Wer einmal aus dem Blechnapf frisst. Ханс Фаллада

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Wer einmal aus dem Blechnapf frisst - Ханс Фаллада

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der Wald steht dunkel über dem Feld, ein paar hundert Meter ab.

      ›Ich hätte ihnen einen Grog geben lassen sollen‹, macht er sich Vorwürfe. ›Dann wären sie noch eine Viertelstunde sitzen geblieben und ich hätte Vorsprung gehabt. Die sind scharf auf mein Geld. Warum hat er gesagt, wir gehen auch auf Quanz? Woher weiß er, wohin ich will?‹

      Er versucht, den Weg zurückzusehen, den er kam. Aber es ist nichts zu erkennen, der Schnee treibt jagend schräg vorbei.

      ›Im Wald wird es stiller sein. Aber der Schnee wird hoch liegen. Noch achtzehn Kilometer! Ich bin wahnsinnig, wie gut saß ich in Berlin! Sobald ich im Wald bin, nehme ich die Tausender aus der Brieftasche und verstecke sie an mir. Dann finden sie nur das Wechselgeld von dem Hunderter und das sollen sie gerne haben!‹

      Er läuft gegen den Wind und Schnee stürmend an. Der Alkohol flammt in ihm hoch, er dampft von Wärme. Der Schnee kühlt das Gesicht gut.

      Dann plötzlich ist es ganz still um ihn, er ist in die ›Geduld‹ gekommen, in den Windschatten des Waldes. Nur noch ein paar Schritte. Da steht ein Tannenbusch gleich am Wege, er will hinter ihm Deckung nehmen, bricht in die metertiefe Schneeverwehung des Chausseegrabens ein und kämpft, immer wieder abrutschend und einsinkend, um festen Boden.

      Als er den hat, nimmt er sich nicht erst die Zeit, den Schnee abzuklopfen von den Kleidern. Er setzt einen Fuß auf den Chausseestein und knüpft hastig die Schnürsenkel auf. Seine Schuhe sind gut mit langen wasserdichten Schäften, der Fuß darin ist trocken und warm. Vorsichtig schiebt er das flach gekniffte Paket mit den Tausendern – es sind leider nur noch drei – zwischen Strumpf und Haut, fühlt, ob alles gut und glatt sitzt und zieht den Schuh wieder an.

      Dann richtet er sich auf. Er nimmt einen tüchtigen Schluck aus der Flasche. Er ist ganz ruhig jetzt und seiner Sache sicher. Die kriegen ihn nie, weder die noch die. Er ist der Schlauste. Er muß nur forsch ausschreiten, die holen ihn nie ein.

      Und so beginnt seine Wanderung. Sie ist schwieriger, aber auch leichter, als er dachte. Von den beiden sieht und hört er nichts wieder, doch der Schnee liegt schrecklich hoch, bei den Schneisen in breiten Wehen, in denen er bis zu den Armen versinkt. Und von der Chaussee gleitet er so oft ab, daß er schließlich darin Routine hat: sobald er den Boden unter den Füßen verliert und in den Graben rutscht, wirft er sich mit aller Gewalt in die frühere Gehrichtung, dann landet er meist noch auf fester Erde.

      Von Zeit zu Zeit macht er einen Chausseestein frei und leuchtet die Zahl an. Er kommt langsam vorwärts. Mehr als drei Kilometer schafft er nicht in der Stunde. Gut ist, daß er den Kognak hat, aber trotz alledem: den Frühzug bekommt er nicht mehr in Quanz, und vor allem: er muß dort erst in ein Hotel und schlafen und schlafen!

      Als er die geleerte Flasche in den Schnee wirft, hat er noch vier Kilometer vor sich. Vor acht kann er nicht in Quanz sein. Die letzten Kilometer fällt er nur vorwärts, von einem Fuß auf den anderen, trotzdem zum Schluß die Chaussee fast schneefrei ist, außerhalb des Waldes reingeweht vom Winde.

      Dann sitzt er im ›Deutschen Adler‹ in Quanz auf der Bettkante, das Zimmer ist eisig, der eben angezündete Ofen qualmt. Er schläft immer wieder, zur Seite fallend, ein, aber er muß sich ausziehen, er kann nicht schlafen in dem nassen Zeug. Seine Glieder sind starr, seine Knochen voll Eis.

      Er streift den Strumpf ab ...

      Er starrt, er sitzt da, verständnislos. Dann helfen die Finger den Augen suchen. Sie finden – einen weichen zerriebenen Papierbrei, fast farblos, Papier, das acht Stunden zwischen feuchtem Fuß und Strumpf zerarbeitet wurde.

      Dreitausend – sein letztes Geld, der letzte Rest vom Unterschlagenen! Er wirft sich aufs Bett und bleibt liegen, wie er hinfällt, ohne Denken. Etwas später bestellt er sich Kognak aufs Zimmer, auch heißen Rotwein und Nelken und Zucker.

      Drei Tage bleibt er in seinem Bett, immer trinkend, dann ist das kleine Geld aus der Brieftasche alle. Er geht los und stellt sich der Polizei, genauer dem Oberlandjäger von Quanz, einem Städtel mit dreitausend Einwohnern. Es ist zu Ende.

      Dies hat er erlebt, es ist etwas über fünf Jahre her. Und dies hat Kufalt geträumt, viele, viele Nächte lang, die ganzen ersten Monate nach seiner Verhaftung: den Nachtmarsch durch den Wald und den Augenblick, da er aus dem Strumpf die zermatschten Tausender holte.

      Es hat ihm einen Stoß versetzt, es ist das Schlimmste, was er je erlebt hat. Es hat seinen Stolz für immer geknickt, die Einbildung, er wäre wer. Nicht einmal zum Ganoven taugt er. Nie wird er jemandem dies Erlebnis erzählen, stets hat er erklärt, er habe alles Geld verludert, auch diese drei.

      Später ist der Traum seltener gekommen, aber immer einmal kam er wieder. Auch heute nacht. Auch diese Nacht. Da das neue Leben beginnt, klirrt das alte Kettenglied.

      Aber seltsam, der Traum hat sich gewandelt, ein wenig nur, eine geringe Kleinigkeit war anders.

      Er erinnert sich genau: auch heute nacht hat er den Fuß auf den Chausseestein gesetzt, den Senkel gelöst, den Schuh abgestreift. Nur ... es waren keine drei Tausender, die er in den Strumpf schob, es war ein Hunderter ...

      Es war der Hunderter!

       2

      Willi Kufalt sitzt in Gedanken verloren da. Zögernd bückt er sich nach seinem Strumpf. ›Eigentlich müßte ich ihn dem Netzemeister wiedergeben. Aber das kann ich nun doch nicht. Lieber zerreiß ich ihn.‹

      Er hat ein deutliches Gefühl von dem neuen Leben, das nun beginnen soll. Es ist etwas wie das Mondlicht heute nacht. ›Klar‹, fühlte er. ›Nichts mitschleppen.‹

      Er faßt in den Strumpf ...

      Er läßt die Hand wieder vom Strumpf. Er steht mit einem Ruck auf und stellt sich unter das Fenster, in aufmerksamer Haltung, denn Hauptwachtmeister Rusch kommt in die Zelle.

      Der Stationswachtmeister bleibt an der Tür stehen.

      Der Hauptwachtmeister sieht die Gefangenen nicht an. Er betrachtet erst den Kübel, dann die Inventaraufstellung auf dem Tisch, dann das Arrangement aus Schüsseln, Bürsten, Dosen, Putzkasten auf dem Fußboden. Irgend etwas mißfällt ihm, er klappert erst mit den Schlüsseln, dann stößt er mit der Fußspitze die Bürsten durcheinander.

      »Erst Wichse, dann Kleider«, befiehlt er.

      Kufalt geht hin, bückt sich und legt die Bürsten in die geforderte Ordnung.

      »Was gelernt, was?« fragt Rusch gnädiger. »Kein Schwein mehr?«

      »Nein«, sagt Kufalt und denkt daran daß er hier beispielsweise gelernt hat, sich in der Essschüssel zu waschen und mit dem Netzemesser, einem schwärzlichen Stummel, zu essen, bloß um den befohlenen Paradeglanz der Dinge nicht zu zerstören.

      Der Hauptwachtmeister geht gegen die Tür. Aber er hat noch etwas, er bleibt stehen und betrachtet nachdenklich den Wandschrank. Er faßt mit dem Finger hinauf und wischt die Kante entlang.

      »Herr Suhm«, sagt er, »Briefbogen ausgeben. Ich mach' allein weiter.«

      Der Stationswachtmeister verschwindet.

      »Der Sethe. Der Sethe«, sagt Rusch und betrachtet die Decke.

      »Nimmt er an?«

      Kufalt überlegt einen Augenblick. Er

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