Raban und Röiven Der Feuervogel. Norbert Wibben

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Raban und Röiven Der Feuervogel - Norbert Wibben Raban und Röiven

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Moment hatte Kenneth erneut vorgesprochen und den Ort des nächsten Überfalls vorausgesagt. Obwohl er nur Kopfschütteln und spöttische Blicke erntete, erteilte ihm der König den Auftrag, seine Behauptung zu überprüfen. Im Stillen hoffte dieser, den Mythos des erfolgreichen, gütigen Mannes durch dessen Misserfolg zu zerstören. Er befürchtet, genau wie seine Vorfahren, dass die Fairwings eines Tages das Herrscherhaus und das Volk der Darkwings unterwerfen werden, so wie diese es durch Hinterlist und Verrat vor 100 Jahren mit den Fairwings gemacht hatten. Da wird es gut sein, wenn der von seinem Volk geliebte Mann endlich einen Fehlschlag landet.

      Kenneth wurden aus diesen Überlegungen heraus auch nur sechs Jäger zur Seite gestellt. Obwohl in derartigen Fällen sonst dreimal so viel ausgesandt werden, war der Sucher über die geringe Anzahl froh. Sie konnten dadurch eine größere Schnelligkeit entwickeln und sich notfalls auch besser verbergen. Bei einer Auseinandersetzung mit den Verbrechern wären zwar mehr Kämpfer immer besser, zumal deren Anzahl unbekannt war, aber Kenneth vertraute wie stets auf seine magischen Kräfte, die den anderen jedoch nicht bekannt sind. Deshalb reagierte Kendra auch so erstaunt, als es vor drei Tagen zu der Auseinandersetzung mit den Verbrechern kam und sie diese Fähigkeit bemerkte.

      Aber nicht nur das Geschick seines Volkes und die damit verbundenen Nachteile in der Gegenwart bilden den Grund, warum Kenneth seine unbewegte Miene beibehält. Er sucht immerfort nach einer Möglichkeit, wie er diesen entkommenen Verbrecher, der ebenfalls magische Fähigkeiten besitzt, doch noch fangen kann. Nicht, weil er um sein Ansehen fürchtet, sondern weil der Geflohene ein sehr gefährlicher Mensch ist, der sicher weiter rauben und morden wird.

      Während sie durch das Stadttor reiten, werden sie von erstaunten Wachen und aufgeregten Städtern begrüßt.

      »Habt ihr die gemeinen Schufte endlich zur Strecke gebracht?«

      »Die müssen hängen, diese Verbrecher!«

      »Das sind ja hochgestellte Personen. Wieso machen die so etwas? Denen fehlt es doch an nichts.«

      »Sind das Verwalter der königlichen Güter? Ihre Kleidung deutet daraufhin.«

      »Sie müssen für ihre Taten büßen!«

      »Hurra auf die Jäger des Königs!« Hin und wieder ertönt auch:

      »Gut gemacht, Kenneth!«

      Diese und ähnliche Rufe begleiten die Gruppe auf dem Weg zur königlichen Residenz. Das Volk ist aufgebracht und verlangt schon bald nach Rache. Die Wächter vor der Burg, die innerhalb der Stadt eine Festung mit eigenen Schutzmauern hinter einem tiefen Wassergraben ist, lassen nur die Reiter mit den Gefangenen über die Zugbrücke und durch das starke Tor. Um dem Druck der Menge standzuhalten, bekommen die Wachen schnell weitere Unterstützung und können dadurch die nachdrängende Menschenmenge stoppen.

      »Wir wollen dabei sein, wenn die Verbrecher verurteilt werden!«

      »Lasst uns hinein. Sie haben unsere Verwandten getötet. Sie müssen sterben.«

      »Sie sollen hängen!«

      »Wehe euch, wenn sie davonkommen. Wir haben bemerkt, dass sie höhergestellt sind, trotzdem müssen sie bestraft werden.«

      »Vor dem Gesetz müssen alle gleich behandelt werd…«

      Als in diesem Moment das wuchtige Tor der Anlage geschlossen wird, sperrt es nicht nur das aufgeregte Volk, sondern auch deren Stimmen aus, die nun nur noch leise, ähnlich dem Gesumme von Bienen, zu hören sind. Die Reiter sitzen ab und übergeben ihre Tiere einigen Stallburschen, danach führen sie die Gefangenen in den Kerkerbereich. Sie werden dort von Wachen empfangen, die ein erstes, schweres Gittertor öffnen. Gemeinsam durchschreiten sie muffige Gewölbe und gelangen durch ein zweites, starkes Eisengitter in einen Seitengang, in dem mehrere Eichentüren zu erkennen sind. Dort wird eine dieser Türen geöffnet und die Gefesselten betreten zögernd den von mitgeführten Lichtern nur spärlich erleuchteten Raum. Die Wächter knurren und stoßen sie unsanft vorwärts, um sie dann von den Fesseln zu befreien. In einer Ecke liegt etwas Stroh auf dem Steinfußboden, das als Lager dienen soll. Die dicke Eichentür mit dem kleinen Gitterfenster knallt zu. Ein dumpfes Echo rollt schaurig durch die Gewölbe, bis es verstummt. Die Gefangenen werden noch trockenes Brot und etwas Wasser bekommen und am nächsten Tag zu einem Verhör geführt werden. Da kein Licht zurückgelassen wurde, tasten sie sich im Dunkeln verängstigt dorthin, wo das dünne Stroh zu erkennen war. Hier lassen sie sich zu Boden sinken.

      Sie kennen die königliche Residenz von früheren Besuchen, als sie zur monatlichen Berichterstattung von den Gütern, die sie im Auftrag der Krone verwalten, hier waren. Sie hatten sich damals auch die Prunksäle des Königs angesehen und wurden letztlich durch deren Glanz verführt, ihre Verwalterhäuser ebenfalls derart extravagant auszustatten. Das benötigte Geld beschafften sie sich durch Überfälle. Bei einem ihrer Besuche hatten sie auch die Kerker gesehen und wissen daher, dass sie hier nicht entkommen können. Entmutigt und niedergeschlagen lassen sie ihre Köpfe hängen.

      Die Jäger und der Sucher verlassen den Kerker und klopfen sich draußen im letzten Abendlicht den Staub von ihrer Kleidung. Sie verabschieden sich voneinander, da sie in unterschiedlichen Quartieren übernachten werden. Die Jäger unter ihresgleichen, in einem abgesperrten Bereich der Anlage und der Sucher bei seinem Pferd im Stall. Da Kenneth zwar eine Unterkunft in dem Bezirk der Fairwings bekommen hätte, aber nicht die Absicht hat, sich durch die Menschenmenge vor dem Tor zu drängen und dabei einige blaue Flecken abzubekommen, liegt er jetzt mit geschlossenen Augen in duftigem Heu. Das gelegentliche Schnauben eines der Tiere stört ihn nicht. Er ist voll konzentriert und versucht, ein Traumbild heraufzubeschwören, um den Aufenthaltsort des anderen Magiers zu ermitteln.

      Kendra blickt dem Sucher hinterher, der ohne Murren im Unterstand der Tiere verschwindet. Sie bewundert die Selbstbeherrschung des Mannes, an dessen Stelle sie auf eine Unterkunft bei den Jägern bestanden hätte. Kendra zuckt nach kurzer Zeit mit den Schultern. Sie muss noch den königlichen Ankläger von der Ergreifung der Verbrecher informieren, bevor sie sich ebenfalls zur Ruhe begeben kann. Aber auf dem Weg dorthin kehren ihre Gedanken immer wieder zu Kenneth zurück.

      Am nächsten Morgen ist Finnegan genauso aufgeregt wie im Sommer, als sie zu dem Besuch im Museum der Hauptstadt aufgebrochen sind. Er wuselt in der Küche herum, in der er schon früh den Tisch gedeckt hat. Er vergleicht die Zeitanzeige der Küchenuhr mit der seiner Armbanduhr, während er ärgerlich brummelt, weil die Zeit so langsam vorangeht. Raban ist froh, dass Röiven gestern Abend in den geheimen Wald gewechselt ist, da er sie nicht ins Museum begleiten kann. Zwar protestierte er zuerst und meinte, er könne ja so tun, als sei er ausgestopft, hat dann aber eingesehen, dass er damit den Jungen und den Großvater nur in Schwierigkeiten bringen würde. Der schwarze Vogel hätte jetzt noch mehr zu der herrschenden Unruhe beigetragen, die Raban ohnehin genug ablenkt. Er versucht vorauszuplanen, wie sie am effektivsten vorgehen sollten. Das verwirft er schließlich resigniert, als sein Opa fordert:

      »Bist du mit dem Sortieren deiner Gedanken fertig? Ich möchte jetzt endlich los.«

      »Wir müssen doch bis zur Öffnung des Museums warten. Ist es nicht besser, das hier zu tun, anstatt draußen vor dem Gebäude?«

      »Ich kenne dort einen kleinen Kiosk. Die verkaufen sicher nicht nur im Sommer leckeres Eis«, grinst er verschmitzt.

      »Hm. Überredet … dann wollen wir mal.«

      Erfreut

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