Jünglingsjahre. Лев Толстой
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»Der Beichtvater ist da, bitte herunterzukommen und die Glaubenssätze anzuhören«, meldete Nikolaj.
Ich verbarg das Heft in der Tischlade, warf einen Blick in den Spiegel, kämmte mein Haar in die Höhe, was mir meiner Überzeugung nach ein gedankenvolles Aussehen gab, und ging hinunter ins Divanzimmer, wo schon ein mit einem Tuch bedeckter, mit einem Heiligenbild und brennenden Wachskerzen bestellter Tisch stand; Papa trat zu gleicher Zeit mit mir durch die andere Tür ins Zimmer. Der Beichtvater, ein weißhaariger Mönch mit strengen, greisenhaften Zügen, erteilte Papa den Segen; Papa küßte seine kleine, breite, dürre Hand, ich tat das Gleiche.
»Ruft Wolodja«, sagte Papa, »wo ist er? Oder nein, er beichtet ja in der Universität.«
»Er arbeitet mit dem Fürsten«, sagte Katjenka und blickte dabei Ljubotschka an. Ljubotschka wurde plötzlich rot, runzelte die Stirn, stellte sich, als habe sie irgend welche Schmerzen und ging hinaus. Ich folgte ihr. Sie blieb im Salon stehen und schrieb mit einem kleinen Bleistift noch etwas auf ihren Zettel.
»Was, hast du noch eine neue Sünde?« fragte ich.
»Nein, nichts, nur so«, antwortete sie errötend.
In diesem Moment ertönte im Vorzimmer die Stimme Dmitrijs, der von Wolodja Abschied nahm.
»Für dich ist alles eine Versuchung«, sagte Katjenka, ins Zimmer tretend und sich zu Ljubotschka wendend.
Ich konnte nicht begreifen, was mit meiner Schwester vorging: sie war so verlegen, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten und daß ihre Verwirrung, sich zum äußersten Grade steigernd, in Ärger gegen sich selbst und gegen Katjenka ausartete, die sie offenbar reizte.
»Man sieht gleich, daß du eine Ausländerin bist!« (Nichts konnte Katjenka tiefer kränken als die Bezeichnung Ausländerin, daher gebrauchte Ljubotschka auch den Ausdruck.) »Vor einer solchen Feier –« fuhr sie in wichtigem Tone fort, »und du bringst mich absichtlich aus der Stimmung, – du solltest doch begreifen, es ist doch durchaus kein Scherz –«
»Weißt du, Nikolenka, was sie aufgeschrieben hat?« fragte Katjenka, die durch die Bezeichnung Ausländerin gekränkt war, »sie hat geschrieben –«
»Ich hätte nie geglaubt, daß du so schlecht bist«, rief Ljubotschka in Tränen ausbrechend und von uns fortgehend, »in einem solchen Augenblick und absichtlich immer und ewig einen zur Sünde verleiten! Ich kümmere mich doch auch nicht um deine Gefühle und um deine Leiden!«
Die Beichte
Zerstreut kehrte ich in das Divanzimmer zurück, als sich alle dort versammelt hatten und der Geistliche sich erhob, um das Gebet vor der Beichte zu sprechen. Aber als inmitten des allgemeinen Schweigens die ausdrucksvolle, strenge Stimme des Mönches, der das Gebet sprach, ertönte, und besonders als er die Worte an uns richtete: »Enthüllet alle eure Versündigungen ohne Scham, ohne Hehl und ohne Beschönigung, und eure Seele wird rein werden vor Gott; wenn ihr aber etwas verheimlichet, werdet ihr eine schwere Sünde begehen« – kehrte mir die Empfindung des frommen Schauers zurück, die ich am Morgen bei dem Gedanken an die bevorstehende Feierlichkeit empfunden hatte. Ich fand sogar einen Genuss in dem Bewusstsein dieses Zustandes und bemühte mich, ihn zu verlängern, indem ich alle Gedanken, die mir in den Sinn kamen, abwies und mich anstrengte, eine gewisse Furcht zu empfinden.
Als erster ging Papa zur Beichte. Er blieb sehr lange in Großmamas Zimmer, und während dieser ganzen Zeit saßen wir andern alle schweigend im Divanzimmer oder besprachen im Flüstertone, wer zuerst an die Reihe kommen würde. Endlich ertönten hinter der Tür die Stimme des betenden Mönches und Papas Schritte; die Tür knarrte, und Papa trat heraus, seiner Gewohnheit gemäß hüstelnd, die Achseln zuckend und niemand von uns ansehend.
»Nun, jetzt gehst du hinein, Ljuba, aber paß auf, daß du alles sagst, du bist ja meine große Sünderin!« sagte Papa heiter, indem er sie in die Wange kniff.
Ljubotschka wurde blaß und rot, zog ihren Zettel unter der Schürze hervor, verbarg ihn wieder, senkte den Kopf und schritt, den Hals einziehend, als wenn sie von oben her einen Schlag erwarte, durch die Tür. Sie blieb nicht lange, aber als sie heraustrat, zuckten ihre Schultern vor Schluchzen.
Endlich, nach der hübschen Katjenka, die lächelnd aus der Tür trat, kam ich an die Reihe. Ich ging mit derselben dumpfen Angst und mit dem Wunsche, diese Angst absichtlich in mir immer mehr und mehr zu entfachen, in das halbdunkle Zimmer; der Geistliche stand vor dem Betstuhl und wandte mir langsam sein Antlitz zu.
Ich blieb nicht länger als fünf Minuten in Großmamas Zimmer, aber als ich herauskam, fühlte ich mich sehr glücklich und nach meiner damaligen Überzeugung vollständig rein, sittlich neugeboren und als ein anderer Mensch. Obgleich mich alle die gewohnten Lebensverhältnisse, dieselben Zimmer, dieselben Möbel, meine eigene unveränderte Gestalt (ich hätte gewünscht, daß alles Äußere sich ebenso verändert hätte, wie ich mich, meiner Meinung nach, innerlich verändert hatte), obgleich das alles mich unangenehm berührte, dauerte meine gehobene Gemütsstimmung an, bis ich zu Bette ging.
Ich war schon im Begriffe einzuschlafen und ging im Geiste alle Sünden durch, von denen ich mich gereinigt hatte, als mir plötzlich eine schmähliche Sünde einfiel, die ich zu beichten vergessen hatte. Die Worte des Gebetes vor der Beichte kamen mir in den Sinn und tönten mir unaufhörlich in den Ohren, all meine Ruhe war augenblicklich verschwunden. »Wenn ihr aber etwas verheimlichet, werdet ihr eine schwere Sünde begehen«, klang es beständig in mir, und ich erschien mir selbst als ein so schrecklicher Sünder, daß es gar keine mir angemessene Strafe geben konnte. Lange warf ich mich im Bette hin und her, überdachte meine Lage und erwartete von Minute zu Minute die Strafe Gottes, ja sogar meinen plötzlichen Tod, – ein Gedanke, der mir unbeschreibliches Entsetzen bereitete. Plötzlich aber kam mir ein glücklicher Gedanke: ich konnte ja am frühesten Morgen ins Kloster zu dem Beichtvater gehen oder fahren und noch einmal beichten und ich beruhigte mich.
Die Fahrt ins Kloster
In der Nacht erwachte ich mehrmals, da ich fürchtete, den Morgen zu verschlafen, und um sechs Uhr früh war ich bereits auf den Beinen. Durch die Fenster dämmerte es kaum. Ich zog meine Kleider und Stiefel an, die zerknittert und ungeputzt vor dem Bette lagen, denn Nikolaj war noch nicht dazu gekommen, aufzuräumen, und ohne zu beten, ohne mich zu waschen, ging ich zum ersten Male im Leben allein auf die Straße hinaus.
Auf der gegenüberliegenden Seite schimmerte hinter dem grünen Dach eines großen Hauses hervor die neblige, feuchte Morgenröte. Ein ziemlich starker Frühlingsmorgenfrost hatte den Straßenschmutz und die Rinnsale gebändigt, stach in die Füße und kniff mir Gesicht und Hände. In unserer Gasse war noch keine einzige Droschke zu sehen, und ich hatte doch darauf gerechnet, um so schnell als möglich hin und zurück zu gelangen; nur einige Lastwagen zogen sich über den Arbat hin, und zwei Steinarbeiter gingen