Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.. Helmut H. Schulz

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Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I. - Helmut H. Schulz

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Das Haus ist klein, aber man hat mir auf meine Klagen bedeutet, dass sich preußische Königsfamilien zu beschränken wüßten, was eine ihrer Tugenden gewesen sei. Darin lag eine Kritik, versteht sich. In Potsdam und noch mehr in Berlin, das wir glücklicherweise nicht zum dauernden Wohnsitz befohlen bekamen, leben die Leute in ihren streng abgeschlossenen Kreisen. Ich erregte Aufsehen, als ich mich in der mir gewohnter Art und Weise zu bewegen gedachte. Hier wird, wie gesagt, im allgemeinen alles befohlen. Eine Prinzessin wird nicht eingeladen, gebeten oder bestellt, zu was auch immer, sie erhält einen Befehl, sich dort und dort in diesem und jenem Aufzug einzufinden und abzuwarten, was man ihr weiter befiehlt. Dieses Ritual, dass der König immer alles für einen regelt, hat das ganze Leben hier durchfärbt; in bürgerlichen Zirkeln und Kreisen verkehren die Leute natürlich weit lockerer, locker bis leider vulgär, wie ich höre. Potsdam wimmelt von Offizieren, Kurieren, Equipagen und Kaleschen, aber alles läuft wie auf Bahnen, sie reiten und fahren alle zu einem Zweck, der durch Order vorgegeben ist. Ich habe nicht den Eindruck, dass irgendwer bummelt, oder sich in der Öffentlichkeit eines Nichtstuns hingibt, falls er eine Uniform trägt, Militär ist oder Beamter. Er würde auch auffallen. Was sich hinter den Wohnungstüren und innerhalb der vier Wände abspielt, mag ich nicht wissen. Immerwährend ist von Tugend die Rede, von Pflichterfüllung; indessen sind nur wenige tugendhaft, den Skandalgeschichten nach zu urteilen, die stets wie ein Lauffeuer die Runde machen. Selbst die Pfaffen haben hier einen irrsinnigen Zug, ihre Bigotterie ist sozusagen eine Folge des allerhöchsten Befehls, und ihre Schrullen machen sie nicht immer liebenswürdiger. (Ich gehe, wie befohlen, in die Kirche.) Da die öffentlichen Schulen, verglichen mit den unseren, geradezu elend genannt werden müssen, gibt seine Kinder, wer die Mittel dazu hat, einem Privatlehrer zur Ausbildung. Der ist meist ein Konrektor, untersteht also immer einem Superintendenten, und pflegt irgend einen sanften Wahn. Dabei ist es ungewiß, wen die niedere Geistlichkeit als obersten Herren über sich anerkennt, Gott oder die papierene Order des Konsistoriums, bzw. des Königs. Daraus ergibt sich eine mir widerwärtige Mischung aus Kleinlichkeit und Kriecherei, die der Kompensation durch das Gerede von Tugend und Befehl herausfordert. Da war die Bürgertugend eines Robespierre von anderem Schrot und Korn. Ein wirklich gebildeter Bürgerstand, der den Namen verdient, ist kaum zu entdecken, und wenn es ihn gäbe, wäre er mir auch verschlossen und existierte in den Zirkeln der Akademie, der Universität oder im Haus eines der neuen Reichen, der Bankiers zumal. Also wir, mein Herr Gemahl und ich, werden nach Berlin befohlen, oder ins Marmorpalais oder weiß Gott, wohin. Es läuft immer gleich ab; ein Kurier erscheint im vollen Galopp, als ob es brennt und zieht eine versiegelte Order aus dem Rockärmel. W. liest das Schriftstück mit allem Ernst und trifft seine Vorkehrungen. Eine Abteilung der Potsdamer Garde zieht auf, begibt sich an den befohlenen Ort, schwenkt nach links, nach rechts, der König, oder der Kronprinz Friedrich Wilhelm, oder Karl, meine Schwäger, entsteigen einer Kutsche, schreiten durch ein salutierendes Spalier, hinein in ein Haus. Das war alles. Darin besteht ein Großteil unseres Lebens. Jeder meiner Schritte wird beobachtet, ich will nicht sagen, ausspioniert. Was ich gestern falsch oder richtig gemacht habe, kann ich am Gesicht meines Gatten ablesen. W. spricht nie aus, was er denkt, er läßt seine Mißstimmungen von mir erraten. Was ihm allein wichtig, ist eine unerbittliche Reputanz; er fürchtet den Klatsch und die Lächerlichkeit wie der Papist den Doktor Luther. Das ist nicht etwa bloß Charaktereigenschaft, sondern der Stil dieses Hofes. Bei offiziellem Anlaß steht der König in der Mitte des Hauptquartiers eines Halbkreises aus Familie; uns gegenüber bilden die Minister, Räte und Höflinge die Linie. In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so viele Uniformen gesehen, nicht einmal während des Krieges, bei dem ich allerdings noch so klein gewesen bin, dass mir die bunten Kriegsröcke wie Kostüme erschienen sein mögen. In der ganzen Zeit meines Hierseins habe ich jedenfalls noch keine zehn Sätze persönlicher Art mit einem meiner neuen teuren Verwandten gesprochen; keiner hat mich bisher gefragt, wie ich mich hier fühle, ob es mir wohlergeht, ob mir etwas fehlt, und was mir vielleicht als philiströs an diesem philiströsem Hof auffällt. Meine Schwägerin ist dauernd darum besorgt, sich als künftige Königin nichts zu vergeben, obschon ihr bayrischer Dialekt freundlich genug klingt, und sie das Ableben des Königs erst abwarten muß, um Königin zu werden. Ein Lichtblick könnte ihr Gatte, mein Schwager Friedrich Wilhelm sein; bei all seiner fraglos großen Bildung erscheint er mir aber leider zu kindisch und verspielt.

       Von meinem Herren Gemahl sehe ich wenig, so dass es mich fast wundert, von ihm schwanger geworden zu sein. Und es mag ihm ebenso als wunderbar und fast wie eine unbefleckte Empfängnis vorkommen, dass ich Mutter werde. Andererseits trägt man mir Klatsch genug über die Affären zu, die W. angeblich hat. Man zeigt mir sogar hilfreich die kleinen Kinder, bei denen er die diskrete Vaterschaft ausübt. Was mich betrifft, so könnte ich die jeweilige Frau nur mitleidig nachsehen, da sie kaum mehr von ihm haben dürfte als ich. Die Ärzte meinen, dass ich mit meiner Niederkunft im Herbst rechnen kann. W., den ich auch zu Hause im Waffenrock sehe, nur dass er sich die Freiheit erlaubt, die Knöpfe zu öffnen, was er für den Gipfel der Nachlässigkeit ansieht, muß beim König unbedingt darauf dringen, dass wir besser untergebracht werden. Dazu gibt mir die Mutterschaft ein Recht, ich habe, heißt das, die in mich gesetzte Erwartung pflichtgemäß erfüllt, jetzt heißt es zahlen, Eu. Majestät. Gott, Könige hat Preußen auf lange Sicht ausreichend.

       Weimar ist gewiß kein Louvre gewesen, Schloß Berlin zwar groß, aber in der kalten Jahreszeit höchst unbequem, die unteren Stockwerke stehen regelmäßig unter Wasser, wenn die Spree, ein schmales Flüßchen, nicht breiter als die Ilm, nur dass sie gemächlicher fließt, Hochwasser führt. Dieses Berlin ist ja im übrigen auf einem Sumpf errichtet. Es müßte also schon ein anderes Haus gefunden werden, womöglich nicht in Berlin. W. ist meinen Vorstellungen gegenüber, den König um eine besser Wohnung anzugehen, überraschend aufgeschlossen. Ein männlicher Nachkomme gäbe uns gewiß eine ganz andere Stellung, denn Kronprinz und Kronprinzessin haben keine Kinder, und es wird allgemein erwartet, dass meine Schwägerin auch nicht mehr guter Hoffnung werden kann. In einem solchen Fall wären wir die Eltern des Thronfolgers. Wir leben im übrigen nicht gerade üppig; das Einkommen meines Herren Gemahls wird größtenteils für dessen Repräsentation und womöglich für seine Amouren verbraucht. Die Schwangerschaft setzt mir arg zu, ich bin wohl kaum zur Mutterschaft gemacht, liege viel, häufig habe ich Kopfschmerzen. Sie kommen von einer auf die andere Minute, ich gehorche dann sogar den Ärzten, und verschaffe mir ein wenig Bewegung. Ich würde mehr Vergnügen daran haben, wäre nicht dieses Potsdam vor meiner Tür, und könnte ich mich wirklich ganz natürlich in einem der schönen Parks ergehen. Da dies nicht möglich ist, lese ich Bücher über das glückliche England.

      Mittlerweile war der Gatte und Prinz von Preußen zum kommandierenden General zweier Korps aufgerückt. Damit stand ihm als Chef eine Dienstwohnung zu, das Schwedter Palais, in der Straße Unter den Linden am Opernplatz, No. 9. Das Gebäude hatte eine lange Geschichte. Irgendein Oberst baute es; im Laufe der Zeit ging das Haus in Eigentum des Markgrafen von Schwedt über, einer Garnisonstadt in der Neumark, unweit Frankfurts. Der Markgraf folgte mit dem Ankauf eine Gewohnheit des märkischen Grundadels, sich in Berlin Stadthäuser zuzulegen, in denen die Familien im Winter oder besuchsweise Quartier bezogen, empfangen und Gesellschaften geben konnten. Wirkliche Palais, also richtige Paläste, fanden sich darunter allerdings nur wenige. Den meisten von ihnen blieb ein provisorischer Charakter, und sie pflegten häufig die Besitzer zu wechseln. Aus den Händen jenes Schwedter Herren war das Palais, völlig heruntergekommen, in den Besitz des preußischen Kriegsministeriums gelangt. Der General Tauentzien bewohnte es während der preußischen Erhebung und der Befreiungskriege.

      Das Schwedter Palais war eine zweistöckige Bruchbude mit einer Mittelauffahrt, aber einem Schilderhaus für die Wache; denn es handelte sich um ein Stabsquartier. Als Augusta dieses Haus zum ersten Mal einer Musterung unterzog, in das sie von Potsdam aus ein- und umziehen sollte, war sie empört. Sie wehrte sich, ließ ihren Schwiegervater wissen, das dieses ganze, ihr zugemutete Anwesen zu klein, zu einfach, zu wenig repräsentativ sei, abgesehen von seinem jämmerlichen baulichen Zustand. Es war der erste Versuch Augustas, sich unter den neuen Verhältnissen zu behaupten.

      Bei den Verhandlungen mit ihrem Schwiegervater, dem sparsamen König Friedrich Wilhelm III., war es ihr gelungen, ihren Gatten und General auf ihre Seite zu

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