Der Doppelgänger. Edgar Wallace

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Der Doppelgänger - Edgar Wallace

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Tetherby hat ihr das Geld geschenkt, während sie noch lebte – daran ist doch nichts Besonderes. Wenn ich einem Waisenkind« – er schluckte und wollte seine Rührung verbergen – »einen Schilling, ein Pfund, ja selbst tausend Pfund schenkte, so wäre das doch kein Bruch des Gesetzes oder eine Ungehörigkeit, selbst wenn ich es Tag für Tag täte?«

      Mr. Cathcart dachte nach.

      »Unter gewissen Umständen könnte es doch ein Unrecht sein«, meinte er dann.

      Mr. Collings verwahrte sich dagegen, aber er wollte nicht verletzend werden.

      »Mrs. Tetherby war träge. Starke Frauen sind oft so.«

      »Sie war direkt faul«, erwiderte Cathcart.

      »Es gibt nur wenig Tanten, die Zuneigung zu ihren Nichten fühlen. Aber Mrs. Tetherby liebte Diana. Aus ihrem Testament geht das deutlich hervor. Sie hinterließ ihr alles –«

      »Es war ja gar nichts zu hinterlassen«, unterbrach ihn Mr. William Cathcart befriedigt.

      Wie dieser Mann Waisenkinder haßte!

      »Es war nichts mehr da, weil sie ja schon zu Lebzeiten Diana die Kontrolle über ihr Vermögen überließ.«

      »Das tat sie doch nur, weil sie sich nicht damit belasten wollte«, sagte Mr. Collings leise. »Sie hat dieses Waisenkind doch so geliebt!«

      »Wenn man jemals einer Frau auf der Welt nicht hätte gestatten dürfen, ein Mädchen von Diana Fords Charakter zu erziehen, so war es Mrs. Tetherby. Als Kind von sechzehn Jahren hatte Diana schon eine leidenschaftliche Liebesaffäre mit einem Studenten –«

      »Es war ein Student der Theologie«, verteidigte sie Mr. Collings. »Vergessen Sie das nicht! Das läßt doch die Sache in einem ganz anderen Licht erscheinen. Ich kann mir wohl denken, daß ein junges Mädchen sein Herz einem zukünftigen Geistlichen schenkt. Ein Student der Medizin wäre mir dagegen ganz unmöglich erschienen.«

      »In meinen Augen ist es um so schlimmer, wenn er ein Student der Theologie war.«

      »Aber schließlich hat uns Mrs. Tetherby wegen dieser Angelegenheit um Rat gefragt«, sagte Mr. Collings etwas vorwurfsvoll. »Ob sie nun zu lässig oder zu energisch war, auf jeden Fall ist sie zu uns gekommen.«

      »Sie wollte von uns erfahren, ob sie vor Gericht schuldig gesprochen würde, wenn sie diesem verfluchten Mr. Dempsi auflauerte und ihn über den Haufen schösse. Sie erzählte uns doch, daß sie schon die Hunde auf ihn gehetzt hatte, ohne ihn abschrecken zu können.«

      »Dempsi ist tot«, erwiderte Mr. Collings heiser. »Ich habe schon vor acht Monaten mit Diana über ihn gesprochen, als ihre verehrte Tante starb. Ich fragte sie, ob diese Wunde vernarbt sei. Sie antwortete, daß sie kaum noch daran denke. Nur manchmal mache sie sich abends noch den Spaß, sein Gesicht aus dem Gedächtnis zu zeichnen.«

      »Ein herzloses, teuflisches Mädchen!«

      »Sie ist ein Kind – und in der Jugend geht dergleichen schnell vorüber. Man vergißt sogar Leibschmerzen sehr rasch«, sagte Mr. Collings.

      »Haben Sie auch mit ihr über Leibschmerzen gesprochen?« fragte der andere höhnisch.

      Mr. Collings zog die Augenbrauen hoch. Ein Mann von seiner Gutherzigkeit war solchen Gemeinheiten gegenüber einfach machtlos.

      »Eine Waise« – begann er eben wieder, als ein Schreiber ins Büro trat.

      »Miss Diana Ford«, meldete er an.

      Die beiden Chefs der Rechtsanwaltsfirma Collings und Cathcart wechselten Blicke.

      »Lassen Sie die junge Dame näher treten.« Die Tür schloß sich hinter dem Schreiber. »Seien Sie liebenswürdig zu ihr, William«, bat Collings.

      Mr. Cathcart rückte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

      »Wird sie denn liebenswürdig zu mir sein?« fragte er bitter. »Garantieren Sie mir und sind Sie bereit, Geld darauf zu wetten, daß sie höflich ist?«

      In der Tür erschien ein hübsches Mädchen. Sie sah blühend wie der Frühling aus. Die Farbe ihrer Wangen erinnerte an Pfirsiche, und sie brachte den Duft blumiger Wiesen mit in dieses dumpfe Büro. Ihre Sprache hörte sich an wie das Geplätscher eines kristallklaren Baches, der zwischen Lärchen und Erlen dahineilt. Das war Miss Diana Ford.

      Während des Krieges hatte Mr. Cathcart eine Stellung in einem Armeeversorgungsdepot eingenommen (Heimatdienst) und hatte infolgedessen eine gewisse Art zu denken beibehalten. Er nahm den Tatbestand wie folgt auf:

      Mädchen. Schlank. Mittelgröße.

      Augen. Graublau, groß. Unschuldiger Blick.

      Mund. Rot, geschwungen, ziemlich groß.

      Nase. Gerade, gutgeformt.

      Haare. Goldblond, Bubikopf.

      Nach dieser Beschreibung war Diana ebensowenig wiederzuerkennen wie ein gewöhnlicher Mensch nach den Eintragungen in seinem Reisepaß. Sie war frisch und natürlich.

      Impulsiv ging sie auf Mr. Collings zu und küßte ihn. Mr. William Cathcart schloß die Augen, um nicht das wohlgefällige Lächeln zu sehen, mit dem sein Partner diese Bevorzugung quittierte.

      »Guten Morgen, lieber Onkel! Guten Morgen, Onkel Cathcart!«

      »Morgen«, erwiderte Mr. Cathcart. Er war so feindlich wie nur möglich gesinnt.

      »Morgen«, ahmte sie ihn nach. »Und ich bin doch in so guter Stimmung gekommen und habe Sie doch so gern. Ich habe Sie sogar Onkel genannt«, rief sie vorwurfsvoll.

      »Habe ich gehört«, brummte der neuernannte Verwandte. »Es wäre weit besser, Miss Ford, wenn wir uns in mehr geschäftlichen Formen bewegten –«

      »Bewegen Sie sich meinetwegen auf Autobussen und Elektrischen, wenn Ihnen das Spaß macht«, sagte sie seufzend, nahm ihren Hut ab und legte ihn auf das nächste Aktenstück. »Ach, Onkel Collings, ich bin krank!«

      Mr. Cathcart sah bestürzt auf.

      »Ich bin ganz krank von Australien. Mir macht das Leben hier keine Freude mehr. Ich bin krank von der ganzen Stadt, von den Leuten, von der Umgebung, von allem! Ich fahre heim.«

      »Heim?« rief Mr. Collings atemlos. »Aber meine gute, liebe Diana, Sie wollen doch nicht etwa nach England gehen?«

      »Natürlich will ich nach England! Ich werde dort meinen Vetter Gordon Selsbury besuchen.«

      Mr.

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