Überlast und Kernschmelze. Renate Amelung
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Читать онлайн книгу Überlast und Kernschmelze - Renate Amelung страница 3
In der Ferne flackerten zwei Scheinwerfer.
Ihr war plötzlich übel und feuchte Kälte überfiel sie. Auf der Rückbank lag ihre Tasche, nur war da nichts drin was sie wärmen konnte und die leichte Sommerjacke, die etwas Gefühl von Kleidung bringen konnte, lag im Kofferraum. Plötzlich setzten Gliederschmerzen ein, in was für einer merkwürdigen Haltung war sie verrenkt?
„Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, rief sie und klopfte mit beiden Händen energisch auf das Lenkrad. Es war dieser Nerd schuld, dieser verdammte Lev Kotz, er hatte ihre Gedanken in den Bann gebracht. Er war wirklich kein Mann für den man schwärmen konnte! Ausgerechnet er hatte ihre Aufmerksamkeit gefordert und sie von der Straße getrieben. Späte übersinnliche Rache und völlig realitätsfremd dazu. Wenn sie jetzt nicht durchdrehen wollte, dann musste dringend das Hirn wieder eingeschaltet werden.
Dann atmete sie tief durch, sie hatte genau betrachtet doch Glück gehabt. Der Wagen hätte sich überschlagen können. Oder es war aus, verdursten, verhungern, erfrieren. Plötzlich begriff sie ihre Lage. Sie sah nicht nur das Maul der Rindviecher, sie sah auch ihre Hufe, Gras und derbe Stiefel. Das Blut lief ihr in den Kopf und machte ihn schwer. Sie löste den Sicherheitsgurt.
Mit einem Ruck wurde die Tür aufgerissen. „Alles Ok?“, fragte der Mann mit einer Tenorstimme, der in den Stiefeln stecken musste. Er streckte ihr eine, für einen Mann ungewöhnlich schmale Hand entgegen.
Doch ohne die Hand zu nehmen und ohne Antwort kletterte sie umständlich aus dem kleinen Wagen. Sie hatte einen alten Bauern mit grüner Cord-Hose und Karierter Jacke erwartet. Tatsächlich sah sie einen Mann mittleren Alters, im dunklen Parker und tiefgezogener Kapuze über dem Kopf. Die Kapuze war Spitz wie bei einer Mönchskutte. Der nächste Blitz ließ seine großen Augen auf funkeln und scharfe Gesichtszüge erkennen, fast leblos. Einen Moment glaubte sie der Satan stehe vor ihr. Der Teufel hatte ein grünes und ein blaues Auge. Konnte nicht sein, denn jetzt fühlte sie ihre weichen Knie und ein Herzrasen in der Brust. Eiskalte Füße spürte sie in den leichten viele zu hohen Wedges die vom Regen durchweicht waren.
Er fasste sie kurz mit festem Griff und beiden Händen an die Schulter, dann ließ er los und zog die Jacke aus, legte sie ihr führsorglich um die Schultern.
Verdammt wo kam er her, so völlig aus dem Nichts, sie war doch allein unterwegs auf dieser, Gott verdammten Straße, kein Haus, kein Hof weit und breit.
Unvermittelt legte er den einen Arm um ihre Taille mit der anderen fasste er sie am Ellenbogen und führte sie den leichten Hang hinauf. Es wäre für ihn kein Problem gewesen diese kleine, leichte Person zu tragen. Am Wagen öffnete er die Beifahrertür und half ihr auf den Beifahrersitz. Er nahm ihr die nasse Jacke ab und schleuderte sie auf den Rücksitz.
War das der Wagen der ohne Licht vom Parkplatz fuhr? Ab der fuhr nach links in die andere Richtung. Hatte er sie bedrängt und auf das Bankett getrieben? Er wäre doch mit seiner Charakter-Karre schon viel weitergekommen.
Die Tür flog zu als sperrte er seine gejagte Beute ein. Mit Elan schwang er sich auf den Fahrersitz und sah sie mit intensiven Augen an. Ein seegrünes und ein blaues Auge, bemerkte sie faszinierend. Mit beiden Händen fuhr er sich durch die nassen recht langen dunkelblonden Haare und schob sie zurück. Sicher machte er um jeden anständigen Friseur einen Bogen. Ein ernster Blick traf sie.
Sie erwartete Draculas Zähne zu sehen, nichts. Und der Blick ihres Retters ging ihr umso mehr und unangenehm unter die Haut. Was sollte sie tun? Sagen, danke ich warte auf den Bus? Stattdessen kam ihr über die Lippen. „Danke, es ist alles in Ordnung. Ich hatte wohl sehr viel Glück.“
„Könnte sein.“
Was heißt jetzt hier, könnte sein? „Mist, mein Handy, meine Papiere!“, stieß sie hervor. Ein Fluch auf die Papiere, aber das Handy musste her und zwar intakt!
„Wo?“
„Im Wagen, auf dem Rücksitz.“
Er zog die Kapuze seines Hoodie über den Kopf und lief ohne große Worte und ohne Hast zum Wagen zurück. Ja sie fand sogar, dass er sich extrem langsam bewegte. Eine gefühlte Stunde später legte er ihre Tasche auf den Schoß. Nun blickte er sie wieder so intensiv an, als erwarte er etwas. Sie beschloss sich noch einmal zu bedanken.
„Wirklich alles Ok?“, fragte er.
„Ja, wirklich, außer, mein Wagen. Können Sie mich hier im nächsten Ort rauslassen. Ich nehme mir dann ein Zimmer, oder den Bus, Zug, was da ist.“
Jetzt blickte er sie an als sei sie gerade vom Mars gepurzelt und hätte drei Kakteen auf dem Kopf
„Klar. Morgen kommt da sicher zweimal am Tag der Bus nach Wuppertal.“
„Morgen mit dem Bus nach Wuppertal. Was soll ich denn in Wuppertal?“, eigentlich hatte sie nur laut gedacht.
„Habe nicht gesagt, dass Sie da was sollen.“ Er ließ den Motor an. Das klang nach sattem Diesel und ordentlich Hubraum. „Ich fahre nach Düsseldorf, wenn Sie wollen auch bis zu Ihnen nach Hause.“
Hättest du gerne, dachte sie und unterstellte ihm sofort böse Absichten.
Er griff nach hinten und fischte einen dicken Pullover vom Sitz, den er ihr anbot.
Klar dachte sie, der riecht nach Schwefel aus der Hölle, deine Heimat. Genau das brauchte sie jetzt. Wolle, Wald, Feuer, gerne, denn ihr war kalt. Erfrieren war eins, warm und wohlig sterben war besser und das war dieser üppiger Pulli. Erde roch sie als sie das Strickzeug überstreifte. Skepsis blieb, auch wenn er noch so mild lächelte. Wunderbar, circa 40 Kilometer, mit einem – Himmel hilf, was war er denn nur? Der Teufel, ein rettender Engel oder ein berechnender Triebtäter, Frauenhasser? Sie musste unbedingt unauffällig auf das Handy sehen. Er hätte alle Zeit gehabt es beim Auffinden zu zerstören. Genau ihr Handy schreckte sie in dem Moment jäh aus den Gedanken.
Tante Klara meldete sich. Ehrlich sie wäre nicht rangegangen säße sie nicht in diesem verflixten Wagen. Sie musste ein Zeichen geben, einen Standort mitteilen, eine Autonummer übermitteln. Nur wie? Klara nervte mit einem Projekt Hausbau. Isa versuchte ruhig zu antworten, denn Klara konnte nicht dafür, dass sie in so einer Bescheidenen Situation war. „Ja – nein – weg wieso – verstehe ich nicht – wieso mein Ulf?“ Mit siebzig ein Haus bauen, dazu noch mit wackeren Freunden im selben Alter! Wer kam auf so eine Idee? Kein Wunder, dass die Banken da zurückhaltend waren mit der Vergabe von Hypotheken.
Sie beruhigte Klara, versuchte es, aber Klara war aufgebracht, sie versprach zu helfen und sich mit Ulf in Verbindung zu setzen. Das wird echt ein Problem. Isa legte auf. So ein Mist, ihre Vitamin B Quelle, Ex Ulf war ja versiegt.
Sie spürte das Schmunzeln ihres Chauffeurs, oder bildetet sich es ein. War sie zu laut? Hatte er mitbekommen worum es ging? Nein, eher nicht.
Er war ihr zu schnell unterwegs. Die schlechte Sicht in dieser stockfinsteren Nacht und das viele Wasser auf der Straße.
Sie meinte sie müsse etwas sagen. „Pardon, haben Sie schon mal ein Haus gebaut?“ Sie versuchte es erheitert auszudrücken.
„Eins?“, fragte er knapp.
„Ja ein Haus!“, sagte sie. Sprach sie kein Deutsch? Was für ein Gubbe!
„Nö“,