Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf. Heinrich Mann

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Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf - Heinrich Mann

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um, nur schnell dazwischen!« Er setzte sich in eines der kleinen Fahrzeuge und sauste hinab, in Spiralen, schnell und unendlich wie Gedanken. Er dachte auf der Fahrt: »Sie töten sich. Das ist bei uns Menschen der Anfang, die ersten Beziehungen, die Spur.« Auflodernd haßte er Mangolf. Wo war jetzt Mangolf mit Lea, – deren Tod er war. Schwester! Ihr Gesicht in den Gesichtern der anderen Frauen, der Gräfin, der Frau von drüben, – und jene Nacht am Hafen, als eine andere, wie heute diese, an seiner Brust lag in der Nähe fließenden Blutes! So hing denn alles zusammen auf der schwindelnden Nachtfahrt, die wir machen; ging eins in das andere über, wie Spiralen, und führte in das Leere ... Da fuhr er unten auf.

      Die Ringer lagen und zuckten nur noch in ihrem Blut. Terra umkreiste sie entsetzt. Der Stärkere war auf den Schwächeren gefallen, er hatte ihm mit der Eisenstange den Schädel zerschlagen. Aber wie er zuschlug, traf ihn selbst das Messer.

      Von droben klang heller Jubel. Dort stand die Gräfin und winkte. Jung, hochgemut, unangreifbar und ohne zu begreifen, sah sie herab auf das Sterben.

      Hochatmend vom Rausch der Abfahrt war sie da und fragte: »Ist es alle Nächte so? Soll dies sein?«

      »Verdammt«, sagte Terra und regte sich wieder. »Wir täten gut, Gräfin, von hier zu verduften.«

      Er nahm sie beim Arm und machte Schritte, daß sie laufen mußte. Nach kurzem Laufen weigerte sie sich. Sie hatte ein beleidigtes Damengesicht und ging weiter wie es ihr gefiel, in gemessenem Abstand von ihm, der sie ließ. Keiner sprach.

      Vorbei an diesem gefahrdrohenden Lichtkreis, ihn fliehen – wie auf Verabredung. Aber beide zugleich auch stockten. In dem Lampenschein, weißbläulich wie von einem schlechten Mond, lag eine Gestalt, – ach, beide klopfenden Herzen wußten schon, welche. Sie lag mit hart gestreckten Gliedern, die Augen starr offen, – und über ihrem schwarz und schillernd umwundenen Hals stand still ein Schlangenkopf.

      Die Gräfin langte nach seiner Hand, wie nach Verzeihung, wie um zu helfen, hielt ihn fest, der los wollte, zog ihn mit, der verharren wollte über der Toten. Im Gehen, ganz plötzlich, empörte er sich laut. »Wie konnte sie es tun!«

      Die Gräfin fragte so sanft, als sei sie abwesend: »Haben Sie noch keiner Frau gesagt, Sie würden für sie sterben?«

      »Ja, aber nur aus Galanterie«, sagte er, mit den Zähnen klappernd.

      Die Gräfin fühlte: »Der Wagen! Mein Bett! Wie komme ich hierher?«

      Uns vor den Füßen haben zwei Menschen sich ins Jenseits befördert«, dachte Terra. »Wir haben dasselbe Blut auf den Schuhen, edelste Gräfin. Das der Schlangenbändigerin haben wir sogar auf dem Gewissen.« Er folgte ihr im Geist mit einer Art grausigen Frohlockens. »Die wird an mich denken.«

      Nach dem Verbleib Mangolfs fragte er nicht mehr, so sicher war er, daß Mangolf seinem Minister nach, wenn nicht vorausgereist sei. Aber er selbst verkaufte sein Karussell und machte sich reisefertig. Wozu? fragte er, als es geschehen war.

      Am gleichen Abend beim Wein, in einer abgelegenen Kneipe, erfolgte das Geständnis. »Auch ich werde an sie denken.« Er sah, daß er sein Zelt abgebrochen hatte, um dorthin zu fahren, wo sie weilte, – ohne anderen Zweck als eben sie. Die Erkenntnis kam überraschend. Terra empfing sie geduckt, die Stirn verschwand unter Falten, in den Augen flackerte Hohn. Ein anderer einsamer Gast ward angesichts dessen unruhig.

      Terra bemerkte ihn erst jetzt, obwohl sie an dem einzigen beleuchteten Tisch einander gegenüber saßen. Beim Rockschoß holte er den Flüchtling von der Tür zurück in den Lichtkegel und sagte klangvoll: »Erschrecken Sie nicht, mein Herr, Sie sind an keinen Irrsinnigen geraten.« – »Um Gotteswillen«, sagte der andere. Eine selbst wohl noch unfertige Existenz, beruflich zwischen Dentist und Agent gelagert, – Terra fragte nicht lange, stellte sich vor und setzte den neuen Vertrauten eigenhändig auf seinen Platz zurück. »Waren Sie schon einmal verliebt?« fragte er, – worauf jener erleichtert »prost« sagte.

      Terra vollzog gewissenhaft den Trinkakt, seine Augen aber irrten ab. »Dann werden Sie wissen«, äußerte er, »unversehens verschiebt sich das Bild des Herzens. Schon deckt es sich nicht mehr ohne Rest mit dem der Frau von drüben, der Dirnenfürstin Lili.« – »Ach so, Sie wollen heiraten«, warf der Vertraute ein. Terra lachte auf. »Haha, heiraten doch Sie, wenn Sie können, einen geistreichen Blick, einen unfaßbaren Hochmut und ein nicht vorhandenes Herz!«

      »Es ist wohl eine Gräfin?« bemerkte der Vertraute und kicherte bedenklich. »Lassen Sie sich auf solche Mädchen nicht ein, wenn Sie vielleicht auch Künstler sind.«

      »Sie sind ein erfahrener Mann.« »Ich, wie Sie mich sehen, habe so einer geschrieben, auf ihr Heiratsgesuch in der Zeitung. Sie schickte mir sogar ihr Bild, es war aber das Bild der verstorbenen Königin von Serbien.«

      »Und konnten Sie seither keinen Zusammenhang feststellen zwischen der ermordeten Königin und Ihrer eigenen Person?«

      »Ich bin nicht verrückt.«

      »Das gibt das Schicksal keinem schriftlich«, – und Terra bohrte seinen glühenden Blick in das erschreckte Gesicht. Der Vertraute schielte begehrlich nach der Tür. Da er nicht hoffen durfte sie zu erreichen, machte er sich klein hinter dem Tisch.

      »Ist es nicht vielmehr der Irrsinn in Person,« rief Terra ihm zu, »daß Sie das Gottesgeschenk Ihres Daseins auf ein und demselben Karussell verfahren, immer im Kreis und taub gegen alles, was nicht Ihr schlechter Leierkasten spielt?«

      »Erlauben Sie – das meinen Sie bildlich.«

      »Treiben Sie selbst das Karussell, da können Sie was erleben.«

      »Aha, jetzt kommt es.«

      »Sie wissen schon im voraus, was ich beschließe? Der Himmel wird noch so viel Einsehen haben, mich davor zu bewahren, daß ich unter Ihren Einfluß gerate!« Terra richtete sich drohend auf. Der Vertraute verschwand zur Hälfte unter dem Tisch.

      »Am stärksten war euer Einfluß, wenn ich es mit dem Aufgebot übermenschlicher Kräfte darauf anlegte, euch zu entgehen. Bleibe rein und verzichte, sei ein Spieler, Lächler und halte die Armseligkeit zum Besten,« – wobei er dem Vertrauten zutrank. »Die aufopferndste Weisheit erreicht doch immer nur, was eure Dummheit von Natur hat, sie macht mich zum faulenden Aas.«

      »Oh! oh!« wagte der Vertraute, bemüht, sich einzuschmeicheln. Terra aber verließ seinen Stuhl, nahm Abstand und pflanzte sich auf, gedrungen und mit eherner Miene, um zu sagen:

      »Herrschen!« – knirschend und rollend: »Herrschen zum Ruhme Gottes! Geschäfte kann man nur mit der bestehenden Gesellschaftsordnung machen.«

      Da erhob sich auch der Vertraute, mit ausgestreckter Hand nach Anschluß suchend. »Auch ich wähle nationalliberal!«

      Terra hielt die Hände hinter sich auf der Wand, er ward leiser, ihm schien es zu schaudern. »Man will nicht zeitlebens ein Schatten bleiben, der die Leute erschreckt und den sie liegen lassen. Das Ungemeine eröffnet sich uns, damit wir um es kämpfen.«

      »Jetzt meinen Sie wieder die Gräfin.«

      Terra setzte sich in Bewegung. »Es wäre kein Witz dabei, wenn nicht im Leben das phantastischeste Ziel den stärksten Atem lieferte. Da arbeitet es sich, wirkt es sich, erstrebt es sich Fernen, die alle näher liegen als die eine.«

      Der

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