"dein Gott, ist drinnen bei dir" (Zefanja 3,17) Spirituelle Profile. Markus Roentgen

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Mensch ist, der aus Augustinus Leben nicht weggedacht werden kann.

      Augustinus gerät in seine erste große Krise. Ihm widerfährt nun aus seinen inneren Regungen der Formalismus und die Leere seines bisherigen geistigen Weges; er wird der Rhetorik überdrüssig.

      Der Hortensius des Cicero hatte ihn aufgerufen, nach wirklicher Weisheit zu suchen; jedoch gab es darin keine Christusbegegnung, der Name Jesu wird darin von Augustinus vermisst – er wendet sich der Lesung der Heiligen Schrift zu.

      Und – er scheitert wiederum, es scheitert in ihm!

      Stil und Sprache erscheinen ihm zweitrangig, das Kreuz bleibt ästhetisches Ärgernis, bleibt Scandalum Crucis!

      Augustinus hadert mit einem Gott, der sich durch eine, für ihn, derart „barbarische“ Sprachform äußert.

      Dass es Kenose Gottes ist, sich überhaupt in den Verfallsduktus menschlicher Sprache hinein zu geben, dass Selbst-Offenbarung immer auch eine Verdunkelungsgefahr, eine Selbst-Erniedrigung Gottes ist, das geht dem jungen Augustinus noch nicht auf!

      Gott – in so dürftigen Sätzen! Welch ein Ärgernis; Gott am Kreuz, welch ein Skandal, welche Torheit (vgl. 1Kor 1, 19 ff.)

      Augustinus schreibt in den Confessiones (Conf. 3, 5, 9): „Daher beschloss ich, mich der Heiligen Schrift zu widmen, um zu sehen, wie es mit ihr wäre. Und siehe! Da ist etwas, was die Hochmütigen nicht heranlässt und sich auch den Kleinen nicht enthüllt, sondern nieder ist fürs Eingehen, beim Vorangehen erhaben wird und sich ins Geheimnis schleiert; und ich, wie ich damals war, hätte nicht vermocht, hineinzugelangen oder den Nacken zu beugen, um in der Sache voranzukommen. Denn nicht so, wie ich jetzt davon rede, urteilte ich damals, als ich mich der Schrift zuwandte, vielmehr erschien sie mir unwürdig, mit der Würde des Ciceronischen in Vergleich zu treten; ja, mein geschwelltes Pathos sträubte sich wider ihre unscheinbare Weise, und meine Sehkraft reichte nicht in ihr Inneres hinein. Und gerade ihre Art wäre es gewesen, zu wachsen mit den Kleinen, ich aber hielt es unter meiner Würde, ein Kleiner zu sein; vom Hochmut nur geschwollen, deuchte ich mich groß.“ (Übersetzung von Joseph Bernhart)

      Nach dem Scheitern an der Heiligen Schrift und seiner Enttäuschung darüber erscheint der Manichäismus Augustinus für eine Zeit verlockend, diese christliche Sekte mit ihrem entlastenden Dualismus im Grunde, scheinbar rationalistisch, erscheint ihm zunächst vernünftiger und freier – beinahe zehn Jahre ringt Augustinus mit dieser Richtung, die der Heiligen Schriften Israels sich entledigt hatte und Christus nur in einem reduzierten Paulustext akzeptierte. Das Gespräch mit dem Manichäerbischof Faustus von Mileve wird zur großen Ernüchterung für Augustinus. Enttäuscht erscheint ihm nun radikaler Skeptizismus als einzige Lösung seiner Fragen. Dessen resignativer Verzicht auf Wahrheit und Erkenntnis wirkt faszinierend. Er mündet in einer fast descartschen („Cogito, ergo sum. – „Ich denke, also bin ich.“) Formel: „Si enim fallor, sum“ („wenn ich mich täusche, bin ich“) – und ist bis heute, für die vielen agnostisch sich bestimmenden Menschen von, wie es scheint, großer Evidenz.

      Augustinus schreibt in den Confessiones (Conf. 5, 10, 19): „Allgemach wuchs ja auch in mir der Gedanke, die gescheitesten von allen Philosophen seien doch die üblich so genannten Akademiker gewesen, weil sie der Ansicht waren, man müsse an allem zweifeln, und sich für den Satz entschieden, der Mensch sei nicht imstande, irgendwelches Wahre in seinen Griff zu bekommen.“(Übersetzung Joseph Bernhart)

      Später wird er, in De civitate Dei (Gottesstaat) 11, 26 (Bkv 2/16, 184 f) dies kommentieren und aufheben: „Wenn ich mich täusche, dann bin ich. Wer nicht ist, kann sich nicht täuschen; demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Wenn ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein Sein irren, da es doch gewiss ist, gerade wenn ich mich irre. Also selbst wenn ich mich irre, so müsste ich doch eben sein, um mich irren zu können, und demnach irre ich mich ohne Zweifel in dem Bewusstsein, dass ich bin.“

      Augustinus muss nach Mailand gehen, um im Kreis um Bischof Ambrosius (gleichsam ein Kreis katholischer Intellektueller) sich endgültig von Manichäismus und Skeptizismus zu lösen. Seine Sehnsucht nach einer Lebensentscheidung drängt ihn, das Joch des Glaubens auch tragen zu können. Ambrosius überzeugt durch das Ineins von persönlicher Integrität im Leben aus dem Glauben, bringt Augustinus die geistliche (allegorische und heilsgeschichtliche) Auslegung der ganzen Heiligen Schrift nahe und ist auch in philosophischen Fragen geschulter, als lange Zeit angenommen wurde. Der Neu-Platonismus (Plotin etwa) ist anschlussfähig an das Christentum – überwunden wird der prinzipielle Dualismus; Gott allein ist einziges Prinzip allen Seins, das Böse, das „malum“ keine selbständige Wirklichkeit, vielmehr Mangel an Sein! Es bedarf nur noch einer winzigen Drehung zur vollen Entschiedenheit. Die berühmte Gartenszene, beschrieben im 8. Buch der Confessiones naht, in der Augustinus durch das Hören einer Kinderstimme veranlasst wird, die Heilige Schrift aufzuschlagen, das ihm Zukommende zu nehmen und zu lesen: „Tolle, lege! Tolle, lege! (Nimm und lies!)“ (Confessiones 8, 29)

      Spiritualität – Krise als Wende und Öffnung, Krise als Bruch und Heilung

      Guardini schreibt wunderbar tiefgründig über die Kraft und Not und die Not-Wendigkeit der Krisis und der Skepsis bei Augustinus. In seinem nach wie vor sehr eindrücklichen Werk: „Die Bekehrung des Aurelius Augustinus“ (S. 213 ff.) im Part über die Krisenzeit Augustinus in Rom und Mailand heißt es: „Die Anlage zur Skepsis ist in Augustinus immer lebendig gewesen. (…) Zu dieser gehört vor allem eine besondere Hinordnung auf das Absolute; das Verlangen, zu ihm zu kommen, von ihm erfasst, erfüllt, überwältigt zu werden. Zugleich ein sehr waches Empfinden für die Uneigentlichkeit des Endlichen; auch des endlichen Aktes, seiner Vollzugs- und Erfahrungskraft. Daraus entsteht ein Missverhältnis, das in jedem Erkenntnisakt durchempfunden wird. Sollte diese Sinnesart wirklich befriedigt werden, dann müsste der Erkenntnisvorgang den Geist vollkommen erfüllen und übermächtigen; das erst ergäbe die ersehnte Ruhe. Zu einem solchen Wahrheitsvollzug ist aber die endliche Erkenntniskraft nicht fähig; immer bleibt die Macht des Denkvollzugs hinter dem Gültigkeitsanspruch des gedachten Inhalts zurück. Aus diesem Rest entsteht ein beständiges Unzulänglichkeitsgefühl: eben die Skepsis.

      Diese Art der Skepsis scheint mit der mystischen Anlage verbunden zu sein; ja vielleicht stellt jene besondere Beziehung zum Absoluten, von der die Rede war, schon die vordere Schicht ebendieser mystischen Anlage dar. So die Erkenntnis in Frage stellen, wie es hier geschieht, kann vielleicht nur, wer in einer, ihm selbst unter Umständen ganz unbewussten, Rückverbindung zum Religiös-Absoluten steht. Und erst wenn diese mystische Möglichkeit sich verwirklicht, wird die Skepsis geheilt. Sie erst gibt der ganzen Existenz jene Wirklichkeits- und Sinngrundlage, deren diese bedarf. (…) Augustins Skepsis steht jedenfalls in enger Beziehung zu seiner Lehre vom wesenhaften Hunger der Seele nach Gott; von der Liebesbewegung auf Ihn hin und von der Bedeutung der Liebe im Erkenntnisakt…“

      Dass dieses Ringen und Suchen und Zweifeln alles andere sind als Kopfgeburten, dass sie existentiell erfahren und erlitten werden (Auseinandersetzung mit der Mutter, Ringen um seine Sexualität, Erfahrungen von Krankheit zum Tode eines Herzensfreundes) und auch noch in der „Nachschrift“ der Confessiones derart erkennbar bleiben, dies macht die Aktualität Augustins für uns aus (auch wenn seine Lösungen und Entscheidungen bisweilen befremden müssen). Er ist ein Existenzdenker im Ringen um seine authentische Lebens- und Glaubensform.

      Hören wir zum Abschluss des 2. Teiles einen Abschnitt aus dem 4. Buch der Confessiones und einen weiteren aus dem 10. Buch.

      Sie lassen erahnen, warum Augustinus erst mit fast 32 Jahren darum bat, getauft zu werden.

      Als sein Freund stirbt, schreibt Augustinus zurückblickend über sein Empfinden:

      „Vom Schmerz darüber ward es finster in meinem Herzen, und was ich ansah, war alles nur Tod. Die Heimat war mir Qual, wunders

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