Sinnvoll zu betrachten. Geshe Kelsang Gyatso

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Sinnvoll zu betrachten - Geshe Kelsang Gyatso

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Prägung, die in unserem Geist hinterlassen wird, entsteht das Potential für zukünftiges Leiden. Beispielsweise pflanzt eine Person, die einen Mord begeht, eine sehr starke negative Prägung in ihren Geist, und diese Prägung oder dieser Samen trägt das Potential in sich, den Geist in einen Zustand extremen Leidens zu führen. Solange die Prägung dieser nichttugendhaften Handlung nicht gereinigt ist, wird dieser latente Samen im Geist eingepflanzt bleiben. Seine Kraft schläft, ist aber unvermindert. Wenn die entsprechenden Umstände schließlich zusammentreffen, wird die potentielle Macht dieser Prägungen aktiviert, und der Samen wird als eine Erfahrung extremer Leiden reifen, beispielsweise als Wiedergeburt in einem karmisch erschaffenen Höllenbereich.

      Die Situation entspricht der eines dürren Stücks Land, in das vor langer Zeit Samen gesetzt wurden. So lange diese Samen nicht irgendwie zerstört werden, werden sie ihr Potential zum Wachsen bewahren. Sollte der Boden eines Tages genügend bewässert werden, werden diese lange vergessenen Samen zu sprießen beginnen. In gleicher Weise setzen unsere karmischen Handlungen Samen in das Feld unseres Bewußtseins, und wenn wir den entsprechenden Umständen begegnen, werden diese Samen sprießen und ihre karmischen Früchte tragen.

      Durch das Begehen negativer Handlungen und das Vernachlässigen der Reinigung säen wir in unserem Geist unzählige Samen von ähnlich negativem Potential. Das Reifen solcher Samen ist nicht auf die Erfahrung einer Wiedergeburt in den niederen Bereichen begrenzt. Beispielsweise können wir, weil wir in früheren Leben anderen Lebewesen Schaden zugefügt haben, in diesem Leben viele Krankheiten erfahren. Ebenso kann gegenwärtiges geistiges Leiden und Unglück ein Ergebnis davon sein, andere in der Vergangenheit gestört zu haben. Genauso ist Armut das karmische Ergebnis von Geiz, und ein mißgebildeter oder häßlicher Körper ist die Folge von Wut. Ferner brauchen wir nicht auf zukünftige Leben zu warten, um die Resultate der jetzt begangenen Nichttugend zu erfahren. Wir alle wissen, daß uns Ärger und Gier sofort Unannehmlichkeiten und Unglück bringen können.

      Nichttugendhafte Handlungen wie Diebstahl, Verleumdung und Böswilligkeit werden dadurch begangen, daß andere Wesen als Bezugsobjekte oder Opfer dienen. Es gibt jedoch bestimmte geistige Handlungen, die nicht nach außen gerichtet sind, sondern denjenigen, der sie ausübt, direkt betreffen. Solche geistigen Handlungen fallen in die Gruppe, die als Festhalten an falschen und irregeleiteten Sichtweisen bekannt ist, und diese stellen die schwersten und schädlichsten aller negativen Handlungen dar. Wenn wir zum Beispiel an der Meinung festhalten, daß es keine wirksame Zuflucht vor weltlichem Leiden gibt, oder wenn wir Vertrauen in ein unangemessenes Zufluchtsobjekt entwickeln - wie unsere eigenen Verblendungen -‚ oder wenn wir hartnäckig verneinen, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Handlungen und ihren Wirkungen besteht, wird unser Geist fehlgeleitet, und wir hindern uns selbst daran, eine korrekte Sicht der Wirklichkeit zu erlangen. Als Ergebnis wird sich unsere Unwissenheit vergrößern und uns dazu verleiten, immer mehr schädliche Handlungen mit Körper, Rede und Geist zu begehen. Wenn wir uns an diese abergläubischen, wahrheitsverneinenden Sichtweisen klammern, können sehr machtvolle negative Samen in unserem Geist gesät werden. Eine aus solchen Samen entstehende mögliche Auswirkung ist, daß wir große Schwierigkeiten erfahren, wenn wir später versuchen, Dharma zu studieren oder zu meditieren.

      Manche Leute haben überhaupt keine Begabung für den Dharma; sie lehnen engstirnig alles ab, was einen spirituellen Geschmack hat. Auch ein solches Verhalten ist das Resultat des Festhaltens an falschen Sichtweisen in vorangegangenen Leben. Außerdem gibt es bestimmte Länder, in die spirituelle Unterweisungen niemals vordringen. Solch eine verbreitete Abwesenheit des Dharmas ist das kollektive Ergebnis vergangener nichttugendhafter Handlungen der Menschen, die jetzt in diesem Land wiedergeboren wurden. Auf diese Weise sind Mißgeschick und Unglück das Ergebnis negativer Neigungen des Geistes, sei es als Erfahrung von Einzelnen oder von Gruppen.

      Alle nichttugendhaften Handlungen, ob sie nach innen oder nach außen gerichtet sind, verunreinigen unseren Geist. Wenn wir also Realisationen bezüglich irgendeines Aspektes des Dharmas entwickeln wollen, ist es notwendig, unsere Nichttugend so weit wie möglich zu reinigen. Bevor ein schmutziger Topf als Gefäß für ein köstliches Getränk benutzt werden kann, muß er gründlich gereinigt werden; andernfalls wird das Getränk verunreinigt und damit ungenießbar. Oder anders gesagt, wenn wir unseren Geist nicht von seinen Verunreinigungen befreien, wird der sonnengleiche Bodhichitta nicht in ihm aufgehen können. Wenn es uns andererseits gelingt, unsere Nichttugend zu reinigen und einen großen Schatz an Verdiensten anzusammeln, dann können wir tiefe Realisationen erlangen, sogar von einem solch schwierigen Objekt wie der tiefgründigen Sicht der endgültigen Wirklichkeit (dem Thema des neunten Kapitels), auch ohne ausführliche Dharma-Unterweisungen erhalten zu müssen.

      An dieser Stelle ist es vielleicht hilfreich, über die verschiedenen Grade der Nichttugend zu sprechen. Manche Menschen denken, daß die Nichttugend, ein kleines Insekt zu töten, unbedeutend sei, verglichen mit dem Töten eines großen Tieres. Die bloße Größe des Opfers ist jedoch nicht zwangsläufig das wesentliche Kriterium für die Schwere unserer Taten. Der Unterschied zwischen großer und kleiner Nichttugend wird durch die wechselseitigen Beziehungen von vier Faktoren bestimmt: Objekt, Zeit, Handlung und Geist. Das schwerste nichttugendhafte Karma wird verursacht, wenn das Objekt unserer nichttugendhaften Handlung ehrwürdig und es wert ist, respektiert zu werden. Solche Objekte sind unter anderem Wesen von heiligem Charakter wie ein Buddha, ein Bodhisattva, ein Arhat (jemand, der persönliche Befreiung erlangt hat), ein Sangha-Mitglied, ein Lehrer oder unsere Eltern. Bezüglich der Zeit steigt die Schwere der nichttugendhaften Handlung, wenn sie an Tagen begangen wird, die für religiöse oder spirituelle Belange oder für das Ablegen von Gelübden bestimmt sind. Die Art, wie die nichttugendhafte Handlung ausgeführt wird, beeinflußt ebenfalls ihre Schwere. Ein anderes Wesen langsam zu töten und ihm große Schmerzen zuzufügen ist beispielsweise eine schwerwiegendere Handlung, als ihm kurz und schmerzlos das Leben zu nehmen. Letztlich bestimmt in hohem Maße auch der Geisteszustand, mit dem wir eine nichttugendhafte Handlung ausführen, die Schwere der Folgen, die aus der Handlung entstehen. Ein Geist, der sehr stark durch Wut motiviert ist und sich an Handlungen erfreut, die andere verletzen, ist ein außerordentlich böser Geist, und die angesammelte Nichttugend ist dementsprechend groß. Je mehr dieser vier negativen Merkmale in einer Handlung enthalten sind, um so schädlicher wird die angesammelte Nichttugend sein.

      Wie zuvor erklärt, werden Handlungen nichttugendhaft oder unwissend genannt, wenn sie zu zukünftigem Leiden führen. Es gibt drei verschiedene Auswirkungen, die die möglichen leidvollen Resultate einer bestimmten nichttugendhaften Handlung bilden. Die erste, die vollständig gereifte Auswirkung einer Handlung, ist die Art der zukünftigen Wiedergeburt, in die wir durch das Reifen des Samens geworfen wurden, den wir durch diese Handlung gesät haben. Wenn wir beispielsweise jemanden töten und die vier Bedingungen von Objekt, Zeit, Handlung und Geist entsprechend schwer sind, können wir eventuell in einem Höllenbereich wiedergeboren werden. Je weniger schwer diese Bedingungen sind, um so «höher» der Bereich, in dem wir wiedergeboren werden. Das zweite Resultat einer nichttugendhaften Handlung ist als Auswirkung bekannt, die der Ursache ähnlich ist. Die spezifischen Qualen eines Lebens voller Krankheiten und der grausame und sadistische Charakter eines Kindes sind Beispiele für die zweite Art von Auswirkung, die aus der nichttugendhaften Handlung eines Mordes folgt. Die letzte Auswirkung unserer nichttugendhaften Handlungen ist schließlich die Umweltauswirkung. Der Ort, an dem wir unser Leben verbringen müssen, wird als Resultat unserer in unserem Geist getragenen Neigung zu töten, sehr ungastlich, karg und gefährlich sein, sei es, daß wir in einem der drei niederen Bereiche wiedergeboren werden oder wieder eine menschliche Wiedergeburt erlangen. Die gleichen drei Arten von Auswirkungen gelten auch für alle anderen nichttugendhaften Handlungen.

      Wie Shantideva im oberen Abschnitt betont, entsteht alles Leiden und alle Enttäuschung, die wir in den verschiedenen Bereichen Samsaras erfahren, aus unserer Nichttugend. Wenn wir durch die Kraft solcher Nichttugend als Hund wiedergeboren werden, was können wir dann tun? Fischer mögen heute bereit sein, den Fischen das Leben zu nehmen, aber wie wird es ihnen ergehen, wenn sie morgen selbst als Fische geboren werden? Unsere gegenwärtige menschliche Form besitzt

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