Plot & Struktur: Dramaturgie, Szenen, dichteres Erzählen. Stephan Waldscheidt
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Beispiel: Im Film »Zoomania« (USA 2016) erkennt Heldin Judy Hopps an dieser Stelle, dass mit »Könige der Nacht« nicht etwa die Wölfe gemeint sind, wie sie lange Zeit annahm, sondern Blumen – und die sind dafür verantwortlich, dass sich die Raubtiere von Zootopia zurück in Bestien verwandeln.
Zweiter Plotpoint (PP2, Plotpoint des zweiten Akts; nach etwa 75 bis 80 % des Romans)
Manchmal wird dieser Plotpoint auch dritter Plotpoint genannt, sofern der Midpoint als zweiter Plotpoint bezeichnet wird. Wichtig ist nicht der Name, sondern seine Stellung: Er steht am Ende des zweiten Akts und katapultiert den Roman in den dritten und letzten Akt.
Hier im zweiten Plotpoint trifft die Heldin die Entscheidung, die die Handlung in den finalen Akt schubst. Sie macht sich daran, die kaputte Beziehung zu ihrem Geliebten zu heilen. Sie rollt den Mordfall neu auf und konzentriert sich auf neue Beweise.
Nur weil sie ihren entscheidenden Fehler endlich erkannt hat, kann sie jetzt die richtige Entscheidung treffen.
Beispiel: Im Film »Zoomania« (USA 2016) zieht Heldin Judy die Konsequenz aus ihrer Entdeckung, was tatsächlich mit »Könige der Nacht« gemeint ist. Sie kehrt nach Zootopia zurück, um mit diesem neuen Wissen das Verbrechen nun doch noch aufzuklären.
3. Akt: Resolution
Moment der Wahrheit
Ein Bruder des Mirror-Moments, eine letzte, oft sehr persönliche und intime Bestandsaufnahme, bevor die Hölle des Höhepunkts losbricht.
An dieser Stelle bekennt die Heldin ihren entscheidenden Fehler, etwa ihrem Geliebten gegenüber, und räumt das Missverständnis aus. Sie öffnet sich ganz, legt ihre Seele, ihr Innerstes, ihre tiefsten Gefühle blank.
In einer Liebesgeschichte offenbart der Held der Heldin hier seine wahren Gefühle.
Beispiel: Im Film »Zoomania« (USA 2016) gibt die Heldin ihrem Freund Nick Wilde gegenüber zu, dass sie ihn vorverurteilt hat, nur weil er ein Fuchs ist, und damit einen großen Fehler beging. Es ist eine Entschuldigung und zugleich ein Geständnis ihrer Gefühle.
Auf der Gegenseite des Antagonisten ist das häufig der Moment, wo der Schurke seine teuflischen Pläne erklärt und dem Leser viele Dinge klar werden.
Beispiel: Ziemlich viele der alten James-Bond-Filme.
Twist (Third Act Twist; ein wichtiger Punkt für Drehbuchautoren)
In diesem Wendepunkt folgt die in vielen Fällen krasseste Enthüllung des Romans. Sie stellt den kompletten zweiten Akt auf den Kopf. Im Idealfall löst sie im Leser dieses Gefühl aus, das wir alle kennen: erstens ein »Wow!«, zweitens ein »Natürlich! Wie konnte ich das nur übersehen!«
Häufig erweist sich hier, dass der vermeintliche Oberschurke gar nicht der Oberschurke ist, sondern womöglich nur ein Helfershelfer.
Beispiel: Im Film »Zoomania« (USA 2016) entpuppt sich die stellvertretende Bürgermeisterin (ein scheinbar kleines, kuscheliges und fügsames Schaf) als die eigentliche Strippenzieherin des zentralen Verbrechens.
Oder es wird eine Information enthüllt, die den Leser die Handlung mit neuen Augen sehen lässt.
Beispiel: In dem Science-Fiction-Klassiker »Jahr 2022 … die überleben wollen« (USA 1973) entpuppt sich in diesem Twist das von den hungernden Massen so begehrte, vermeintlich synthetisch hergestellte Soylent Grün als ... Menschenfleisch.
Höhepunkt (Klimax; im Drehbuch auch »obligatorische Szene«, nahe am Ende des dritten Akts)
Hier findet die alles entscheidende Auseinandersetzung zwischen Protagonistin und Gegenspieler statt. Es werden keine Stellvertreterkriege mehr ausgefochten. Heldin und Oberschurke treffen direkt aufeinander.
Häufig kracht es in dieser Szene am lautesten. Alle Fäden laufen zusammen, von beiden Seiten wird das Letzte an Reserven mobilisiert.
Das »direkte Aufeinandertreffen« wird in Filmen häufig dadurch gezeigt, dass alle Waffen leergeschossen sind, die Schwerter in den Abgrund gefallen – jetzt bleiben nur noch die nackten Fäuste. Direkter geht es nicht. Hier sehen Sie zugleich die Gefahr, im Klischee zu landen. Die wenigsten Leser wird das stören. Doch wenn es Sie stört, denken Sie darüber nach, wie ein möglichst unmittelbares Aufeinanderprallen der Gegner noch aussehen könnte.
Alle noch nicht aufgelösten Subplots haben an dieser Stelle / in dieser Szene ebenfalls ihren Höhepunkt.
Beispiel: Während die Heldin gegen den Oberschurken kämpft, kämpft ein Verbündeter der Heldin gegen den Adjutanten des Oberschurken, mit dem er noch ein Hühnchen zu rupfen hat.
Die Protagonistin kann diesen Kampf nur deshalb gewinnen, weil sie sich verändert hat – sie ist nicht mehr dieselbe Person wie die, die im Katalysator der Krise verloren hat.
Häufig nutzt sie hier Hilfsmittel oder Ideen, die im ersten oder zweiten Akt angelegt und vorbereitet wurden.
Beispiel: In »Zoomania« (USA 2016) benutzt die Heldin Judy Hopps das in einem Kugelschreiber verborgene Aufnahmegerät, um das Geständnis ihrer Gegenspielerin aufzuzeichnen. Das Gerät wurde zuvor mehrfach in Aktion gezeigt.
Emotionaler Höhepunkt (während des Höhepunkts oder direkt danach)
Neben dem zentralen Plot (sagen wir, einer Geiselbefreiung) finden im Höhepunkt des Romans auch die Emotionen ihren intensivsten Moment. Das kann einen Liebessubplot abschließen (eine der Geiseln ist der Geliebte der Heldin).
Beispiel: Die Protagonistin hat im Höhepunkt ihren Geliebten befreit. Jetzt sitzen sie auf der Stoßstange des Rettungswagens, der inmitten von Trümmern steht, und küssen sich – der frischen Wunden wegen aber seeehr vorsichtig.
Dénouement (nach dem Höhepunkt, ganz am Ende des Romans)
Hier fällt die Spannung ab. Insofern ein wichtiger Punkt, als dass dort die Stimmung gelegt wird, mit der der Leser den Roman am Ende zuklappt.
Beispiel: Es wird gezeigt, wie die Heldin trotz ihrer im Höhepunkt erlittenen Verletzung im Alltag zurechtkommt und sie ihren neuen Hund erzieht, nachdem der alte im Höhepunkt des Romans sein Leben für sie ließ. Die Stimmung hier: melancholisch, aber hoffnungsvoll.
Beispiel: In »Der Herr der Ringe« kann Frodo nach dem Höhepunkt keinen Frieden finden, zu tief sind die Wunden, die er als Ringträger erlitten hat. Gemeinsam mit Bilbo und Gandalf schifft er sich an den Grauen Anfurten ein, um Mittelerde zu verlassen.
Gerade in langen Romanen oder Romanreihen, die die Leser in eine eigene Welt mitgenommen haben, kann ein Dénouement sinnvoll sein, um dem Leser den Abschied schonender erleben zu lassen und ihn sanft in seinen Alltag zurückzuführen.
In vielen Fällen ist das Dénouement jedoch überflüssig,