Flarrow, der Chief – Teil 3. Lothar Rüdiger
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Man wollte das Schiff bereits am Freitag docken, über das Wochenende würde aber nicht gearbeitet werden. Die Löschgang arbeitete deshalb in zwei Schichten, um das Schiff bis Freitagmittag leer zu machen.
Der Erste ging abends an Land, Flarrow saß in der Sofaecke und las, als der Alte erschien und ihn einlud. „Ich möchte Sie meinen Weibern vorstellen, haben Sie Lust auf einen guten Scotch?“ Da konnte Flarrow schlecht nein sagen, und es wurde ein netter Abend. Am Freitag nach dem Verholen würde die Familie nach Hause fahren, worauf sich der Alte ganz besonders freute. Auch der Kapitän würde am Ende der Werftzeit abgelöst werden, allerdings hatte er noch kein neues Schiff. Später hörte Flarrow, dass er einen Frachter bei der Levante-Linie, die ebenfalls zur Hamburg-Süd Gruppe gehörte, bekommen hatte und damit endlich im Liniendienst in der Mittelmeerfahrt gelandet war. Das bedeutete nämlich alle drei Monate zu Hause in Hamburg.
Freitagmorgen; der Erste fehlte. Kurz vor dem Verholen traf er ein, und der Alte zog die Brauen hoch. Der Erste hatte aber die Liebe seines Lebens gefunden und gleich bei ihr übernachtet.
Freitagmittag; Löschende und Verholen ins Dock der Seebeck-Werft.
Zur Kaffeezeit ging die Maschinenanlage außer Betrieb, Flarrow schaltete die Stromversorgung auf Landstrom, und „HILDEGARD“ lag im Dock. Das war immer ein besonderer Moment, die Stille im Maschinenraum war so ungewöhnlich, aber nicht unangenehm.
Als er aus der Maschine kam, sah er den Lloydschlepper „MARS“, der zusammen mit „HILDEGARD“ gedockt worden war. Flarrow stieg ins Dock hinunter und begann seine Besichtigungstour. Als er unter dem Achterschiff auf die andere Schiffsseite wechselte, entdeckte er einen einsamen Mann, der sich scheinbar intensiv mit dem Voith-Schneider-Antrieb des Schleppers beschäftigte. Richtig, dieser Mann musste der Erste Ingenieur der „BERLIN“ sein, der ja jetzt Inspektor für die Lloydschlepper war. „Was machen Sie denn hier?“ fragte der Erste. „Auf so einem kleinen Schiff haben Sie doch nichts verloren.“ – „Ich fahre auf diesem Vollkühlschiff seit sieben Monaten als Chief. Es war so etwas wie ein Sonderauftrag.“ – „Und wo kommen Sie jetzt her?“ – „Mit Fisch von Walvis Bay, wir hatten Ladung von deutschen Trawlern, die dort unten fischen.“ – „Dann sind Sie also regulär als Leitender bei der Hamburg-Süd angestellt?“ Und weil Flarrow nickte: „Na dann herzlichen Glückwunsch und wie geht’s weiter?“ – „Nächste Woche soll ich unsere „POLARSTERN“ übernehmen.“ – „Die liegt doch in Hamburg und hat einen Haufen Probleme, oder?“ Flarrow nickte abermals, und der Erste sah auf die Uhr. „Na, dann wünsche ich Ihnen viel Glück und alles Gute!“ Ein Händedruck, und der Erste ging, ohne sich noch einmal umzudrehen. Flarrow hatte ein ungutes Gefühl, so hatte sich der Erste doch noch nie gezeigt, ein ausgesprochen kühler Abschied – er wurde eben aus dem Lloyd und seinen Leuten nicht schlau.
Freitagabend; kein Wachbetrieb mehr und ein leeres totes Schiff. Der Zweite Ingenieur stellte seine Frau vor, und kurz danach kam der Zweite Offizier ebenfalls mit seiner Frau, die ein Päckchen aus Kassel mitgebracht hatte. Muttern hatte sich wohl Sorgen gemacht und ein paar luftgetrocknete Würste mitgeschickt.
Dann tauchte der Erste auf, um Flarrow zum Landgang abzuholen. Mittlerweile war es zwanzig Uhr geworden, und so zogen sie los zur Femina-Bar, dort wurde der Erste nämlich erwartet.
Als Flarrow der großen Liebe vorgestellt wurde, tat ihm der Erste leid. Die würde ihm die letzte Mark abnehmen, bis er wieder los fuhr. Er verabschiedete sich denn auch sehr bald. Dem Ersten war eh nicht mehr zu helfen, Flarrow wusste aus Erfahrung, dass der nun ein Verlorener war.
Allein spazierte er die „Bürger“ hinunter. Es war Sommer und ein Wochenende, aber viel Betrieb gab es nicht. Einsam überlegte er, was mit diesem Abend anzufangen wäre. Für das Kino war es zu spät. Die Fischbratküche vielleicht, für ein zweites Abendessen? Die Rialto Bar! – ob es die noch gab? Natürlich gab es die Bar nicht mehr, und dort, wo sie gestanden hatte, gähnte eine Baulücke in der Häuserzeile. Was nun? dachte Flarrow und schlenderte langsam den bunten Lichtern auf der Rickmerstraße entgegen, die für die Verlorenen immer blinkten.
Der Montagmorgen machte den stillen Tagen ein Ende. Die Werft kam an Bord, und es wurde laut, sowohl im Dock als auch im Maschinenraum. Die Besatzung, soweit nicht beurlaubt, hatte die Arbeiten zu erledigen, mit denen man die Werft nicht beauftragt hatte.
Nachdem die Werft eingewiesen worden war, begann Flarrow seine Übergabe vorzubereiten. Er saß vor seiner Schreibmaschine, um den Reisebericht zu erstellen, als Kapitän Wichmann, der Nautische Inspektor, herein schaute und ihm einen verschlossenen Umschlag übergab. „Wir sehen uns ja dann noch“, sagte er und verschwand. Flarrow öffnete neugierig den Brief. Die Nautisch-Technische Abteilung sprach ihm für vorbildliche Einsatzbereitschaft bei der Brandbekämpfung Dank und Anerkennung aus. Der Brand lag soweit zurück, da kam dieses Schreiben völlig überraschend. Doch dann las er weiter: „Darüber hinaus haben wir uns entschlossen, Ihnen eine Prämie in Höhe von DM 100,-- auszuzahlen, die wir inzwischen Ihrem Gehaltskonto gut geschrieben haben.“ Das sollte der Ansporn sein für weitere wirkungsvolle Mitarbeit? Da blieb Flarrow die Luft weg. Das, was er getan hatte, war nichts weiter als seine Pflicht. Als Vorgesetzter hatte er auch die Pflicht, die ihm unterstellten Personen gesund nach Hause zu bringen. Über eine schriftliche Anerkennung hätte er sich gefreut, aber eine Prämie, in einer Höhe, die gerade einmal vier Prozent seiner Monatsheuer entsprach, das fand er einfach unanständig, abwertend. „Das schicke ich denen zurück!“ sagte Flarrow zum Alten und zeigte ihm den Schrieb. „Die verwechseln mich doch glatt mit dem Salonsteward. Ich bin doch kein Trinkgeldempfänger! Was bilden die sich eigentlich ein?!“ Der Alte beschwichtigte und verwies auf die allgemeine Lage der Reederei. Flarrow sollte sich das überlegen, es sei doch gut gemeint. Aber Flarrow knurrte nur etwas von „beschämendes Verhalten“.
Am nächsten Tag erschien der Inspektor. Er gab Flarrow natürlich recht: „Sicher, ich verstehe Sie sehr gut, aber es war wirklich sehr schwer, den Vorstand überhaupt zu einer Äußerung zu bewegen. Die Prokuristen sind angewiesen, äußerste Sparsamkeit walten zu lassen.“ Schließlich gab sich Flarrow zufrieden. Aber hinsichtlich der Wertschätzung von Leistungen des Bordpersonals seitens der Reederei, konnte er von nun an eine gewisse Voreingenommenheit nicht mehr unterdrücken.
Man war offenbar froh, dass man tüchtige Leute hatte, deshalb musste man sie noch lange nicht wirklich als wertvoll akzeptieren. Der Psychologe des Verbandes Deutscher Reeder, den er in Sankelmark kennen gelernt hatte, ließ grüßen. So war es.
Bei der Übergabe an seinen Nachfolger, der frisch befördert worden war, sprachen sie über die einzelnen Mitglieder der Maschinenbesatzung, insbesondere über Jan van Thaden. Flarrow erklärte seine Taktik und die Erfahrung, die er damit gemacht hatte.
„HILDEGARD“ hatte inzwischen ausgedockt und Jan, völlig pleite, ging nun wieder brav Hafenwache, als Flarrow ihn noch ein letztes Mal ermahnte. Jan nahm das Ganze sehr ernst. Doch drei Wochen später trafen sie sich in der S-Bahn in Hamburg wieder. Der neue Chief hatte Jan wegen seines unveränderten Verhaltens beim Landgang gefeuert. Er hatte den Sack noch in Deutschland bekommen.
„HILDEGARD“ lag nun schon im Handelshafen und wartete auf die Reiseorder. Sie war gut in Farbe, in strahlendem Weiß und rotem Unterwasseranstrich, der weit aus dem Wasser war, weil das Schiff noch keine Ladung und nahezu leere Brennstofftanks hatte. Flarrow stand mit dem Alten an der Pier. Die Tochter des Kapitäns erschien mit dem Auto, um den Vater abzuholen. Der Alte reichte Flarrow zum Abschied die Hand: „Also, dann viel Glück, mein Lieber!“ – „Das wünsche ich Ihnen auch, Herr Kapitän.“ Und als das Auto des Kapitäns verschwunden war, murmelte