Maßstäbe. Helmut Lauschke
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Aus dem Gesagten sind die Ursachen für das schulische Versagen ableitbar. Der Mangel an Erziehung führt zu Disziplinlosigkeit, mangelndem Fleiß und schlechten Leistungen. Der resultierende Bildungsmangel führt zur mangelhaften Ausformung der Persönlichkeit mit bleibenden Defekten, von denen die verkürzte oder gebrochene Belastungsfähigkeit mit dem Unbehagen und der Angst einhergehen, Verantwortung tragen zu müssen. Mit der Angst vor der Verantwortung als etwas Untragbares im Sinne des Unzumutbaren schrumpfen, verkümmern und zerfallen die hohen Werte und Aspekte der Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit zu unansehnlich entstellten, leeren Gebilden und verschrumpelten schalenartigen Rudimenten.
Ich fasse zusammen: Die Aufgabentrennung zwischen Elternhaus und Schule in der Erziehung und Ausbildung des Kindes muss eingehalten werden. Die Aufgabentrennung entspricht den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen, die die Eltern mit der Grunderziehung und die Schule mit der Grundausbildung zu übernehmen und zu erfüllen haben. Erst wenn diese Aufgaben erfüllt werden, die den großen Komplex der Heranbildung und Heranführung des Kindes an die Schwelle des Erwachsenseins umfassen, erst dann kann von einem Erfolg gesprochen werden. Die Art und Weise in der Führung des Kindes entscheidet über den Erfolg. Das Kind braucht die geordnete Familie und die Führung mit der elterlichen Aufmerksamkeit und dem ständigen Gespräch. Das Kind hat ein empfindliches Gespür, wenn es sich ungerecht beurteilt oder vernachlässigt fühlt.
Der Appell geht an alle, uns als Eltern und als Lehrer sich den Kindern motiviert und mit großem Einsatz zu widmen. Es sind die Kinder, die uns vertrauen, dass wir das Beste für sie wollen. Dann sollen wir auch das Beste für sie tun. Wenn wir die uns gestellten Aufgaben erfüllen und aus unseren Kindern gebildete, motivierte, Verantwortung tragende und fleißige Menschen machen, dann sind wir es, die zur Gesundung der materialistisch verengten und kranken Gesellschaft beitragen. Dann geben wir das Beispiel, das die Kinder von uns erwarten. Denn Kinder brauchen das Vorbild in punkto Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und persönlichem Einsatz. Das volle Maß der Menschlichkeit gehört in die Familie, um ihr den hohen Wert der Bergung und Geborgenheit und den Bestand der Dauerhaftigkeit zu geben. Der Zustand der Familien wirkt sich auf die Gesellschaft positiv aus, wenn der Schritt in die Richtung des inneren und äußeren Friedens getan wird und die Humanität im Miteinander das Mehr an sozialer Gerechtigkeit bringt.”
Pfarrer Bardenbrecht dankt dem Schuldirektor für sein Referat. Er fragt die Zuhörer, ob sie einverstanden sind, dass die übrigen Referate angeschlossen werden, um die anderen Aspekte zum Themenkomplex aufzuzeigen und die Diskussion dem letzten Referat anzuschließen. Es wird zugestimmt, und der Missionspfarrer bittet die Familienrichterin um ihr Referat.
Frau Fabian führt aus: “Es ist ein großes Thema, das dem heutigen Abend vorangestellt ist, denn das Prinzip ‘Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit’ ist das höchste, das die Gesellschaft auszeichnet, wenn es praktiziert wird, aber die Gesellschaft beschämt, wenn das Prinzip ein leeres Lippenbekenntnis bleibt. Doch wie es die Vorredner bereits sagten, mangelt es an der Durchführung dieses Prinzips, und das in den Familien im Kleinen wie in der Gesellschaft im Großen. Mit dem Gesprächsabbruch ist auch das Vertrauen zum anderen abgebrochen. Damit ist der Steg der Verantwortung weggerissen, weil er die Funktion des Verantwortungtragens nicht erfüllen kann. Entweder hängen die Dinge in der Luft, oder sie sind ins Wasser gefallen. Doch so lässt sich Verantwortung nicht praktizieren. Die Füße brauchen den Steg, wo sie aufsetzen können, wenn die Hände den Menschen aus dem Wasser ziehen sollen, der vor dem Ertrinken ist. Es lässt sich ganz allgemein so sagen, dass nichts geht, wenn der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Das ist in etwa die Beschreibung des Zustandes der Familien und der Gesellschaft. Der Boden ist weggezogen worden. Der Mensch weiß nicht, wo er die Füße hinsetzen kann, ohne einzubrechen. Der Zustand des Bodenlosen beziehungsweise der Bodenlosigkeit ist im Großen wie im Kleinen erreicht, und keiner weiß, wie der Boden wieder unter die Füße kommen soll. Das ist das Dilemma der Zeit. Die Familien zerbrechen in großer Zahl, und die Angst mit dem Gefühl des Nicht-verstanden-Seins und der trostlosen Vereinsamung nagt heillos an den Menschen. Sie nagt an den Resten der familiären Bande und der verbliebenen Menschlichkeit. Es ist der Zustand des Chaos, der durch die Gesellschaft reißt, sie splittert und tief verwundet.
Den Familien ist die Widerstandskraft genommen. Die Kräfte sind erschlafft, und die Familien erliegen den Widrigkeiten und Scherbengerichten der Zeit. Die Zerwürfnisse sind verheerend, denen die Kinder hilflos ausgesetzt sind. Die Scheidungsprozesse haben an Zahl zugenommen. Dabei wird um das Geld für den sogenannten Versorgungsausgleich gestritten. Dabei kommen die Kinder meist zu kurz und sind in der Auseinandersetzung oft nur eine Nebensache. Menschen aus geschiedenen Ehen, den gestrandeten Familien, deren Existenz bereits am dünnen Faden hing, fallen in die Armut und werden zu Sozialfällen, denen die Sozialhilfe den existentiellen Engpass nicht vom Tisch räumen kann. Alkohol und Drogen erschweren die Situation zusätzlich, obwohl das Geld zum Leben schon nicht reicht. Kriminalität und Prostitution sind die Waffen der Ab- und Aussteiger, deren letzte Strandung die Straße ist, wo sie auf Parkbänken und unter Brücken übernachten. Die Jugendkriminalität hat sich zur Kinderkriminalität weiter verjüngt, und die Raubüberfälle haben immer härtere Gangarten angenommen.
Viele Familien sind zerbrochen und stehen vor dem Ruin. Existentielle Nöte und Zwänge haben die letzte Menschlichkeit verzehrt. Die zerbrochene Familie hat ihren Sinn verloren, Ort der Freude und Liebe, Hort der Bergung und Geborgenheit zu sein. Quasi über Nacht finden sich die Menschen, die Frauen mit ihren Kindern und dem Rest der Habe auf der Straße und sind der Willkür anderer Menschen hilf- und wehrlos ausgesetzt. Der ganze Bau, damit ziele ich auf die Gesellschaft hin, gerät aus den Fugen. Respekt und die guten Sitten verkommen. Zwielichtige und unanständige Verhaltensweisen schieben sich durch die Risse und Spalten des zerfallenden Ehren- und Sittenkodex. Keiner will für den Zerfall die Verantwortung übernehmen. Jeder schiebt die Schuld dem andern zu. Es ist der Staat in seiner Anonymität, dem die Hauptschuld für die existentiellen Nöte und Zwänge mit ihren verheerenden Folgen zugeschoben wird. Da die Schere zwischen arm und reich weit auseinanderklafft, richtet sich der Protest gegen die soziale Ungerechtigkeit als Ursache für die Zunahme der sozialen Spannungen.
Große Anstrengungen sind erforderlich, um die Dinge ins Lot zu bringen. Doch dafür muss der Mensch bereit sein, die Verantwortung für sein Tun selbst zu tragen und nicht dem anderen aufzubürden. Ohne Motivation und Verantwortung lässt sich Zukunft nicht gestalten. Die Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit müssen gezogen werden. Die Geschichte lehrt, was die Unmenschlichkeit anrichtet, wenn Respekt und die guten Sitten verkommen. Deshalb ist Bildung vonnöten, um aus den Unbilden, denen unschuldige Menschen und Kinder zum Opfer fielen, die Lehren für eine menschenwürdige Zukunft zu ziehen. Wie ich bei einem der früheren Gesprächsabende hervorhob, bedarf es der Disziplin und Ehrlichkeit und des Fleißes, wenn es dem Menschen in Zukunft besser gehen soll. Ein Leben ohne Menschlichkeit ist ein Vegetieren, das unter dem Niveau des Tierreichs ist. Dem Schweiß des Schachtsteigers muss wieder die gebührende Achtung entgegengebracht werden, weil es der Hände Arbeit ist, die den Lebensstandard der Gesellschaft bestimmt.
In der Zusammenfassung sind es Kenntnis und Lehren aus der Geschichte, die Motivation, der persönliche Einsatz, die Willenskraft und persönliche Bescheidenheit, die das Maß der Verantwortung und Menschlichkeit bestimmen. Die Bildung zur Umbildung ist der Eckstein, wo sich Toleranz und die guten Sitten niederlassen und den Weg in die Zukunft erhellen. Geborgenheit, Respekt und Menschlichkeit müssen in die Familien zurückkehren, wenn die Gesellschaft noch zu retten ist. Jeder hat bei der Rettungsaktion seinen Beitrag zu leisten und die Verantwortung für sein Tun selbst zu tragen.”
Missionspfarrer Bardenbrecht dankt für das Referat und bittet den Soziologen Lange um seinen Vortrag:
“Meine Damen und Herren! Es wurde bereits gesagt, dass sich der arme Mensch die Armut nicht immer selbst verdient hat, so wie sich der reiche Mensch den Reichtum nicht immer selbst verdient hat. Auch besteht kein Zweifel, dass die Schere zwischen arm und reich von Jahr