Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018 - Alfred Bekker страница 28
„Wo ist er?“, fragte der Narbige, der für das Grobe zuständig zu sein schien.
Elsa schluckte, wischte sich mit der Hand über die Wangen und die Augen und versuchte, mit ihrem Taschentuch das Nasenbluten aufzuhalten.
„Er ist nicht hier!“, sagte sie dann und fühlte sich scheußlich dabei. Sie hatte das Gefühl, Robert irgendwie zu verraten, obwohl sie wusste, dass es nicht so war.
Diese Männer wussten Bescheid. Sie wussten, dass Robert - oder wie immer sein wirklicher Name auch sein mochte - hier lebte.
„Das haben wir gemerkt“, erklärte der Schwarzbart kalt. Er musterte Elsa mit einem unangenehmen Blick, der alles zu durchdringen schien. „Etwas mehr musst du uns schon erzählen. Wo ist Steiner jetzt? Pardon, hier nennt er sich ja wohl Jensen und behauptet, Däne zu sein...“
„Ist er das denn nicht?“
„Nein. Aber die Fragen stelle ich.“
„Ich weiß nicht, wo er ist“, erklärte Elsa mit Nachdruck. Sie sah in die Gesichter der beiden Männer, und dann lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Sie fühlte, dass diese beiden - wer oder was sie auch immer geschickt haben mochte - die geringste Rücksicht auf ihr Leben nehmen würden. „Es ist die Wahrheit, ich weiß wirklich nicht, wo er sich befindet... Das müssen Sie mir glauben!“
„Wir müssen gar nichts!“, meinte der Schwarzbart. „Hat er nichts gesagt? Ist vielleicht auf einer seiner... Geschäftsreisen?“
Das letzte Wort sagte er in einem seltsamen Tonfall. Etwas stimmte da nicht, Elsa fühlte es ganz deutlich.
„Ja“, murmelte sie.
„Wer sind Sie?“
„Mein Name ist Elsa Karrendorf.“
„Deutsche?“
„Ja.“
„Und was machen Sie hier in Steiners Haus?“
„Ich lebe hier.“
„Kennen Sie Steiner aus Deutschland?“
„Nein. Ich habe ihn hier in Tanger kennengelernt. Ich bin seit ein paar Wochen mit ihm zusammen, das ist alles. Warum fragen Sie? Ist Steiner - wie Sie ihn nennen - etwa in Wahrheit Deutscher?“
Das würde erklären, weshalb er die Sprache so vorzüglich spricht, überlegte Elsa still. Der Schwarzbart zuckte mit den Schultern.
„Er spricht sehr gutes Deutsch, habe ich gehört. Aber das gilt auch für ein halbes Dutzend anderer Sprachen. Steiner ist wie ein Chamäleon, das sich überall perfekt anzugleichen versteht. Er wechselt Aussehen, Name und Nationalität nach Belieben. Kein Mensch weiß, wer er wirklich ist. Das heißt...“
„Was?“
„Vielleicht wissen Sie es.“
„Nein. Ich kenne einen Mann namens Robert Jensen. Sonst weiß ich nichts. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was hier gespielt wird.“
„Ist Steiner noch in Marokko?“
„Nein.“
„Hat er sich irgendwann gemeldet?“
Als Elsa nicht sofort antwortete, drückte der Narbige ihr wieder die Pistole an den Kopf. Der Druck war unangenehm. Sie schluckte und fasste sich dann. Es hatte alles keinen Sinn, sie musste diesen Männern irgend etwas vorsetzen, irgendeinen Brocken, den diese Wölfe verschlingen konnten... Und vielleicht, wenn sie sehr viel Glück hatte, würden sie sich damit zufrieden geben... Vielleicht...
„Ja, er hat einmal angerufen.“
„Von wo aus?“
Sie überlegte kurz. „Italien. Ich glaube, es war Mailand.“
Ohne Vorwarnung verpasste der Narbige ihr einen furchtbaren Schlag.
„Sie lügen!“, kommentierte der Schwarzbart. Die beiden Männer schien fast so etwas wie Gedankenübertragung zu verbinden. Sie verstanden sich blind und ohne ein Wort. Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass Elsa nichts von dem wirklich verstand, was hier vor sich ging.
„Warum sollte ich lügen?“
„Steiner weiß genau, dass er ein toter Mann wäre, sobald er sich in Italien blicken ließe... Nein, das würde er nicht wagen! Also, von wo aus hat er sich gemeldet?“
„Brüssel.“
Es war ihr gerade so eingefallen, und sie dachte, dass es Robert vielleicht half. Dann kam ihr in den Sinn, dass sie im Grunde genommen gar nicht wusste, bei was für einer Sache sie dem Mann half, den sie liebte.
Ich liebe ihn, und das sollte genügen, dachte sie. Aber genügte es wirklich?
„Wann kommt er zurück?“
„Ich weiß es nicht.“
„Natürlich wissen Sie es!“
„Nein, er sagte, dass er das nicht so genau voraussagen könnte. Vielleicht eine Woche, meinte er...“
Der Schwarzbart nickte nachdenklich.
Der Narbige sagte ein paar Sätze auf Italienisch, gestikulierte mit der Pistole in der Hand herum und deutete dann auf Elsa.
Der Schwarzbart runzelte erst die Stirn, dann schüttelte er den Kopf und erwiderte etwas. Der Narbige schien mit der Antwort nicht ganz einverstanden zu sein, aber er spielte hier eindeutig die zweite Geige und hatte zu tun, was befohlen wurde.
Er warf Elsa einen grimmigen Blick zu, stieß einen italienischen Fluch in ihre Richtung aus und ging dann durch die Terrassentür hinaus ins Freie.
Elsa blickte ihm nach und sah, wie er sich an Aziz' reglosem Körper zu schaffen machte, der nach wie vor draußen auf dem Rasen lag.
Der Rasenmäher knatterte noch. Der Narbige stellte ihn ab. Dann packte er den Marokkaner unter den Armen und begann, ihn in Richtung Haus zu schleifen.
„Was haben Sie vor?“, fragte Elsa den Schwarzbart unterdessen. „Wollen Sie mich auch umbringen? So wie Aziz?“
Der Schwarzbart deutete hinaus zu seinem Komplizen. „Mein Freund meinte, dass es an der Zeit wäre, Sie über den Jordan zu schicken...“
Elsa stockte der Atem. Aber ihre Gedanken blieben trotz allem klar, was sie überraschte. Sie hatte große Furcht, aber sie hatte auch nichts mehr zu verlieren.
„Und was haben Sie vor?“
„Wir werden Sie erst einmal am Leben lassen. Vielleicht haben wir noch Verwendung für Sie.“
„Was soll das heißen?“