Vater Goriot. Honore de Balzac
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»Christoph,« rief Vater Goriot, »komm, geh mit mir hinauf!« Christoph folgte dem Vater Goriot und kam bald wieder herunter.
»Wohin gehst du?« fragte Frau Vauquer ihren Hausknecht. »Eine Besorgung machen für Herrn Goriot.« »Was ist denn das da?« sagte Vautrin und riß Christoph einen Brief aus der Hand, dessen Aufschrift er laut vorlas: »›An die Frau Gräfin Anastasia von Restaud.‹ Und du gehst … ?« fragte er, Christoph den Brief zurückgebend. »In die Rue du Helder. Ich habe Auftrag, den Brief nur der Gräfin selbst auszuhändigen.« »Was mag drin sein?« sagte Vautrin, den Brief gegen das Licht haltend; »eine Banknote? Nein.« Er öffnete den Umschlag ein wenig. »Ein eingelöster Wechsel!« rief er. »Teufel, er ist galant, der Alte! Geh, du Schlingel,« sagte er, mit seiner großen Hand Christoph so derb in die Haare fahrend, daß sich dieser wie ein Kreisel drehte, »du wirst ein schönes Trinkgeld kriegen.«
Der Tisch war gedeckt. Sylvia ließ die Milch kochen. Frau Vauquer heizte den Ofen, und Vautrin half ihr dabei und summte:
»Ich hab mich weit umhergetrieben,
Um mir die Weiber zu beschaun … «
Als alles fertig war, kamen Frau Couture und Fräulein Taillefer nach Hause.
»Wo waren Sie denn schon so früh am Morgen, verehrte Dame?« wandte Frau Vauquer sich an Frau Couture. »Wir haben in Saint-Étienne du Mont unsere Andacht verrichtet, müssen wir doch heute zu Herrn Taillefer gehen. Die arme Kleine, sie zittert wie Espenlaub«, sagte Frau Couture und setzte sich an den Kamin, um ihre dampfenden Schuhe zu trocknen. »Wärmen Sie sich doch auch, Viktorine!« sagte Frau Vauquer. »Es ist recht, Fräulein, daß Sie Gott bitten, das Herz Ihres Vaters zu erweichen«, sagte Vautrin, der Waise einen Stuhl hinschiebend. »Aber das genügt nicht. Sie bedürfen eines Freundes, der es übernähme, diesem Schmutzian die Meinung zu sagen – diesem Geizkragen, der drei Millionen haben soll und Ihnen keine Mitgift gibt. Auch ein hübsches Mädchen braucht heutzutage eine Mitgift.« »Armes Kind!« sagte Frau Vauquer; »geben Sie acht, Kleine, Ihr Ungeheuer von Vater wird noch mit Absicht das Unglück auf sich herabrufen!« Bei diesen Worten füllten sich Viktorines Augen mit Tränen, und die Witwe hielt auf ein Zeichen Frau Coutures inne.
»Wenn wir ihn nur sehen könnten, wenn ich ihn sprechen, ihm den letzten Brief seiner Frau übergeben könnte!« erwiderte die Beamtenwitwe. »Ich habe nie gewagt, den Brief der Post anzuvertrauen; er kennt meine Handschrift … « »O Frauen, unschuldige, unglückliche und verfolgte Frauen!« fiel Vautrin ihr ins Wort; »so schlimm steht es mit euch? In einigen Tagen werde ich mich Ihrer Angelegenheit annehmen, und alles wird gut gehen.« »O mein Herr,« sagte Viktorine und warf Vautrin einen feuchten und doch brennenden Blick zu, »wenn Sie ein Mittel wüßten, zu meinem Vater zu gelangen, so sagen Sie ihm, daß seine Zuneigung und die Ehre meiner Mutter mir kostbarer sind als alle Reichtümer der Welt. Wenn Sie es erreichten, ihn ein wenig milder zu stimmen, – ich würde für Sie zu Gott beten. Seien Sie überzeugt, daß meine Dankbarkeit … «
»Ich hab mich weit umhergetrieben … «
sang Vautrin mit ironischem Tonfall.
Goriot, Fräulein Michonneau und Poiret traten jetzt ein, vermutlich von dem Duft der braunen Butter angelockt, mit der Sylvia den Rest des Hammelbratens anrichtete. Man begrüßte einander und setzte sich zu Tisch; es schlug zehn Uhr. Man hörte von der Straße her den Schritt des Studenten.
»Ah, guten Tag, Herr Eugen,« sagte Sylvia, »heute werden Sie ja mal mit allen andern frühstücken.«
Der Student begrüßte die Pensionäre und nahm neben Vater Goriot Platz.
»Ich habe soeben ein merkwürdiges Abenteuer erlebt«, sagte er, indem er sich ein kräftiges Stück Braten nahm und eine Scheibe Brot abschnitt, die Frau Vauquer wie immer mit entsetzten Blicken maß. »Ein Abenteuer?« fragte Poiret. »Weshalb sind Sie darüber verwundert, altes Haus?« sagte Vautrin zu Poiret; »der Herr sieht doch wohl danach aus, als könnte er Abenteuer haben.«
Fräulein Taillefer warf einen schüchternen Blick auf den jungen Studenten.
»Erzählen Sie uns Ihr Abenteuer!« bat Frau Vauquer.
»Ich war gestern auf dem Ball der Frau Vicomtesse von Beauséant, meiner Cousine, die ein prachtvolles Haus besitzt, Zimmer, die mit Seide tapeziert sind, – kurz, sie gab uns ein glänzendes Fest, und ich habe mich unterhalten wie ein König … « »Zaun … «, fiel Vautrin ihm ins Wort. »Mein Herr,« erwiderte Eugen heftig, »was wollen Sie damit sagen?« »Ich sage Zaun… , weil die Zaunkönige sich viel besser unterhalten als die Könige.« »Ja, das ist wahr, ich wäre lieber solch ein kleiner sorgloser Vogel als ein König, weil … «, sagte Poiret, der Jasager. »Also,« schnitt ihm der Student die Rede ab, »ich tanzte mit einer der schönsten Frauen, einer entzückenden Gräfin, dem herrlichsten Geschöpf, das ich je gesehen habe. Sie hatte ein Diadem von Pfirsichblüten und im Gürtel den allerschönsten Blumenstrauß, – lebende Blumen, die dufteten; aber ach, Sie hätten sie sehen sollen; es ist unmöglich, eine Frau zu schildern, die vom Tanzen angeregt ist! Also heute morgen bin ich der göttlichen Gräfin begegnet; es war neun Uhr, und sie ging zu Fuß durch die Rue des Grès. Oh, mein Herz schlug, ich stellte mir vor … « »Daß sie hierher käme«, sagte Vautrin, dem Studenten einen scharfen Blick zuwerfend; »sie ging wahrscheinlich zu Papa Gobseck, dem Wucherer. Wenn Sie jemals die Herzen der Pariserinnen durchforschen, so werden Sie darin zunächst den Wucherer und dann erst den Geliebten finden. Ihre Gräfin heißt Anastasia von Restaud und wohnt Rue du Helder.«
Der Student sah Vautrin starr an. Vater Goriot hob hastig den Kopf und warf den beiden Sprechern einen hellen und beunruhigten Blick zu, der die Pensionäre erstaunte.
»Christoph wird zu spät kommen, sie ist also schon hingegangen!« rief Goriot schmerzlich aus.
»Ich habe es erraten«, sagte Vautrin leise zu Frau Vauquer.
Goriot aß mechanisch und ohne zu wissen, was. Nie hatte er dümmer und geistesabwesender ausgesehen als jetzt.
»Wer, zum Teufel, hat Ihnen ihren Namen sagen können, Herr Vautrin?« fragte Eugen. »Ja … « entgegnete Vautrin, »Vater Goriot wußte ihn … der! Weshalb hätte ich ihn nicht wissen sollen!« »Herr Goriot?« rief der Student. »Wie?« sagte der arme Alte! »sie war also sehr schön gestern?« »Wer?« »Frau von Restaud.« »Sehen Sie den alten Lump,« sagte Frau Vauquer zu Vautrin, »wie seine Augen sich beleben!« »Er hält sie also aus?« flüsterte Fräulein Michonneau dem Studenten zu. »O ja, sie war rasend schön!« erwiderte Eugen, den Vater Goriot begierig anblickte. »Wäre Frau von Beauséant nicht, meine göttliche Gräfin wäre die Königin des Festes gewesen; die jungen Leute hatten nur Augen für sie; ich war der zwölfte auf ihrer Tanzkarte, sie tanzte alle Kontertänze. Die andern Frauen ärgerten sich wütend. Wenn eine gestern glücklich gewesen ist, so war sie es. Man hat sehr recht, zu sagen, daß es nichts Schöneres gibt als ein Schiff unter Segel, ein Pferd im Galopp und ein Weib beim Tanz.« »Gestern hoch oben auf der Glücksleiter, bei einer Herzogin,« sagte Vautrin, »heute morgen tief unten, bei einem Wucherer: da hat man die Pariserin! Kann der Gemahl ihren zügellosen Luxus nicht bezahlen, so verkauft sie sich. Hat sie dazu Geschick, so raubt sie