Lebensmotor Bewegung. Ernst Minar

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Lebensmotor Bewegung - Ernst Minar

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In Wahrheit sind unsere Arbeitsplätze nicht dafür geschaffen. Von der BILLA-Verkäuferin bis zum CEO eines Unternehmens – wir können nicht jede halbe Stunde aufstehen und lustig spazieren gehen. Daher kann es passieren, dass ein fitter Geschäftsmann, der gesundheitsbewusst regelmäßig ins Fitnesscenter geht, einen Herzinfarkt bekommt. Obwohl sein Körper gesund aussieht, ist das noch lange keine Garantie, dass der Stoffwechsel und das Herz-Kreislauf-System optimal funktionieren.

      Denken wir an Sport und Bewegung, so haben wir meistens das Bild des Trainings und des Muskelaufbaus vor uns. Es geht darum, schneller, stärker und besser zu werden. Der Bauch bitte flach, Arme und Beine schön definiert, der Po knackig, sowieso. Was wir oft vergessen, ist, dass die Bewegung tief in der menschlichen Natur steckt. Unsere Vorfahren sind nicht auf einer Parkbank gesessen und haben gewartet, bis ein Reh vorbeispringt. Sie haben als Jäger und Sammler das Tier auf ihren zwei Beinen gejagt. Sie sind gegangen und gelaufen, haben gelauert und gehetzt. Der Ego-Shooter waren sie selbst.

      Vor 100.000 Jahren hat der Mensch sein Gehirn genutzt, um zu überleben, seine Nahrung zu suchen. Nicht jede Nahrung war wertvoll. Ein Tannenbaum ist voll Zellulose und schwierig für den Körper zu verwerten. Menschen haben gezielt nach Früchten gesucht, die reich an Fruktose und Glukose sind. Das Gehirn hat sich angepasst und ein Belohnungssystem eingeführt. Das schmeckt gut, Serotonin und Dopamin wurden ausgeschüttet, die Menschen wollten mehr davon. Genau dieses Prinzip funktioniert auch auf Instagram. Wir wollen eine schnelle Belohnung. Am liebsten, ohne viel dafür zu tun. Ein Wischen, ein Posten und fertig.

      Um die Benefits des Sporttreibens an die Bequemlichkeit der Menschen anzupassen, haben Forscher versucht, eine Pille zu entwickeln, die den Sport ersetzt. Leider sind die Wissenschaftler schnell draufgekommen, dass Sport nicht nur molekularbiologisch, sondern auch mechanisch immens wichtig für den Körper ist und eine Pille Bewegung nicht ersetzen kann.

       Die große Lüge: Hier kommt die Fitnesspille für Faule!

      Doch jedes Jahr wird eine neue Sportpille vorgestellt. Ein Allheilmittel, gepriesen wie der Stein der Weisen. Der pharmakologische Ersatz für die Bewegung, gewonnen aus irgendwelchen Extrakten oder erzeugt im Labor.

      Zum Beispiel bei der alljährlichen „Exercise is Medicine“-Tagung. Das ist eine US-amerikanische Non-Profit-Organisation, die sich mit den neuesten Erkenntnissen zum Thema Sport und Bewegung und deren Einfluss auf die Gesundheit der Menschen beschäftigt. „Exercice is Medicine“ stellt sich die Frage: „Wie bleiben wir länger gesund?“

      Die Ernüchterung folgt schnell und immer dann, wenn diese Mittel zum Einsatz kommen. Sie wirken nicht.

       Es gibt kein Medikament, das die Bewegung ersetzt

      Auch wenn die Pharmaindustrie uns immer wieder die Karotte vor die Nase hält: Der Mensch ist angehalten, mehr zu tun, als die kristalline Essenz aus einem mexikanischen Kaktusgewächs zu schlucken.

      Früher wurde Patienten nach einer Operation geraten, bis zu einer Woche im Krankenbett liegen zu bleiben. Neueste Studien zeigen jedoch, dass genau das Gegenteil förderlich ist: Wenn der Patient 24 bis 48 Stunden nach der Operation aufsteht und sich bewegt, funktioniert die Regeneration deutlich besser.

      Das stellt das Konzept der Krankenhäuser infrage. Denn Spitäler sind darauf ausgelegt, dass die Patienten in ihren Betten liegen bleiben – jeder Patient hat heute ein Bett und einen Fernseher. Privatpatienten mit VIP-Sternchen auf dem Namensschild dürfen sich neben dem Arzt auch noch das Menü aussuchen. Das heißt nicht, dass sie deshalb früher entlassen werden, im Gegenteil. Sie sollen liegen bleiben und zur Beobachtung noch eine Nacht oder zwei dableiben. Die Versicherung kommt dafür auf.

      Ein Team von Architekten aus Dänemark hat sich mit dieser Problematik beschäftigt. Ihr Lösungsansatz war, Sozialräume zu schaffen, die Patienten motivieren, aufzustehen, um diese Zimmer mit anderen Menschen aufzusuchen. Der Sinn liegt in der Mobilität. Wer geht, lebt. Wer liegt, bleibt liegen.

       Der holistische Zugang zur Natur des Menschen

      Bewegung hält auch geistig fit und hat einen holistischen Zugang zu unserem Körper und unserer Gesundheit. Sie beeinflusst das Herz-Kreislauf- sowie das Nervensystem. Genauso ist es bei der Ernährung. Sie dient nicht nur zum Sattwerden, sie versorgt uns mit wichtigen Bausteinen zum Aufbau des Körpers, mit Mineralien, Vitaminen und sekundären pflanzlichen Stoffen. Das funktioniert über verschiedene molekularbiologische, zelluläre Prozesse, über die mechanische Natur unserer Organe.

      Bewegung hilft der Verdauung. Welche biochemischen Folgen haben Bewegung und Sport? Welche Rolle spielen freie Radikale beim Sport? Und wie verteidigt sich unser Körper gegen sie? Beim Rauchen, Trinken oder bei Erkrankungen? Wie bereitet uns Bewegung überhaupt drauf vor? Welche Zellen werden motiviert, richtig zu arbeiten? Und was macht das dann mit dem Rest unseres Körpers?

      Körperkult und Gesundheitskult werden immer wichtiger. Wir brauchen uns nur den beliebtesten Social-Media-Kanal bei Menschen unter 35 anzuschauen. Fast jeder zweite Instagram-Account beschäftigt sich mit dem Thema Abnehmen oder mit irgendwelchen Trainingsmethoden, um den „perfekten Po“ zu bekommen. In Kombination mit dem oft fehlenden Vertrauen in unser Gesundheitssystem sieht man immer mehr präventive Diagnostik-Tools am Gesundheitsmarkt. Es ist ein wachsender Trend im südostasiatischen Raum, dass immer mehr Personen ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen und sich auf verschiedenste neue Methoden verlassen.

      Sie lassen ihren genetischen Background messen, im Fachjargon Nutrigenetik genannt, um zu sehen, welche Ernährung sie besser verdauen können und welche nicht. Bei der Nutrigenetik kann festgestellt werden, wie der Körper auf Alkohol reagiert. Oder auf oxidativen Stress. Oder auf die Aufnahme von bestimmten Vitaminen.

      Ein zweiter großer Trend neben der Nutrigenetik ist die Vermessung der Mikrobenwelt – des Mikrobioms. Da untersuchen wir die Bakterien im Körper. An vorderster Front steht hier der Darm. In unserem Körper haben wir einen Tunnel, in dem die Außenwelt lebt. Man spricht deswegen von einem Epithel, griechisch für Außenfläche. Auf dieser Außenfläche leben viele unterschiedliche Bakterienzellen – rund, stäbchenförmig, als Einzelgänger oder in großen Gruppen. Es ist ein lebendiges Röhrensystem, das durch den Körper geht. Was unser Körper benötigt, wird absorbiert, der Rest wird unseren Untermietern überlassen oder ausgeschieden. Davon wird später noch die Rede sein.

       Bewegung ist wichtiger als Fasten und Ernährungsweisen

      Auch unser Immunsystem wird durch körperliche Arbeit und Bewegung unterstützt. Da werden verschiedene Hormone ausgeschüttet, die Einfluss auf unser Hungergefühl oder Glücksgefühle haben. Bewegung unterstützt Denkprozesse, Abläufe im Gehirn gestalten sich effizienter. Bewegung fördert auch unseren genitalen Trakt und die Funktion der Organe. Wir wissen, dass der Mensch durch unterschiedliche Ernährungsweisen wie intermittierendes Fasten oder mediterrane Ernährung sowie durch die Behandlung von Krankheiten im frühen Stadium länger und gesünder leben kann. Alles schön und gut.

      Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass die Bewegung aber einen viel stärkeren Einfluss darauf hat.

      Sie ist der Lebensmotor.

      Fitnessuhren und Schrittzähler sind vor gut zehn Jahren aufgekommen und wurden seitdem stetig verbessert. Sie sind digitale Helferlein, die den ganzen Tag lang Werte erfassen. Die WHO hat die Empfehlung ausgegeben, täglich 10.000 Schritte zu gehen. Eifrige Menschen gehen abends noch einmal außer Haus, um die letzten 2.000 Schritte

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