INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu. Thomas GAST

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INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu - Thomas GAST

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Letzte Seite des Originals des JMO (Journal des marches et des opérations – Frontbericht) des Leutnant de Biré (2. BEP – 5. Kompanie), verfasst am 07. Mai, 1954, in Dien Bien Phu.

      Leutnant de Biré, einer der Kompanieführer des 2. BEP, setzt diesen Angriff auf die allerletzte Zeile seines Frontberichts. Schwerverletzt geht er mit den spärlichen Resten seines Bataillons in die Gefangenschaft des Vietminh. Er und seine Männer ergeben sich dem Feind nicht. Auf Befehl stellen sie einfach den Kampf ein. Weiße Flaggen? Nein! Die Zeit des Kämpfens war einfach vorbei.

      Vorwort

      Im Jahr 1946 entbrannte in Französisch-Indochina ein mörderischer Konflikt. Wie ein Fluch fegte er über das Land. ´La guerre d’Indochine` führte das ´Französische Expeditionskorps im Fernen Osten` gegen die Guerilla des Vietminh. In den satten Reisfeldern Kambodschas, in den Sumpfgebieten Cochinchinas, in den schroffen, von Kalksteinfelsen durchzogenen Gebirgen der Regionen Tonkin und Annam sowie in den unübersichtlichen atemberaubend schönen Tälern von Laos hinterließen die Kämpfe verbrannte Erde, Kummer und Leid. Beendet wurde der Feldzug erst am 07. Mai 1954. In der vom Vietminh belagerten Urwaldfestung Dien Bien Phu erlitten die Franzosen eine vernichtende Niederlage. Das vorliegende Manuskript erzählt den Gefechtsverlauf dieser ´Mutter aller Schlachten` indem es den langen Weg, von der Entstehungsgeschichte bis zur totalen Vernichtung einer Einheit der Fallschirmjäger der Fremdenlegion nachvollzieht.

      TEIL EINS. Indochina, Vietnam. März 1945 – November 1953

      In der Abenddämmerung des 9. März 1945 fielen die Japaner über alle Garnisonen der Franzosen in Französisch Indochina her. Sie verschonten weder Saigon, noch Dong-Dang, Hanoi, Ha-Giang oder Lang-Son. Mancherorts verübten sie die abscheulichsten Massaker. Enthauptungen mit blanken Säbeln und einfachen Äxten waren an der Tagesordnung. Französische Soldaten und ihre Verbündeten wurden nackt ausgezogen und wie Tiere mit dem Knüppel erschlagen, ihre Frauen vergewaltigt. Die amerikanischen Truppen, stationiert in Yunnan (China), nur etwa eine Flugstunde von Hanoi entfernt, erhielten den strikten Befehl, die französischen Kräfte nicht zu unterstützen, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Ho Chi Minh, übersetzt ´Der das Licht gibt`, erklärt die Unabhängigkeit Vietnams. Die Kolonialmacht Frankreich, noch gedemütigt vom Prestigeverlust den die Besetzung durch die deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg mit sich gebracht hatte, sowie von wirtschaftlicher Instabilität fürchterlich gezeichnet, konnte und wollte dies nicht hinnehmen. Auf Biegen und Brechen musste die französische Hoheit wiederhergestellt werden. Dies zu tun, entsandte die Vierte Republik ein gewaltiges Expeditionskorps, das CEFEO.

Grafik 104

      Die Speerspitze dieses Korps bildeten Soldaten der Légion étrangère, der französischen Fremdenlegion. Die Idee, eine Fallschirmjägertruppe aufzustellen hat ihre Wurzeln in Tsao Pa, einem Ort in der chinesischen Provinz Yunnan. Bis dorthin hatten sich die Legionäre des 5. REI nach der Invasion der Japaner durchgeschlagen. In nur 93 Tagen legten sie 1500 km zu Fuß zurück. Die Odyssee der Kolonne Alessandri war ein aufreibendes, gewaltiges Rückzugsgefecht, geprägt von beschwerlichen Märschen im dichten, undurchdringlichen Dschungel Indochinas. Dieser Gewaltakt bot den Generälen Stoff genug zum Nachdenken. Das 5. REI war ein robustes Regiment aber keine Sturmtruppe im herkömmlichen Sinn. Gerade eine solche aber benötigte man nun dringend. Anfang des Jahres 1948 beschlossen Frankreichs Stabschefs die Gründung einer Luftlandetruppe innerhalb der Regimenter der Fremdenlegion im Extrem Orient. Vor Ort befanden sich das 3. REI, die 13. DBLE und das 2. REI. Sie sollten die Männer für die neue Einheit stellen.

Grafik 86

       Fahne einer Kompanie des 2. REI in Indochina, gefunden in Dien Bien Phu unmittelbar nach der Schlacht.

      Das Resultat? Die Fallschirmjägerkompanie des 3. REI sah am 01. April 1948 in Hanoi (Tonkin) das Licht. Diese reine Legionseinheit um ihre charismatischen Führer, den Leutnants Morin (Kompaniechef), Arnaud de Foïard, Audoye und Camus (Zugführer), hat es in sich. In der Tat sind es nur Freiwillige. Den US-T5 Fallschirm auf dem Rücken, findet der erste Sprung der ´Compagnie-para` am 16. April 1948 in der Nähe des ´Canal des Rapides` statt. Auch die ersten Einsätze folgen schnell: beinharte Gefechte in der Region Son-Tay, ganz besonders in Tong, wo der nur 23-jährige Morin verletzt wird; offensive Aufklärung auf der Blutstraße RC-4 im Sektor That Khé - Cao Bang im Mai 1948; Sturm auf die von den Truppen Chiang Kai Scheks verteidigte Bastion Ta-Lung im Juli 1948; Verteidigung des Außenpostens Ban-Cao an der Seite des berüchtigten capitaine Mattei (siehe Frankreichs Fremde Söhne) im September 1948, um nur die wichtigsten zu nennen. Die ´Compagnie-para` ist an allen wichtigen Einsätzen beteiligt. Bald schon genügt eine Kompanie nicht mehr, man will, braucht und befiehlt zwei Bataillone und so wird die Aufstellung der famosen Bataillons Étrangers de Parachutistes beschlossen. Infolge dieser Überlegungen wird die ´Compagnie-para` der Legion des 3. REI am 21. Mai 1949 aufgelöst, die Männer komplett ins erste und später mit Teilen ins zweite Fallschirmjägerbataillon der Fremdenlegion eingereiht. In der gesamten Geschichte der Fremdenlegion waren nie Einheiten aus so grundverschiedenen Menschen zusammengesetzt wie das 1. und das 2. BEP. Draufgänger und Kämpfer aus aller Herrenländer strömten herbei. Von unterschiedlicher Herkunft und Nationalität, gehörten diese Abenteurer zu der Sorte Männer, die dem Teufel beim Essen in die Suppe spuckten nur um ihn dann zum Tanz zu fordern. Da waren Pastoren zu denen Gott nicht mehr sprach. Ehemalige Elitesoldaten der Waffen SS. Verzogene Söhne reicher Wirtschaftsbosse. Maurische Söldner aus dem spanischen Bürgerkrieg und junge Studenten, die außer den kahlen Wänden ihrer Lehrsäle nichts von der Welt kannten, die aber von einem irren Heißhunger auf exotische Abenteuer beseelt waren. Ein neuer Verband, eine wirkungsvolle ´Waffe` wurde in diesen Jahren geboren: Die Fallschirmjäger der Fremdenlegion!

Bild 2

       Abzeichen des 2. BEP

      Der Tambour - Honneur et Fidélité

      Russland unweit von Stalingrad. Todeslager Beketowka, Anfang 1947. Joachim Wegener fror. Wie all seine Kameraden aß er Gras um zu überleben. Vor dem Fleckfieber, dem die Gefangenen zu Tausenden erlagen, schützte das kaum. Doch er war am Leben, konnte sich glücklich schätzen. Tausend andere hatten dieses Glück nicht. Sie waren bereits bei den brutalen Märschen durch die vereiste Steppe gestorben. Kein deutscher Soldat kommt hier jemals wieder weg. Beketowka wird euer Grab sein. Er dachte an das Versprechen des Kommandanten des Lagers. Es waren gleichzeitig die ersten Worte, die er zu hören bekommen hatte, bevor sich die Tore hinter ihm wieder schlossen. Nun starrte er an die Decke, die kaum fünfzig Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Um ihn herum war es dunkel, eiskalt und trostlos. Sein Atem ging schwer. Er schloss die Augen, verfluchte sich innerlich. Ihr Fluchtversuch war gescheitert. Sie hatten Kamerad Hellwig und ihn zu einem Zeitpunkt erwischt, an dem sie sich längst schon in Sicherheit wiegten. Daraufhin folgte die übliche Prozedur. Sie wurden beleidigt, geschlagen und bespuckt und dann, als ob dies nicht genug wäre, auch noch ausgelacht. Doch dieses Mal war es anders. Hellwig, der bereits zum zweiten Mal bei einem Fluchtversuch erwischt wurde, hatte einen der Verfolger getötet. Man stand generell gut mit dem russischen Wachpersonal, besser zumindest als damals unmittelbar nach der Kapitulation vor Stalingrad. Doch für nicht korrigierbare Flüchtlinge und Mörder konnte es nur eine Strafe geben. Unweit des Erdlochs, in das man Wegener zur Strafe gesteckt hatte, fiel ein Schuss. Ein leises Wimmern folgte. Ein zweiter Schuss bereitete dem Jammern ein Ende.

       Beketowka wird euer Grab sein!

      Wegener

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