Der Gefangene im Kaukasus. Лев Толстой

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Der Gefangene im Kaukasus - Лев Толстой

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lief damit hinaus und brachte ungesäuertes Brot auf einem Holzteller herbei. Dann kauerte sie sich wieder hin und verwandte kein Auge von Schilin.

      Endlich entfernten sich die Tataren, indem sie die Tür hinter sich verschlossen. Einige Zeit danach kam der Nogajskische Diener zu Schilin und sprach ihn an: »Ei da, Mann, ei da!«

      Auch dieser sprach nicht Russisch; doch begriff Schilin, daß er ihm folgen sollte.

      Er gehorchte; doch verhinderte ihn der Fußblock gerade zu gehen. Indem er dem Diener folgte, sah er ein Tatarendorf von etwa zehn Häusern und in deren Mitte eine Moschee mit einem Türmchen. Vor einem Hause standen gesattelte Pferde, welche ein Knabe an den Zügeln hielt.

      Aus diesem Hause trat der dunkelhaarige Tatar heraus und winkte Schilin zu, näher zu kommen. Lachend äußerte er einige Worte in seiner Sprache und kehrte in das Haus zurück. Schilin folgte ihm und trat in ein großes Wohngemach, dessen Wände mit Lehm glatt gestrichen waren. An der ihm gegenüberliegenden Wand lagen bunte Federkissen, an der Seitenwand hingen wertvolle Teppiche und auf diesen Geweihe, Pistolen, Säbel, alles mit Silber ausgelegt. An der anderen Seitenwand stand auf dem Erdboden ein kleiner Ofen, der Fußboden bestand aus festgestampfter Erde und war außerordentlich rein gehalten. Die eine Ecke war mit Filzdecken belegt, auf diesen lagen Teppiche und auf den Teppichen Federkissen.

      Dort saßen Tataren in dünnen Schuhen; neben dem Roten und dem Dunklen drei fremde Gäste, den Rücken an die Federkissen gelehnt. Vor ihnen standen auf runden Brettchen Pfannkuchen und zerlassene Butter in einer Tasse, sowie auch in Trinkgeschirren ihr tatarisches Bier, »Busa« genannt. Sie aßen mit den Händen, die schon ganz mit Butter beschmiert waren.

      Der Dunkelbraune sprang auf, befahl Schilin, sich zur Seite zu setzen, nicht auf den Teppich, sondern auf den kahlen Fußboden; dann nahm er selbst wieder seinen früheren Platz auf dem Teppich ein und bewirtete seine Gäste mit den Pfannkuchen und Busa. Der Diener wies Schilin seinen Platz an, zog selbst seine Überschuhe aus, die er neben die andern an die Tür stellte und setzte sich auf die Pelzdecke in der Nähe der Gäste, denen er mit wässerigem Munde beim Essen zuschaute. Als die Fladen verzehrt waren, kam eine Tatarin herein, bekleidet mit einem ebensolchen Hemd wie jenes Mädchen, und in Beinkleidern, den Kopf mit einem Tuch umwunden. Sie nahm Brot und Butter fort und brachte ein niedliches, kleines Waschbecken nebst einer Kanne mit kleiner Ausgussröhre.

      Die Tataren wuschen sich die Hände, dann falteten sie sie, ließen sich auf die Knie nieder, bliesen nach allen Seiten und sprachen Gebete.

      Sie berieten sich einige Zeit, dann wandte sich einer von ihnen an Schilin und redete ihn russisch an: »Dich hat Kasi Muhamed gefangengenommen«, sagte er, auf den rotbärtigen Tataren deutend, »und hat Dich an Abdul Murad abgetreten.« Dabei zeigte er mit einer Handbewegung auf den dunkelbraunen Tataren. »Abdul Murad ist jetzt Dein Herr!«

      Schilin schwieg.

      Abdul Murad sprach etwas, indem er auf Schilin deutete und lachend hinzufügte: »Soldat Uruss, gut Uruss.«

      Der Dolmetscher übertrug das eben Gehörte.

      »Er befiehlt Dir, nach Hause zu schreiben, daß man ein Lösegeld für Dich einsende. Sobald das Geld ankommt, wird man Dich freilassen.«

      Nach einigem Nachdenken fragte Schilin: »Verlangt er viel Lösegeld?«

      Die Tataren besprachen sich untereinander und der Dolmetscher sagte dann: »Dreitausend Rubel.«

      »Nein«, erwiderte Schilin, »so viel kann ich nicht zahlen.«

      Abdul sprang auf, nachdem ihm diese Erklärung übersetzt war, und focht mit den Armen in die Luft, indem er zu Schilin sprach, als wenn dieser ihn verstehen könnte.

      »Wieviel gibst Du?« fragte der Dolmetscher. Schilin dachte nach und erklärte dann: »Fünfhundert Rubel.«

      Darauf sprachen die Tataren wieder eifrig miteinander, alle auf einmal. Abdul begann den Rotbärtigen anzuschreien und wurde dabei so erregt, daß ihm der Speichel aus dem Munde floß.

      Gleichmütig aber schloss der Rote die Augen und schnalzte mit der Zunge. Endlich schwiegen sie und der Dolmetscher sagte zu Schilin: »Fünfhundert Rubel sind zu wenig. Dein Herr hat selbst zweihundert Rubel für Dich bezahlt. Kasi Muhamed war ihm schuldig, und für diese Schuld hat Abdul Dich übernommen. Er kann Dich nicht um weniger als dreitausend Rubel freigeben, und willst Du nicht um diese Summe schreiben, so wird man Dich in eine Grube werfen und mit Knuten peitschen.«

      »Oho«, dachte Schilin, »läßt man sich von diesen einschüchtern, so wird es nur noch schlimmer.« Laut erwiderte er dem Dolmetscher: »Sag ihm, wenn er mich schrecken will, so werde ich ihm keinen Kopeken geben und auch nicht darum schreiben. Ich habe mich vor euch nie gefürchtet und werde euch auch niemals fürchten.«

      Der Dolmetscher teilte den Tataren diese Worte mit, worauf sie wieder eifrig miteinander verhandelten. Nach langem Reden in ihrer für Schilin unverständlichen Sprache sprang der Dunkelbraune auf, trat an Schilin heran und redete ihn an: »Uruss dschigit, dschigit Uruss.«

      »Dschigit« bedeutet in ihrer Sprache »tapfer«. Dabei lachte er und richtete an den Dolmetscher einige Worte, welcher zu Schilin sagte: »Gib tausend Rubel.«

      Schilin aber blieb hartnäckig.

      »Mehr als fünfhundert Rubel werde ich auf keinen Fall geben. Schlagt mich tot, dann bekommt ihr gar nichts!«

      Wieder traten die Tataren in Beratung, schickten den Diener mit einem Auftrag fort und sahen erwartungsvoll bald nach der Tür, bald nach Schilin. Der Diener trat wieder ein und ihm folgte ein ziemlich dicker Mann, barfuß und zerlumpt, gleichfalls mit einem Fußblock an den Beinen.

      Schilin konnte einen Ausruf der Überraschung nicht unterdrücken, als er Kostylin erkannte. Also auch ihn hatten die Tataren gefangengenommen.

      Beide wurden nebeneinander gesetzt und teilten sich ihre letzten Erlebnisse mit, während die Tataren schweigend nach ihnen hinüberblickten. Schilin erzählte, wie es ihm ergangen, und dann teilte Kostylin dem Genossen mit, wie sein Pferd störrisch geworden und sein Gewehr versagt habe, und daß dieser selbe Abdul auch ihn eingeholt und gefangengenommen habe.

      Abdul erhob sich nun und wendete sich mit einigen Worten an den Dolmetscher, welcher den Russen ankündigte, daß sie jetzt beide Abdul gehörten, und daß derjenige von ihnen zuerst freigelassen werde, für den zuerst das Lösegeld eingesandt werde.

      »Siehst Du«, fügte er, zu Schilin gewendet, hinzu, »Du bist gleich so auffahrend; Dein Kamerad ist viel vernünftiger. Er hat in einem Brief nach Hause geschrieben, man soll ihm fünftausend Rubel schicken. Darum wird man ihn auch gut ernähren und niemals schlecht behandeln.«

      Schilin erwiderte kurz: »Mein Kamerad mag tun, was er will. Vielleicht ist er reich; ich aber bin nicht reich, und was ich gesagt habe, dabei bleibt es. Schlagt mich meinetwegen tot; ihr werdet keinen Vorteil davon haben; aber um mehr als fünfhundert Rubel schreibe ich nicht!«

      Alle schwiegen. Erst nach längerer Pause griff Abdul nach einem kleinen Köfferchen, nahm daraus Feder, ein Stück Papier und Tinte, reichte alles Schilin, und indem er ihm auf die Schulter klopfte, deutete er ihm durch Zeichen an, er solle schreiben.

      Er war mit dem Lösegeld von fünfhundert Rubeln zufrieden.

      »Warte noch ein wenig«, wandte sich Schilin an den Dolmetscher, »sag' ihm, er soll uns gut nähren und kleiden, und daß wir beide zusammen zu bleiben

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