Der Wüstensklave. J. D. Möckli
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Читать онлайн книгу Der Wüstensklave - J. D. Möckli страница 9
»Sehr gern, Kaiser.« Leicht neigt Jamon wieder sein Haupt, als er an dem Älteren vorbei geht und dann vor dem einen Sessel stehen bleibend darauf wartet, dass sich ihr Gastgeber setzt.
Erst als sich Hadrian zurücklehnt, setzt auch Jamon sich hin, gefolgt von Hazem und schließlich Seimon.
Für einen Moment herrscht eine schon beinahe ohrenbetäubende Stille zwischen ihnen, bis sich der Kaiser bewegt und einen Knopf drückt, um das Personal zu rufen. »Bringt Kaffee und Gebäck!«, befiehlt er mit kalter Stimme, als ein Diener sich vor ihnen verneigt.
»Natürlich, mein Kaiser«, erwidert der junge Mann und winkt seine bereitstehenden Kollegen herein, die schon vorbereiteten Tablets zu bringen.
»Lasst uns allein!«, schnarrt Hadrian, als alles serviert ist.
Sofort huschen die Diener mit gesenkten Blicken wieder rückwärts aus dem Raum.
Kaum sind sie allein, greift Hadrian nach seinem Kaffee. »Also. Wo wart Ihr die letzten sechs Jahre und warum seid Ihr heimlich wie Verbrecher in mein Land und meinen Palast gekommen?« Antworten verlangend, sieht er Jamon mit stechendem Blick an.
Dieser trinkt einen Schluck von seinem Kaffee und muss sich beherrschen, nicht das Gesicht zu verziehen, dabei hat er das leicht bittere Getränk einst jeden Morgen mit viel Genuss getrunken. Die Tasse wieder auf den kleinen Untersetzer stellend, wendet er sich dem Kaiser zu. »Nach meinem letzten Besuch bei Euch ist mein Flugzeug über der Wüste abgeschossen worden. Ich habe überlebt, jedoch erlitt ich eine Amnesie und geriet in die Sklaverei. Ich wurde ins japanische Großreich verschleppt und habe erst vor einigen Monaten meine Erinnerungen wiedererlangt. Erst durch Hohepriester Seimon und Prinz Hazem habe ich meine Freiheit zurückerhalten. Jetzt sitze ich hier und bitte Euch um Hilfe, meinem Onkel den unrechtmäßig besetzten Thron wieder zu entreißen.« Mit absolut ruhiger Stimmer erzählt Jamon so knapp wie nur möglich, was damals passiert ist. Er will unter allen Umständen vermeiden, zu viel zu verraten. Nicht einmal sein Blick verrät, wie es in seinem Innern aussieht, dass er am liebsten schreien und toben würde, wenn er nur daran denkt, was ihm angetan worden ist.
Hadrian mustert den jungen Pharao und versucht zu ergründen, ob das Gehörte der Wahrheit entspricht. »Eine unglaubliche Geschichte. Habt Ihr einen Beweis für das, was Euch widerfahren ist?« Er hat die Fingerspitzen aneinandergelegt und wirkt augenscheinlich entspannt, so zurückgelehnt, wie er da sitzt. Erstaunt hebt er die Augenbrauen an, als Jamon nur wortlos aufsteht, das Lederband von seinem Oberarm entfernt und es auf den Tisch legt. Er bemerkt das leichte Zittern der Finger, als sie sich um den Saum des Pullovers schließen, bemerkt das kurze Zögern, ehe Jamon den Pullover auszieht und sich dann zu ihm umdreht. Scharf zieht er den Atem ein, als er die kaum verheilte, in die Haut gebrannte Taube sieht, die über dem Ankh ihre Flügel spreizt.
Jamon spürt die Blicke des Kaisers auf seiner Haut, die ihn zu verbrennen scheinen, dennoch steht er mit hoch erhobenem Kopf da. »Reicht Euch das als Beweis, Kaiser Hadrian?« Langsam dreht er sich um und zieht sich den Pullover wieder an. Ohne eine Gefühlsregung zu zeigen, greift er nach dem Lederband mit dem eingebrannten Stempel der Mutsuos. Sanft fährt sein Daumen über das Zeichen, als er sich das weiche Leder wieder um den Oberarm legt. »Ich muss das Sklavenband noch eine Weile tragen, bis ich es endgültig ablegen kann.« Der Gedanke daran, dieses einst so verhasste Leder nicht mehr zu spüren, erschreckt ihn nun seltsamerweise.
Mit fließenden Bewegungen setzt sich Jamon wieder hin und greift nach seiner Tasse. Er trinkt einen Schluck und nimmt sich eins der Gebäckstücke, behält es allerdings in der Hand, ohne abzubeißen.
Hadrian will etwas sagen, muss sich aber erst mehrmals räuspern, ehe ihm seine Stimme wieder gehorcht. Schon seit Jahren hat ihn nichts mehr so schockiert, wie der Anblick des Brandmals auf hochherrschaftlicher Haut – der Haut eines Gleichgestellten. »Wisst Ihr, was damals genau passiert ist?«, bringt er schließlich hervor.
Nun räuspert sich Seimon. »Hoheit, wenn Ihr erlaubt?« Fragend sieht er Hadrian mit leicht gesenktem Blick an, bis dieser ihm mit einem knappen Nicken das Wort erteilt. »Vielen Dank«, sagt er respektvoll. »Was damals genau passiert ist, liegt im Dunkeln. Es wurden zwar Vermutungen geäußert, aber alle, die es wissen könnten, sind für uns nicht erreichbar. Wir haben erst vor Kurzem erfahren, dass unser geliebter Pharao noch lebt und uns sofort auf den Weg gemacht, um ihn zu finden.«
Hadrian hebt die Hand, um Seimon am Weitersprechen zu hindern. »Das ist ja gut und schön. Aber ich will wissen, was passiert ist! Diese Frage habt Ihr nicht beantwortet, Hohepriester!« Ungeduldig tippt er die Fingerspitzen gegeneinander.
»Es gibt Menschen, die wissen, was damals passiert ist«, hört Jamon sich nun sprechen. »Die Sklaven und der amtierende Pharao wissen Bescheid. Die Frage ist jedoch, ob die Sklaven noch leben. Immerhin sind inzwischen mehr als sechs Jahre vergangen.«
Irritiert runzelt Hadrian die Stirn. »Warum die Sklaven? Wie sollen die wissen, was wir entscheiden und was im Geheimen besprochen wird?«
Jamon lächelt milde. »Kaiser Hadrian … Die Sklaven sind, wie soll ich es sagen … unsichtbar. Sie werden nicht wahrgenommen, solange sie nicht direkt gebraucht werden oder bestraft werden müssen. Wisst Ihr zum Beispiel, wie viele Sklaven die Pflanzen im Garten mit Wasser besprühen?« Obwohl es ihm Mühe bereitet, sieht er den Kaiser direkt an, der unwillkürlich zum offenen Fenster blickt. »Warum sollte ich das wissen? Dafür ist mein Haus- und Hofmeister zuständig!«
Mit einem wissenden Gesichtsausdruck nickt Jamon. »Ja, aber wenn ein Sklave härter bestraft werden muss, werdet Ihr informiert. Dann taucht der Sklave aus dem Dunkel der Katakomben auf. Vorher habt Ihr ihn vermutlich nicht einmal wahrgenommen, wenn Ihr im Garten an ihm vorbeigegangen seid. Aus diesem Grund hören und sehen Sklaven deutlich mehr, als Euch bewusst ist.«
Mit einer nachdenklichen Miene reibt sich Hadrian das Kinn. »Ihr könntet recht haben«, gibt er widerwillig zu. »Ich achte wirklich nur selten darauf, ob sich ein Sklave in meiner Nähe befindet, wenn ich allein oder in Begleitung im Garten unterwegs bin.«
Ein Klopfen warnt sie vor, ehe sich die Tür öffnet und Hauptmann di Modena den Raum betritt. Tief verneigt er sich vor dem Kaiser und vor Jamon, ehe er sich mit hinter dem Rücken verschränkten Armen hinstellt. »Mein Kaiser. Ich sollte Euch an Euren Termin mit den Abgesandten aus den nördlichen Gebieten erinnern.«
»Danke, Hauptmann. Lasst sie in den grünen Audienzsaal bringen und dann informiert Hofmeister Catlan darüber, dass für unsere Gäste Räumlichkeiten im Westflügel hergerichtet werden müssen.«
»Wie Ihr wünscht, mein Kaiser.« Noch einmal verneigt er sich, bevor er, rückwärts den Raum verlassend, die Tür hinter sich schließt.
Hadrian seufzt. »Leider ist mein restlicher Tag mit Terminen ausgefüllt.« Majestätisch erhebt er sich aus seinem Sessel, woraufhin auch Jamon aufsteht, gefolgt von Hazem und Seimon. »Pharao Nesut-anch-Ra. Ich werde meine Termine so legen lassen, dass wir morgen in aller Ruhe miteinander sprechen können. Bis dahin ruht Euch aus und zögert nicht, meine Bediensteten und Sklaven in Anspruch zu nehmen. Natürlich seid Ihr, der Prinz und der Hohepriester meine Gäste.«
Jamon neigt wieder den Kopf. »Ihr habt unseren Dank. Mir ist bewusst, dass die Lage äußerst schwierig und angespannt ist. Jedoch bin ich sicher, dass wir mit vereinten Kräften eine Lösung finden werden.« Nun wieder mit hoch erhobenen Haupt, sieht er in die grauen Augen des Kaisers.