Seefahrt 1956-58 – Asienreisen vor dem Mast – Nautischer Wachoffizier. Klaus Perschke

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Seefahrt 1956-58 – Asienreisen vor dem Mast – Nautischer Wachoffizier - Klaus Perschke

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      Tsingtau, Geschäftshäuser im Europäerviertel

      Quelle: Bernd G. Längli, Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918, Mittler Verlag, Hamburg, 2005, Seite 284.

      Im Pachtgebiet von Tsingtau hatten sich 73 europäische Unternehmen, wie die Firmen Schwarzkopf, Wieler, Karberg, Carlowitz, Siemssen und andere niedergelassen. Nahezu jede größere deutsche Bank mit Chinaengagement war durch ihre Filiale in den Geschäftsstraßen vertreten. Dazu kamen chinesische Unternehmen, die die Stadt als Standort gewählt hatten und für den Handel mit dem Hinterland unentbehrlich waren“. Es gab 1910 bereits Automobile und Telefon, fließendes Wasser und elektrischen Strom, dazu die Schantung-Eisenbahn mit Wagons auf Doppelachsen-Drehgestellen. Die einst kahlen Hügel um Tsingtau herum wurden aus sanitären und wasserwirtschaftlichen Gründen mit Laubbäumen, Akazien und Kiefern kräftig aufgeforstet. Damit die Täler des Lauschan ihren „reindeutschen Charakter“ erhielten, wurden die im Winter arbeitslos gewordenen Dörfler zu kostenlosen Aufforstungsarbeiten herangezogen (siehe Seite 292). Das Gesundheitswesen war vorbildlich und kostenlos für die Bevölkerung. Deutsche Gärtner hatten den örtlichen Chinesen beigebracht, wie man Obst- und Gemüseanbau verbessert. Deutsche Experten hatten die örtliche Rinderzucht durch schwarzbuntes Vieh aus den deutschen Küstenregionen mit ostfriesischem Blut aufgefrischt. Tsingtau wurde mit deutscher Gründlichkeit vom unscheinbaren Fischerdorf zur deutschen Musterstadt in Asien umgestaltet.“

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      Chinesische Geschäftshäuser in der Schantung-Straße ungefähr in der Zeit um 1910

      Quelle : Bernd G. Längli, Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918, Mittler Verlag, Hamburg, 2005, Seite 285

      „Es gab weiterhin die deutschchinesische Hochschule für Spezialwissenschaften, die nach der modernen pädagogischen Erfahrung deutsche Natur-, Medizin- und Geisteswissenschaften lehrten. Und auf diese Hochschule schickten Chinas beste Familien aus nahezu allen Provinzen ihre Söhne zum Studium. Im Januar 1913 fanden die ersten Abschlussprüfungen der juristischen und landwirtschaftlichen Fakultäten der deutsch-chinesischen Hochschule statt, übernahm die Schantung-Eisenbahngesellschaft die Aktien der Schantung-Bergbaugesellschaft und kostete eine Fahrt von Tsingtau nach Berlin 2. Klasse im Schlafwagen 536,75 Mark“ (siehe Seite 296). Das war Tsingtau, bis die Japaner kamen und alles platt machten. Grausame Japaner damals!

      Verehrter Leser, das steht alles geschrieben bei Bernd G. Längli: Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918. Sehr lesenswert! Doch wer liest heute noch solche Literatur von Anno Toback. Ich habe sie gerne gelesen. Das war also der Rückblick über eine längst vergangene Epoche. Aber sie hatte viele Spuren in diesem Lande hinterlassen. Es gibt immer noch Reste der einst im wilhelminischen Stil erbauten Stadt. Und es gibt heute immer noch die ehemalige Germania-Brauerei. Und sie produziert immer noch das weltbekannte Tsingtao-Bier. Also Prost auf das gute Tsingtao-Bier! Und das sollten Sie mal probieren!

      Und diesen Hafen steuerten wir im März 1956 an. Die Temperatur war unter minus 20°Celsius gefallen, als das Lotsenboot mit dem Hafenlotsen uns draußen vor dem Hafen in Empfang nahm. Der Hafenlotse hatte den militärischen Rang eines höheren Marineoffiziers der Volksrepublik China. Er war dick verpackt in einem schwarzen Wattemantel, wattierten Hosen und dicken Pelzstiefeln, als er die Lotsenleiter an Bord empor kletterte. Auf dem Kopf die obligatorische mandschurische Pelzmütze mit dem goldenen Stern auf rotem Untergrund. Der Mann konnte nicht frieren. Vor seiner Brust trug er ein echtes Zeiss-Jena-Fernglas. Die gesamte Volksmarine war mit in der DDR produzierten Zeiss-Jena-Ferngläsern ausgestattet. Auf der BAYERNSTEIN gab es kein einziges Zeiss-Fernglas auf der Brücke. Ich glaube, unsere Ferngläser waren alle „made in Japan“. Aber das ist nur eine Vermutung. Tja, und dann brachte er uns an die Hafenmole I. Zwei alte Dampfschlepper, gebaut auf der Schichau-Werft in Königsberg, also schon vor dem 1. Weltkrieg, drückten uns an die Mole. Wir hatten nur gestaunt, als wir die beiden Schlepper von der Back aus ankommen sahen. Und noch mehr staunten wir, als wir ein großes mit Grünspan überzogenes Messingschild an der Mole entdeckten, auf dem „Kaiser-Wilhelm-II-Gedächtnispier“ stand. Warum das noch nicht von den Rotchinesen abmontiert war, fragten wir uns. Nein, offenbar hatten die Kaiser-Deutschen von damals noch 1956 einen hohen Stellenwert, also für das, was sie in Tsingtau auf die Beine gestellt hatten. Vermutete ich damals jedenfalls.

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      Die Hafenbucht von Tsingtao mit der berühmten Hafenmole im Jahre 2008. Links im Foto am Ende der Mole wurde 1956 die BAYERNSTEIN vom Hafenlotsen angelegt und vertäut. Die Hafenarbeiter mussten die für Europa bestimmte Ladung (Ballen) auf zweirädrigen Handkarren aus den Lagerschuppen am Ufer bis längsseits der Bordwand herankarren. Natürlich durfte keiner von uns zu Maos Sturm- und Drangzeiten an Land gehen. Alles war streng bewacht durch die Angehörigen der Volksbefreiungsarmee, die sogar an Bord vor jedem Eingang der Besatzungsunterkünfte Posten bezogen hatten.

      Irgendwie beneideten wir alle chinesischen Hafenarbeiter, die, in dicken Steppwatteanzügen, mit Pelzmützen auf dem Kopf und Filzstiefeln an den Füßen ausgestattet, unsere Ladung auf zweirädrigen Schottschekarren aus den Lagerschuppen bis zum Schiff herankarrten. Wir beneideten sie natürlich nur um ihre warmen Klamotten, die wir bei dieser Kälte auch gerne angehabt hätten, natürlich nicht um ihre harte Maloche, die sie wie in einem Straflager ableisten mussten. Die gesamte Ladung wurde per Menschenkraft herangekarrt, die reinste Kuliarbeit. Ich erinnere mich, wir luden damals eine Partie Erdnüsse und eine Partie Frauenhaare in gepressten Ballen, die in zwei Zwischendecks verstaut wurden. Ich hatte keine Ahnung, dass auch Frauenhaare aus China exportiert wurden. Angeblich wurden in den 1950er Jahren chinesische Frauenhaare bei der Herstellung von meteorologischen Messinstrumenten verwendet. Ich weiß heute nicht mehr, wer mir das ins Ohr geflüstert hat. Von uns war, außer dem Schiffsarzt, keiner an Land gewesen, nicht einmal die Angehörigen unserer Wäschereitruppe. Unser Obermax und seine Leute fühlten sich nur an Bord wohler und in Sicherheit. Offenbar wurden sie von den Angehörigen der Küstenschutzeinheit besonders observiert, denn zwei Wachposten mit umgehängten Kalaschnikows beobachteten sie den ganzen Tag bei ihrer Arbeit. Auch nachts waren die Wachsoldaten auf dem Achterdeck, denn unsere Chinesen schliefen in der Wäscherei. Unsere Wäschereitruppe legte aber auch keinen gesteigerten Wert, mit den Soldaten zu einem freundlichen Gedankenaustausch zu kommen. Möglich, dass auch den Soldaten die Unterhaltung mit ihren Landsleuten aus Übersee verboten war. Am nächsten Tag liefen wir wieder aus in Richtung Shanghai. Wir waren froh, als wir diesen Eiskeller verlassen konnten.

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      Fortsetzung der Reise entlang der chinesischen Küste

      Von Tsingtau bis Shanghai betrug die Distanz 399 Seemeilen. Bei einer Marschfahrt von 17 kn benötigten wir einen Tag Seereise bei diesem Wetter, wie wir es im Gelben Meer vorfanden. Es war unangenehm kalt. Doch der kalte Wind kam von achtern, und das war schon erträglich. Die Region um die Millionenstadt Shanghai liegt am Delta des Yangtse-Flusses, nach chinesischer Art Chang Jiang geschrieben. Das Delta hat eine gewaltige Breite, mindestens wie die Elbe auf der Höhe von Cuxhavens Alter Liebe, bestimmt noch breiter, denn draußen vor der Mündung, als der Lotse an Bord kam, konnte man das andere Ufer nicht erkennen. Da das Gelbe Meer auch dem Gezeitenwechsel unterliegt, gibt es im Mündungsbereich viele vorgelagerte Wattflächen, die bei Hochwasser überflutet werden, bei Niedrigwasser zum Teil trockenfallen. Das Fahrwasser war gut ausgetonnt. Auch der Shanghaier Seelotse kam dick eingemummt in einen Wattemantel. Auch er trug das obligatorische Zeiss-Jena-Fernglas vorn auf der Brust. Offenbar kannte er Kapitän Schott von den vorhergegangenen Reisen. Jedenfalls begrüßten sie sich recht kollegial und freundlich oben auf der Brücke.

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