher rechnen, und die Schul- , Lehr-, Katheder-, Professions-, Konfessionsbücher, die Anweisungen zum frommen Leben, zur Bereitung guten Champagners aus Obst, zur Verlängerung der Gesundheit, die Betrachtungen über die ewige Ewigkeit, und wie man auch ohne Ärzte sterben könne, usw, sind nicht zu zählen; kurz, man kann in meinem Vaterland annehmen, dass unter fünfzig Menschen immer einer Bücher schreibt; hat einer einmal im Meßkatalog gestanden, so gibt er das Handwerk vor dem sechzigsten Jahr nicht auf. Sie können also leicht berechnen, meine Herren, wieviel bei uns gedruckt wird. Welcher Reichtum der Literatur, welches weite Feld für die Kritik. <

      Versuche, ästhetische Tees persiflierend zu bearbeiten, hat Hauff, wie erwähnt, mehrfach unternommen. Die Memoiren des Satans sind indessen auch eine Abrechnung mit den Demagogenverfolgungen an Universitäten. Vielleicht las der König von Preußen lieber Märchen, als Akten der Geheimpolizei, wer weiß. Die Sache ist die, dass Hauff ehe er nach Tübingen an die Universität zog, so um 1820, in Blaubeuren einer Burschenschaft, wo nicht förmlich angehört, so doch mit ihr sympathisiert hat. Der rebellische Verein, dem er beitrat, nannte sich Feuerreuter, und aus Anlass des Gedenktages von Waterloo, wo Napoleon endgültig geschlagen worden war, 1815 nämlich, feierte er mit Teilen der deutschen studentischen Jugend auf dem Wörth, einer Wiese nahe dem Neckar, den großen Tag mit einem nationalen Gottesdienst, zu dem der angehende Theologe Hauff patriotische Predigten beigesteuert hatte

      Was die Entwicklung der Berliner Salons zu literarischen Zweckgesellschaften betrifft, so war sie wegen eines ganz anderen Umstandes möglich und notwendig. Die Zahl der Schreibenden war sozusagen Legion, und alle suchten einen Verleger, der ihren Lebensunterhalt bestreiten sollte. Jean Paul Richter hatte es vorgemacht und den Freien Beruf, den Freischaffenden erfunden. Der kleine Beamte, der junge Seconde-Leutnant, sie alle stießen nicht mehr allein aus gesellschaftlichem Bedürfnis zum Salon, sondern um Kontakte zu knüpfen. Andererseits zog aus diesem unerschöpflichen Born der Verlagsbuchhändler wie der reine Verleger den Debütanten hervor; der Literaturbetrieb wurde in die Welt gesetzt, und in dieser oder jener Gestalt treibt er bis heute sein Unwesen fort. Erstaunlicherweise gibt es aber immer noch Bücher. Und Hauff ist einer der ersten Vertreter dieser jüngeren Generation Autoren, und hätte seinen Vorteil gut wahrzunehmen gewusst, wäre er nicht abberufen worden. So ist er als Märchendichter und uns als ziemlich liebenswürdig im Gedächtnis geblieben. Unterhalb der bürgerlichen Salongesellschaft begannen sich auch schon andere kulturelle Regungen abzuzeichnen; in den Lese- und Literaturgesellschaften mischten sich mittlerweile bereits die Stände. Um den Zwängen des Standesdenkens zu entgehen, erhielt der Konskribent einfach einen neuen Namen, unter dem er innerhalb dieser Gesellschaft als gleich galt, oder es wenigstens sollte. In diesem Berlin, mit seinen scharf gezogenen Standesgrenzen, seinem ewigen Betrieb, dem geschäftigen literarischen Müßiggang sollte die junge Augusta Freunde finden und Gleichgesinnte. Sie war nur bestürzt und verwirrt, ob der form- und gestaltlosen Masse an Gedrucktem, unter welchem sie vergeblich nach der Literatur gesucht haben wird, die sie kannte und schätzte. Vermutlich bot ihr der greise Goethe eine innere Stütze; solange er lebte, konnte die Klassik wohl nicht ganz verloren gehen, beriefen sich doch sogar die literarischen Salonschranzen dieses grauenhaften Berlins auf Goethe. Aber das Unvermeidliche geschah; der große Alte starb im März 1832. Sein Zeitalter war lange vor ihm geschlossen worden.

      Das Treiben ging fort; Wilhelm versuchte, seiner jungen Frau diesen Freiraum des Denkens, der Geselligkeit streitig zu machen. Er schrieb an andere, bat sie, ihren Einfluss auf Augusta geltend zu machen. Diese Themen, wie sie oben bloß angedeutet werden konnten, diese immer währenden Zeitalterdebatten, die herangezogenen Beispiele, die das gesellschaftliche Leben in Preußens anders schilderten als das der Hofgesellschaft, verstimmte ihn. Der Altersunterschied machte sich ebenfalls geltend. Der um 14 Jahre ältere General mit einem vom Kasernenhof begrenztem Weltbild - noch nie war ein Preußenprinz zu einem Studium der Wissenschaften abkommandiert worden, das setzte erst Augusta bei ihrem Sohn durch - konnte dem Gespräch selten so weit folgen, dass er die Tiefe der Argumente verstand. Ihm schien es aber, als verhalte sich seine so junge Frau nicht nur unstandesgemäß, sondern vorlaut. Sie wollte bei solchen Dingen mitreden, die sie nach seiner festen Überzeugung gar nicht verstehen konnte, sie machte sich in seinen Augen bloß lächerlich. Das mag wohl von Fall zu Fall eingetreten sein, allein, Wilhelm räumte doch immer wieder ein, wie weit ihm diese Frau geistig überlegen gewesen ist. Der Streit um ihre Teegesellschaften sollte ein ganzes Eheleben lang andauern, bis Wilhelm, alt und grau, vom Theater kommend, wo er sich für gewöhnlich noch als Kaiser zu erholen pflegte, spät abends bei seiner Frau den Tee nahm und endlich so weit gekommen war, ihrem Gerede nicht mehr zuzuhören.

      DAS SCHWEDTER PALAIS

       Potsdam, im Frühjahr 1831

       Vielleicht sind Jahre nötig, um in Potsdam das zu sehen, was ein Preuße darin erblicken mag, die Wirk- und Weihestätte zweier Könige, die aus einer Sandwüste, aus Heide und Moor ein Land und einen Staat gemacht haben, was alle deutschen Fürsten bewundern. Soweit es mich betrifft, hält sich meine Bewunderung in engen Grenzen, seit ich Potsdam aus der Nähe kenne; dennoch führe ich das traditionelle Dasein einer Prinzessin von Preußen. Meine Wohnung ist das hiesige Kavaliershaus, in welchem wir, Prinz und Prinzessin, gewißermaßen zur Miete wohnen. Der König ist ein Knauser und hat uns dieses Quartier zugewiesen, wir wohnen hier durch allerhöchsten Befehl.

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