Der Wüstensklave. J. D. Möckli

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Der Wüstensklave - J. D. Möckli Der Wüstensklave

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beißt sich Jamon für den Bruchteil einer Sekunde auf die Unterlippe, ehe er sich strafft. Mit einem Glühen in den Augen sieht er Hadrian direkt an. »Verzeiht, wenn ich jetzt respektlos werde, Hadrian, aber Ihr habt keine Ahnung, was es bedeutet, ein Sklave zu sein, was es mit einem macht, keinerlei Rechte zu haben, nicht einmal über den eigenen Körper bestimmen zu können! Ich wurde ohne Erinnerungen an meine Herkunft versklavt, vergewaltigt, gefoltert, missbraucht und verkauft! Mehr als einmal war ich dem Tode näher als dem Leben! Wenn ich nicht vor einem Jahr von Kai Mutsuo auf dem Sklavenmarkt gekauft worden wäre, würden wir uns heute nicht gegenüber sitzen.« Um sich zu sammeln, hält Jamon inne und trinkt einen Schluck Tee, ehe er den Blick wieder auf Hadrian richtet. »Bei den Mutsuos konnten meine Seele und auch mein Körper heilen. Sie haben mir gezeigt, was es bedeutet, ein Mensch zu sein und dass man Sklaven nicht wie Dreck behandelt. Ich habe gesehen, wie Menschen, deutlich jünger als ich, im Schlaf gestorben sind, weil ihre Körper der Belastung nicht mehr standgehalten haben. Ich habe gesehen, wie sich Menschen umgebracht haben, weil sie die Qualen nicht mehr ertragen haben. Ich habe gesehen, wie das Licht in den Augen der Menschen erloschen ist, weil ihre Seele zerbrach. Ich gehörte dazu. Ich hatte mir vorgenommen, mir das Leben zu nehmen. Doch da kam Kai, mit seinem reinen Herzen und sein Großvater. Sie haben mich aufgefangen, mich gehalten und unterstützt. Diese beiden Menschen und ihre Freunde haben dafür gesorgt, dass ich nicht aufgegeben habe und jetzt hier vor Euch sitze! Also sagt nicht, dass die Belange des einfachen Volkes und der Sklaven für uns irrelevant sind!« Mit jedem Wort ist seine Stimme fester, bestimmter und unnachgiebiger geworden. Er steht auf und tritt ans Fenster. Obwohl er dem Kaiser den Rücken zudreht, kann er dessen Blicke auf sich spüren. »Wir sind wie die Könige auf einem Schachbrett. Wir werden durch die Bauern und die anderen Schachfiguren geschützt. Auch der kleinste Bauer kann daher das Schicksal seines Königs mit beeinflussen!« Die ganze Zeit hat er aus dem Fenster gesehen, dreht sich nun aber wieder zu Hadrian um, der ihn nachdenklich mustert.

      Stille breitet sich zwischen ihnen aus, die nur durch das leise Ticken der Uhr durchbrochen wird. Schließlich räuspert sich Hadrian, was in der Stille unnatürlich laut wirkt. »Eine flammende Rede, die Ihr gehalten habt, Nesut-anch-Ra. Ich kann verstehen, dass Ihr Euch nach Euren Erlebnissen persönlich betroffen fühlt, wenn es um die Sklaven und das einfache Volk geht. Um Eure Allegorie aufzugreifen: Die Bauern im Schachspiel sind nur Kanonenfutter. Sie werden geopfert, um die anderen Figuren und besonders den König zu schützen und das Spiel zum Sieg zu führen.« Ernst beobachtet er das Mienenspiel seines Gegenübers, aber wie schon damals, lässt Jamon sich nicht hinter die Maske blicken. »Wie auch immer. Ich stehe vor zwei Problemen. Euer Onkel ist kurz davor, uns den Krieg zu erklären. Er scheint nur noch darauf zu warten, dass seine Vermählung mit Eurer Schwester stattgefunden hat, um durch sie auch die letzten Zweifler auf seiner Seite zu haben. Da Eure Schwester noch nicht volljährig ist, ist das jedoch noch das kleinere Problem. Was mir mehr Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass der Prinz und der Hohepriester sich hier in meinem Palast befinden. Wenn er das herausfindet und ich mich weigere, die beiden auszuliefern, droht ein sofortiger Krieg!«

      Jamon senkt für einen Moment nachdenklich den Blick. »Dann müssen wir dem zuvorkommen. Viel Zeit haben wir sowieso nicht, um meinen Onkel vom Thron zu stoßen. Wir müssen gemeinsam Pläne schmieden und wenn es so kommen sollte, dass mein Onkel davon erfährt, dass sich die beiden hier befinden, werden wir sehen, was getan werden muss, um einen Krieg zu verhindern. Kaiser Hadrian, wir, unsere Länder, waren vor meinem angeblichen Tod nicht nur Verbündete, sondern auch Handelspartner. Ich weiß, dass ich viel von Euch verlange, aber bitte vertraut mir und vertraut darauf, dass wir den drohenden Krieg abwenden können.«

      Hadrian erhebt sich. »Ihr verlangt viel, junger Pharao. Lasst uns dieses Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt fortführen. Ich habe noch wichtige Geschäfte zu erledigen, die keinen Aufschub dulden. Ihr kennt das ja«, sagt er und neigt kurz sein Haupt, ehe er zur Tür geht, dort aber innehält. »Ich gebe zu, dass es mich erstaunt hat, als man mir sagte, dass Ihr das kleinste Zimmer genommen habt. Nun jedoch denke ich, dass ich weiß, warum.« Er nickt ihm noch einmal zu, ehe er die Tür öffnet und den Raum verlässt.

      Kaum allein, lässt sich Jamon auf einen der Sessel sinken und kann es nicht mehr verhindern, dass seine Hände zittern. Mit abwesendem Blick sieht er auf seine Finger, die er einfach nicht dazu bringen kann, sich ruhig um die Teetasse zu legen. Seine Augen brennen und auf einmal hält er es in dem zu warmen Zimmer nicht mehr aus.

      Hastig zieht er sich die Schuhe an und rennt an Kimi vorbei nach draußen. Blind für seine Umgebung eilt er durch die Gänge, bis er sich auf einmal in den Schlossgärten wiederfindet. Die Luft ist angenehm kühl auf seiner erhitzten Haut, er atmet tief durch und läuft dann langsam über den angelegten Pfad. Leise knirscht der Kies unter seinen Füßen, als er an den Blumenbeeten vorbei zu dem kleinen weißen Pavillon geht. Er steigt die drei Stufen hoch. Auf der anderen Seite der überdachten Plattform stützt er sich am Geländer ab und blickt auf die Stadt hinunter, die sich am Fuß des Kapitols ausbreitet. Er lässt seinen Blick schweifen, sieht die anderen Hügel, auf denen sich die Villen der Oberschicht befinden, und verspürt Sehnsucht nach Blacky und Rocky. Sehnsüchtig lächelnd blickt er in den Himmel. Als er hinter sich ein Geräusch hört, fährt er herum.

      Entschuldigend hebt Seimon die Hände. »Verzeiht, mein Pharao. Ich wollte Euch nicht erschrecken.« Langsam betritt er den Pavillon und stellt sich neben Jamon. »Eine schöne Aussicht, aber nichts gegen den Blick, den man vom Palast aus über Theben und die Wüste hat.« Ohne den Kopf zu drehen, beobachtet er aus den Augenwinkeln heraus den jungen Mann, der mit versteinerter Miene dasteht. »Mein Pharao? Woran denkt ihr?«, wagt er leise zu fragen.

      Jamon seufzt und fährt sich mit der Hand durch die Haare. »Ich denke daran, dass ich diese Aussicht und auch die in Theben sofort gegen einen kleinen Stall und einen Hinterhof in Izusan eintauschen würde.« Wieder in den Himmel blickend, grinst er bitter. »Dabei müsste ich mir Gedanken darüber machen, wie ich einen Krieg verhindere, meinen Onkel vom Thron stoße und nebenbei meine Schwester vor einer Hochzeit bewahre, die sie nicht will.«

      Seimon blickt nachdenklich auf die Stadt zu ihren Füßen. »War es ein Fehler, dass wir gekommen sind und Euch aus der Sklaverei befreit haben?«, stellt er die Frage, die ihn schon beschäftigt, seit er beobachtet hat, wie sich der Pharao von diesen einfachen Leuten verabschiedete.

      Ratlos hebt Jamon die Schultern an. »Ich weiß es nicht. Als meine Erinnerung zurückgekehrt ist, habe ich mir nichts mehr gewünscht, als frei zu sein und die Möglichkeit zu haben, meine Schwester wiederzusehen. Nun jedoch wünsche ich mich zurück zu meinem Sharik. Ich bin mit dem ganzen Prunk hier überfordert. Er stößt mich ab und dann muss ich auch noch die Tatsache akzeptieren, dass ich einen eigenen Sklaven habe.« Seine Finger krampfen sich um das Geländer, als sein Körper erbebt. »Ich will schreien und toben, dem Jungen da draußen sagen, dass er mich nicht bedienen soll, Hadrian an den Kopf werfen, dass Sklaverei abartig ist! Ich will ihm klar machen, dass es falsch ist, wie das einfache Volk behandelt wird!«

      Schweigend hört Seimon zu, während er über die Stadt blickt. »Ihr wart schon immer anders in Euren Ansichten. Vermutlich, weil Ihr einen Großteil Eurer Kindheit von einer ehemaligen Sklavin erzogen worden seid. Ich habe das nie als Nachteil angesehen. Im Gegenteil, Ihr hattet immer einen sehr klaren Blick auf Euer Volk«, sagt er schließlich mit der ihm eigenen ruhigen Art. »Jedoch müsst Ihr aufpassen, dass Ihr die anderen Herrscher und die Mitglieder der regierenden Klassen mit Euren Worten nicht vor den Kopf stoßt. Ihr braucht sie, um den Thron wieder zu besteigen und Eure Herrschaft zu festigen.« Lange schweigt er, als aber Jamon nichts darauf erwidert atmet er tief durch. »Es ist normal, dass Ihr wieder zurück zu Eurem Liebsten wollt und Euch wie zerrissen fühlt, vielleicht sogar schuldig. Das Gefühl wird vergehen, sobald Ihr wieder Euren gewohnten Platz eingenommen habt.«

      Jamon senkt den Blick. Er glaubt nicht daran. Dafür ist ihm das alles hier zu sehr zuwider. »Wie Ihr meint, Hohepriester«, sagt er nur und strafft sich. Ruckartig dreht er sich um und verlässt den Pavillon. Mit weit ausgreifenden Schritten geht er durch den Garten zurück zum Palast.

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