Junger Herr ganz groß. Ханс Фаллада
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Читать онлайн книгу Junger Herr ganz groß - Ханс Фаллада страница 10
Sie machte eine kleine, zögernde, hilflose Gebärde – ich hätte ihr die Hände küssen mögen!
»Kein Wort weiter, gnädige Frau!« rief ich. »Dies war eine Selbstverständlichkeit!« Ich sah Herrn Ericke durchbohrend an. Er sah so verzweifelt aus, daß ich sofort wußte, er hatte diese Dame in seinem Hotel wirklich nicht aufnehmen wollen! Nun, jetzt hatte er sie darin, und ich würde dafür sorgen, daß sie darin blieb – gegen alle Erickes der Welt! »Mein altes Zimmer, Herr Ericke?« fragte ich noch schärfer. »Die Elf! Puttfarken, sehen Sie nicht, dort hängt der Schlüssel, und hier steht der Koffer – die gnädige Frau wünscht auf ihr Zimmer zu gehen!«
Das brachte Leben in den fetten Burschen! Er wagte gar nicht, seinen Chef anzusehen, griff sich Schlüssel und Koffer und ging zur Treppe voraus. Die schöne Unbekannte streckte mir die Hand hin: »Ich danke Ihnen, mein Herr«, sagte sie. Einen Augenblick lag ihre Hand, in einem hellen Handschuh aus Glacéleder, in meiner Pranke. Sie zögerte, lächelte wieder ein wenig. »Herr von Strammin, nicht wahr?« fragte sie.
»Lutz von Strammin, gnädige Frau«, sagte ich. »Und wenn gnädige Frau irgendwelche Schwierigkeiten haben oder meine Hilfe brauchen sollten, so stehe ich gerne jederzeit zur Verfügung, ich wohne doch in diesem Hotel!«
Dabei sah ich verachtungsvoll zu Herrn Ericke hinüber. Er erwiderte meinen Blick geradezu trostlos. Die Dame hatte mir noch einmal zugenickt und ging nun auf die Treppe zu. Ich sah ihr nach und schaute dann wieder Herrn Ericke an – weiß Gott, ich war heute schon zweimal Gockel genannt worden, es gelüstete mich wahrhaftig nach einem scharfen Kampf mit meinem guten, alten Ericke! Herr Ericke hob die Achseln und ließ sie wieder sinken, mit einer Gebärde völliger Verzweiflung. »Lutz«, flüsterte er – die Dame betrat eben die äußerste Stufe der Treppe –, »Lutz, Sie haben da mich und sich in des Teufels Küche gebracht. Das wird ein Geschwätz geben!« Er starrte mich an, und plötzlich, ich sah es ihm an, kam ihm ein neuer Gedanke an einen Ausweg. »Einen Augenblick, bitte, gnädige Frau!« rief er. »Ich habe noch die Eintragung ins Fremdenbuch vergessen ...« Dabei öffnete er den schweren, ledergebundenen Band und legte ihn aufgeschlagen auf den Empfangstisch. Die fremde Frau war erst einige Stufen der Treppe emporgestiegen; jetzt hielt sie inne und wandte sich zu uns zurück. Das Hallenlicht warf einen hellen Schein auf ihr süßes Gesicht ... Einen Augenblick dachte ich daran, was Gregor von diesem glatten Gesicht gesagt hatte. »Sie ist die geborene Lügnerin«, hatte er auch gesagt. Aber ich hatte Gregor immer gehaßt, und jetzt haßte ich ihn mehr, als ich je einen Menschen hassen würde.
»Bemühen Sie sich nicht, gnädige Frau!« rief ich, griff zur Feder und schmierte über die ganze Spalte: »Frau von Lassenthin.« Einen Augenblick überlegte ich, aber die Versuchung war zu groß: »Der Vorname bitte, Frau von Lassenthin?«
»Catriona«, flüsterte sie.
»Wie –?«
»Catriona mit einem C am Anfang ...«
»Tausend Dank! Catriona, ganz ausgezeichnet, Catriona!« Und ich schrieb weiter: »Aus München.« Dauer des Aufenthalts: »Länger.«
Es waren dies noch jene Zeiten eine ganze Weile vor dem ersten Weltkrieg, da eine solche Eintragung ins Fremdenbuch mehr eine gesellschaftliche als eine polizeiliche Angelegenheit war. »Ich danke Ihnen vielmals, gnädige Frau! Auch dies wäre nun erledigt.«
Sie verschwand über die Treppe, und ich konnte mich wieder Herrn Ericke zuwenden. »Würden Sie mir jetzt auch ein Zimmer geben, Herr Ericke?« fragte ich kühl. »Ich sehe, die zwölf ist noch frei. Ich bin dort der Dame am nächsten, falls ich gebraucht werde. Und schicken Sie sofort den Stallburschen mit den Satteltaschen zu mir, ich möchte mich jetzt ein wenig frisch machen.«
»Sie haben diese – Dame unter dem Namen Lassenthin eingetragen«, murmelte Herr Ericke verzweifelt. »Lutz, das bricht uns den Hals! Wenn diese Seite in meinem Gästebuch bleibt, bricht sie uns den Hals, mir bestimmt, Ihnen vielleicht. Und wenn ich sie ausschneide – nein«, sagte er mit einem energischen Kopfschütteln, »es ist noch nie eine Seite aus dem Gästebuch des ›Halben Mondes‹ ausgeschnitten worden.«
»Sehen Sie, Herr Ericke«, sagte ich, »jetzt besinnen Sie sich wieder auf sich und den Ruf Ihres Hauses. Die Dame ist nun Ihr Gast. Aber«, setzte ich rasch hinzu, »ich weigere mich, jetzt weiter mit Ihnen über diesen Fall zu reden. Ich bürge Ihnen für diese Dame, und wenn Herr Geheimrat Gumpel nicht krank geworden wäre, würde er in dieser Minute meine Bürgschaft unterstützen.«
Damit ergriff ich die Feder und setzte unter die soeben gemachte Eintragung meinen Namen mit dem Zusatz »als Begleiter der Vorstehenden«.
»Sind Sie nun zufrieden?« fragte ich, und da Herr Ericke es sichtlich nicht war, ging ich ohne ein weiteres Wort auf mein Zimmer. Ich mußte dabei an Zimmer elf vorüber, aber ich verwehrte es mir, stehenzubleiben und auf ein Geräusch zu lauschen. Erst als ich mich mit dem Inhalt meiner Satteltaschen ein wenig frisch gemacht hatte und mit Socken in einem Lehnsessel saß, auf das Putzen meiner Reitstiefel wartend, erlaubte ich es mir wieder, an meine schöne Unbekannte zu denken und ein wenig zu lauschen. Zwischen unsern beiden Zimmern gab es wie fast stets in solchen Provinzhotels eine große, dunkle, reichgeschnitzte Doppeltür, gegen die von meiner Seite ein Kleiderschrank gerückt war, der aber viel zu klein war, die Öffnung zu verbergen. Ich lauschte und lauschte, aber von drüben kam kein Laut, kein Plätschern von Wasser, kein Seufzer, kein Schritt.
Mein Blut war jetzt nicht abgekühlt, o nein! Ich war noch genauso begeistert von meiner schönen Unbekannten und jeden Augenblick bereit, ähnliche und größere Heldentaten für sie zu begehen. Aber ich mußte mir doch eingestehen, daß ich einiges getan hatte, das jetzt selbst mir bedenklich erschien. Wenn ich noch so sehr das Geschwätz verachtete, und wenn ich noch so fest auf das Eintreten des ehrenhaften Gumpel pochte, es erschien mir wenig wahrscheinlich, daß diese Dame eine verehelichte Lassenthin war. Gewiß, sicher hatte ihr der Lump von Gregor die Ehe versprochen, und ebenso sicher war sie jetzt hier, ihn beim Wort zu nehmen, aber darum war sie noch keine Lassenthin. Aber ich hatte sie als Frau von Lassenthin ins Gästebuch eingetragen, mit meinem Namen hatte ich für diese Eintragung gebürgt.
Wahrhaftig, der gute Ericke hatte recht, daß ich jetzt in des Teufels Küche saß. Ich war gezwungen, diese Eintragung wahr zu machen, und seit heute nachmittag wußte ich es mit aller Bestimmtheit, daß weder Gregor noch sein Vater im geringsten gesonnen waren, dieser Dame den Namen Lassenthin zu gehen. »Habt ihr das Frauenzimmer doch in mein Haus geschleppt!« hatte der Raubold gerufen, übrigens ein sehr viel gemeineres Wort – und: »Geben Sie ihr Geld, aber nicht zu viel, damit ich sie endlich loswerde«, hatte Gregor gesagt. Ganz schlechte Aussichten für die Rehabilitierung dieser Unbekannten! Aber ich hatte mich dafür verbürgt, mein Name stand als Unterpfand im Gästebuch des »Halben Mondes«.
Ich war längst aufgesprungen und im Zimmer auf und ab gegangen, jetzt blieb ich stehen. Ich erinnerte mich: Wie ich die Dame auf der Treppe mit dem Namen Lassenthin angerufen hatte, war sie ohne Zögern stehengeblieben. Dann hatte sie mir ihren Vornamen genannt: Catriona, ich hatte nie etwas Ähnliches gehört, so herrlich! Nein, sie mußte eine Lassenthin sein, oder sie mußte es wenigstens von sich glauben. Vielleicht hatte der Schuft von Gregor ihr so etwas eingeredet, es gab ja falsche Trauungen, in Deutschland zwar nicht, aber irgendwo im Ausland. Catriona, nein, diese Augen, dieser Mund konnten nicht lügen – ich würde es schon durchfechten, gegen die Lassenthins, gegen ganz Vorpommern, meinethalben gegen die ganze Welt!
Dann mußte ich plötzlich an Mama denken, wie stolz sie auf mich war und wie das kleinste Gerede über mich sie bekümmern würde! Nun, Mama hatte mir oft genug gesagt, daß ein Strammin nur nach seiner