Ivanhoe. Walter Scott
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»Wenn aber der Tyrann Beschlag darauf legt, wie heute auf mein Geld!« stöhnte Isaak. »Wenn er mich zwingt zu lächeln, wenn er meine Habe raubt? O meine Tochter! Enterbt ist unser Volk und verdammt, heimatlos herumzuirren, aber das größte Unglück ist es, daß alle Welt noch dazu lacht, wenn wir geknechtet und beraubt werden. Statt daß wir uns rächen dürfen, müssen wir all unseren Groll hinunterschlucken und süß lächeln zu allen Unbilden.«
»So mußt du nicht denken, Vater, auch Vorteile haben wir,« sagte Rebekka. »So grausame Tyrannei auch diese Heiden üben, so sind sie doch gewissermaßen abhängig von den Kindern Zions, die sie verachten und verfolgen. Ohne unseren Reichtum könnten sie weder ihre Heere im Kriege bezahlen, noch im Frieden ihre Triumphe bestreiten. Das Gold, das wir ihnen borgen, kehrt mit Wucher zurück in unsere Schatullen. Wir sind wie das Gras, am besten grünt es, wenn Füße es treten. Selbst das heutige Fest hätte nicht stattfinden können, hätten nicht die verhaßten Juden das Geld dazu hergegeben.«
»Da erinnerst du mich an einen anderen Gegenstand meines Kummers,« sagte der Jude. »Das schöne Pferd und die schmucke Rüstung, mein ganzer Profit aus dem Geschäftchen mit unserm Kirgath Jairam von Leicester: wär das ein schwerer Verlust! Dahin wäre der ganze Gewinn einer Woche, der ganze Schweiß von einem Sabbath zum andern! Doch vielleicht läuft es besser ab als ich denke, denn er ist ein guter Junge.«
»Gewiß, mein Vater,« antwortete Rebekka, »es wird dich nicht gereuen, eine gute Tat an dem fremden Ritter getan zu haben.«
»Das hoffe ich, meine Tochter!« sagte Isaak. »Ich hoffe fest, daß wieder aufgebaut werden wird der Tempel Zions, aber wollte ich hoffen, daß ich noch mit eigenen Augen werde schauen können die Mauern und Türme des neuen Tempels, so wäre das ebenso eitel, als wenn ich darauf rechnen wollte, daß ein Christ – und wär es der beste der Christen – einem Juden bezahlen würde, was er ihm schuldig ist, es sei denn, daß man ihm drohte mit Richter und Kerkermeister.« – Es wurde nun finster, und ein jüdischer Diener trat ein und setzte zwei silberne, mit duftendem Öl gefüllte Lampen auf den Tisch. Ein anderer Diener trug reiche Erfrischungen und kostbare Weine herein, denn in ihrem Heim versagten sich die Juden keinerlei Behaglichkeit. Gleichzeitig meldete der eine der Diener, daß ein Nazarener mit Isaak zu sprechen wünsche.
Ein Handelsmann muß jederzeit für jeden, der mit ihm Geschäfte zu machen wünscht, Zeit übrig haben. Der Jude setzte also den Becher voll griechischen Weines hin, sagte zu seiner Tochter: »Verschleiere dich, Rebekka!« und befahl dem Diener, den Fremden hereinzuführen. Kaum hatte Rebekka einen Schleier von Silberflor über ihr Angesicht geworfen, da trat Gurth herein, in seinen weiten normännischen Mantel gehüllt. Er sah nicht gerade sehr vertrauenerweckend aus, denn er hatte seine Kapuze nicht abgenommen, sondern noch tiefer in die verbrannte Stirn gezogen.
»Bist du der Jude Isaak von York?« fragte Gurth auf sächsisch.
»Der bin ich,« entgegnete der Jude, der dank seinem Gewerbe mit jeder britischen Mundart vertraut war. »Und wer bist du?«
»Das geht dich nichts an,« antwortete Gurth.
»Genau so viel, wie es dich angeht, wer ich bin,« versetzte Isaak. »Wenn ich nicht weiß, wer du bist, wie kann ich mit dir machen Geschäfte?«
»Das macht nichts,« erwiderte Gurth. »Ich bringe Geld, und da muß ich wissen, wer der ist, dem ich's übergebe. Du aber kriegst das Geld, und da kann dir's gleich sein, von wem's kommt.«
»Ah, du bringst mir Geld!« rief der Jude. »Das ändert die Sache. Von wem bringst du mir denn Geld?«
»Von dem enterbten Ritter,« sagte Gurth, »dem Sieger des heutigen Turniers. Es ist der Preis für die Rüstung, die ihm auf dein Fürwort hin von Kirgath Jairam leihweise überlassen worden ist. Ich will nu bloß wissen, wieviel ich für die Rüstung bezahlen soll.«
»Sagt ich es nicht, ein guter junger Mann ist es!« rief Isaak vergnügt. »Ein Becher Wein wird dir wohl nichts schaden,« setzte er hinzu und goß dem Schweinehirten einen Tropfen ein, wie ihn dieser noch nie so köstlich getrunken hatte. – »Und wieviel Geld,« fuhr er dann fort, »hat dir denn dein Herr mitgegeben?«
Gurth setzte den Becher hin.
»Heilige Jungfrau!« rief er. »Was für'n Göttertrank schlürfen diese ungläubigen Hunde, und echte Christen können sich kaum so dickes, trübes Bier leisten wie das Spülicht, das wir den Schweinen geben. – Wieviel Geld ich mitgekriegt habe?« fuhr er nach diesen unzarten Worten fort. – »Na, viel ist's gerade nicht, aber's wird wohl langen müssen.«
«Ja, ja, aber …« antwortete der Jude, »dein Herr hat gewonnen wertvolle Rüstungen und edle Rosse mit der Kraft seines Armes und der Wucht seiner Lanze – ein guter, junger Mann! Der Jude will sie annehmen als Zahlung und herauszahlen den Überschuß.«
»Die hat mein Herr schon weggegeben,« erwiderte Gurth.
»Das ist nicht recht,« antwortete der Jude, »und töricht obendrein. So viel Rüstungen und Pferde hat kein Christ kaufen können, und kein Jüd hätt bezahlt dafür den halben Preis, keiner als ich. Na, du hast gewiß hundert Zechinen im Beutel,« und er griff unter Gurths Mantel, »er ist schwer, dein Beutel.«
»Bolzenköpfe von meiner Armbrust hab ich drin,« versetzte Gurth rasch.
»Nu, wenn ich dir sage, daß ich fordere achtzig Zechinen für das feine Pferd und die feine Rüstung, und daß ich daran nicht einen einzigen Gulden Profit habe – reicht dann das Geld, das du mit hast?«
»Ausgerechnet,« versetzte Gurth, »aber mein Herr behält dann keinen Heller mehr. Da dies aber wohl dein letztes Gebot ist, so muß ich mich ja wohl drein geben.«
»Schenk dir noch einen Becher ein,« sagte der Jude, »aber fürwahr, achtzig Zechinen sind zu wenig. Nicht mal zu meinen Zinsen komm ich dabei – und am Ende hat das gute Pferd auch Schaden gelitten, denn es war ja ein gewaltiger Zweikampf. Sind die Menschen und die Pferde nicht aufeinander losgerannt wie die Stiere von Basan? Es kann gar nicht anders sein, das Pferd muß gelitten haben.«
»Und ich sage dir, es steht schon wieder in seinem Stall, gesund und mit heiler Haut, du kannst gehen und dirs anschauen. Siebzig Zechinen sind sattsam genug. Wenn du nicht mit siebzig zufrieden bist, dann trag ich den Beutel hier wieder zu meinem Herrn.«
Mit diesen Worten ließ er das Geld darin klimpern.
»Nicht doch, nicht doch,« antwortete der Jude, »leg nur her die Summe, die achtzig Zechinen, und du sollst sehen, du sollst nicht leer ausgehen.«
Gurth gab nach, er zählte die achtzig Zechinen auf und bekam von Isaak die Quittung. Als der Jude die ersten siebzig Goldstücke einstrich, zitterte seine Hand vor Freude. Die letzten zehn zählte er langsam, nachdenklich, oft innehaltend und vor sich hinmurmelnd. Anscheinend lag eine bessere Regung im Zwiespalt mit seinem Geiz, er wollte gar zu gern Zechine auf Zechine in seinen Beutel tun, und doch hätte er auch gern seine Großmut gezeigt und dem Überbringer etwas gegeben. Als der Jude bei der letzten Zechine angelangt war, hielt er inne und sah die Münze an. Er wog sie auf dem Finger und ließ sie auf den Tisch fallen, daß sie klang. Wenn der Klang nicht rein gewesen wäre, so hätte vielleicht die Großmut über den Geiz gesiegt, aber zum Unglück für Gurth war der Klang voll und rein, die Münze war von neuer Prägung und hatte sogar ein Gran Übergewicht. Isaak konnte es nicht übers Herz bringen, sich von ihr zu trennen und warf sie wie aus Gedankenlosigkeit in seinen Beutel. »Achtzig ist