Mai way. Thomas Häring
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Thomas Häring
Mai way
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Inhaltsverzeichnis
01.05.
Wir lagen an einem Strand in der Sonne und erholten uns vom ach so anstrengenden Nichtstun. „Was willst Du mehr?“ schwärmte mein bester Freund, doch ich hatte ihn mal wieder falsch verstanden. „Hey, Alter, wieso pöbelst Du das Meer an? Was hat es Dir denn getan?“ erkundigte ich mich leicht verärgert. „Hä? Was redest Du da schon wieder für einen Quatsch?“ wunderte er sich. „Aber Du hast doch gerade „was willst Du, Meer?“ gefragt.“ Es waren diese wunderschönen Kommunikationsstörungen, die unser Leben so lebenswert machten, aber dann mußte ich ihm das mitteilen, was ich lieber für mich behalten hätte. „Ich habe Krebs.“ „Ich auch“, meinte er grinsend und deutete auf eines jener possierlichen Tierchen, die da um uns herum krabbelten. Manchmal verfluchte ich unsere Ernstlosigkeit, doch andererseits machte sie das Leben auch sehr oft wesentlich leichter, jedoch leider nicht in diesem Fall. „Ich habe wirklich Krebs“, wiederholte ich und er starrte mich entsetzt an, woraufhin ich schallend zu lachen begann. „Ach, ich verstehe, das war wieder einer Deiner mißglückten Scherze“, bemerkte er erleichtert, doch ich entgegnete: „Tumor ist wenn man trotzdem lacht.“ Schön langsam wurde ich ihm unheimlich. „Beginnst Du jetzt schon damit, bei Dir selbst zu klauen?“ forschte er. „Wie meinst Du das?“ „Spielt keine Rolle. Hast Du wirklich Krebs?“ „Ja, ich hasse Krebs.“ „So kommen wir nicht weiter“, fand er, drehte sich um und ließ sich von der Sonne braten. Ein bißchen mehr Mitgefühl hätte ich mir schon gewünscht, aber vielleicht war es ja auch besser so. „Die Bestie kommt zum Schluß“, murmelte er verschlafen und ich erschrak. „Du hast meine Schwiegermutter gesehen? Wo?“ Darauf bekam ich keine Antwort mehr, denn mein bester Freund, der genausogut mein schlechtester Feind sein hätte können, war weggedöst und ich dachte an meine Schwiegermutter, die mir nie verziehen hatte, daß ich seinerzeit ihre Tochter geehelicht hatte, denn sie hatte immer die Auffassung vertreten gehabt, daß ich etwas Besseres verdient hätte, nämlich sie. Dummerweise hatte ich an ihr nie ein Interesse gehabt, auch wenn ihre Logik durchaus nachvollziehbar gewesen war. Sie argumentierte nämlich damit, daß ich mich ja in ihre Tochter verliebt hätte, was bedeutete, daß ich auch auf sie stehen könnte, weil sie ja jener das Leben geschenkt hatte. Daraufhin hatte ich damit begonnen, irgend etwas von inneren Werten zu faseln, woraufhin sie auf ihre ausgezeichneten Blut-, Leber- und Cholesterinwerte verwiesen hatte. Es war auch wieder so eine Kommunikation gewesen, die ins Nichts geführt hatte, denn sie wollte mich und ich konnte sie nicht verstehen. Nachdem ich ihre Avancen zurückgewiesen hatte, machte sie meiner Frau und mir unser Leben zur Hölle und man muß neidlos anerkennen, daß sie auf diesem Gebiet doch sehr begabt war. Jedenfalls hatte sie mich diverse Male angezeigt gehabt, meinen schlechten Ruf noch mehr in den Schmutz gezogen und wenn ich vor jemandem mehr Angst hatte als vor dem Tod, dann war sie es. Andererseits wußte ich ja nun, daß ich bald sterben würde und faßte deshalb neuen Mut, denn was hatte ich jetzt noch zu verlieren? Auf einmal wachte mein bester Freund auf, schaute mich verschlafen an und erwähnte: „Du, ich hatte gerade einen schrecklichen Alptraum, in dem Du mir erzählt hast, daß Du Krebs hättest.“ „Willkommen in der Wirklichkeit!“ begrüßte ich ihn und er fiel aus allen Wolken, was ich gar nicht schlecht fand, denn er lebte in Wolkenkuckucksheim.
Auf die Idee, einen Feiertag „Tag der Arbeit“ zu nennen und dafür zu sorgen, daß die Leute an jenem Tag frei hatten, konnten wohl wirklich nur die Nazis kommen. Na ja, heutzutage sollte man wohl eher darüber nachdenken, ob man nicht einen „Tag der Arbeitslosigkeit“ einführen sollte oder man könnte veranlassen, daß wenigstens die Arbeitslosen am „Tag der Arbeit“ arbeiten müßten. Wie auch immer, jeder freie Tag und Feiertag wurde dankbar angenommen, außer von denen, die ohnehin jeden Tag frei hatten. Einmal mehr schwebten die schwarzen Wolken einer Wirtschaftskrise über das Land, dieses Mal ausnahmsweise gleich mit über die ganze Welt, doch so richtig ernst nehmen konnte ich das ganze Theater ohnehin nicht, denn es wiederholte sich alle paar Jahre und dazugelernt wurde eh nie etwas. Deshalb beschäftigte ich mich viel lieber mit meiner eigenen unwürdigen Existenz und fragte mich, ob es ein Leben nach dem Tod gäbe. Geschichte wiederholte sich also doch, denn damals im Mutterleib hatte ich mich als intellektueller Embryo auch schon gefragt, ob es denn ein Leben nach der Geburt geben würde. Jedenfalls behandelte mich mein bester Freund auf einmal besser als je zuvor, denn er wollte wahrscheinlich, daß ich einen sehr guten Eindruck von ihm mit ins Grab nehmen würde. Ich dagegen führte mich auf wie die größte Sau, ich provozierte und agitierte, beschimpfte und bepöbelte was das Zeug hielt, aber niemand regte sich darüber auf, denn ich trug eines dieser wunderbaren „Ihr könnt mich alle mal ... an meinem Grab besuchen, denn ich hab Krebs“-T-Shirts, so daß die Leute sofort wußten, wie sie mich zu behandeln hatten. Mit der Zeit stellte ich fest, daß es Krebspatienten in dieser Gesellschaft ziemlich leicht haben, denn sie werden in Ruhe gelassen, da die Leute wohl glauben, es würde sich beim Krebs um eine ansteckende Krankheit handeln und man geht rücksichtsvoller mit ihnen um. Und da saßen wir dann zusammen am Tisch: Mein bester Freund, seine beste Freundin und ich. Da ich wußte, was er von ihr wollte und weil ich keinen Bock darauf hatte, irgendwelche Geheimnisse mit ins Grab zu nehmen, eröffnete ich die Konversation folgendermaßen: „Du, Isabell, der Rico würde Dich gerne ordentlich durchficken.“ Sie schauten verlegen zur Seite, doch ich legte nach: „Der hat gemeint, daß Du noch ein paar gute Jahre hättest und dann wärst Du ohnehin ein Fall für den Schönheitschirurgen.“