Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf. Heinrich Mann

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Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf - Heinrich Mann

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Direktor eröffnete ihm aber kurzweg, wie sein Reklamechef sich zu verhalten habe. »Er soll sie nicht nur machen, er soll sie auch sein.« Das Publikum hatte aus dem Verkehr mit Terra den untrüglichen Eindruck zu gewinnen, daß jedermann Gott danken müsse, geboren zu sein, weil er so die Gelegenheit erhalten habe, sein Geld in die Generalagentur für das gesamte Leben zu tragen. »Lassen Sie sich nie, und wenn es tote Katzen regnet, durch Sachlichkeit beirren. Gut ist, was Erfolg hat. Für den Erfolg werden Sie bezahlt.«

      »Wie hoch?« fragte Terra. Der Direktor zuckte nicht. »Ihr Posten«, sagte er, »ist eine Neuerung, sogar die wichtigste in der Geschichte des reinen Geistes. Es ist erreicht, er wird dem gesamten Leben nutzbar gemacht.«

      »Ihre Generalagentur, Herr von Praß, verlangt von sich das Höchste.«

      »Sie haben nichts, stellen nichts vor und treten an die Dinge mit sittlichen Forderungen hinan. Sie sind genau das, was man jetzt anfängt, einen Intellektuellen zu nennen.«

      »Sie haben ein zu gesundes Selbstbewußtsein, Herr Direktor, um sich zu verhehlen, daß auch der Schwindel eine geistige Leistung ist«, sagte Terra scharf. Der Direktor, ohne zu zucken: »Die besonderen Hemmungen des Intellektuellen, die Herrn Kurschmied belasten, stören Sie nicht. Sie werden weit kommen. Voraussetzung ist –«

      »Voraussetzung sind wenigstens hundertfünfzig Mark monatlich«, sagte Terra so ausdrucksvoll, daß der Direktor nicht umhin konnte, es zu verstehen. »Hat Herr Kurschmied etwas zu bemerken?« fragte er, dem Augenschein zum Trotz und mit einer Handbewegung, infolge deren Kurschmied sich schleunigst verneigte und hinter die Polstertür tauchte. »Eine Zigarre?« fragte hierauf der Direktor. Terra sah sich wütend um. Das dreigeteilte Büchergestell enthielt Zigarrenkisten, darunter eine offene, Terra wollte hineinfassen, da stieß er gegen gemalten Stoff. Auch die Bücherrücken saßen darin fest, Atrappe, soweit der Blick reichte. Terra schnellte herum, – aber der Direktor saß da, als sei alles in bester Ordnung, es schien unmöglich, auch nur zu lachen.

      In diesem Augenblick gab das Telephon sein Zeichen. Der Direktor neigte aus seinem Sessel das Ohr gegen die Wand. »Wer untersteht sich?« fragte er barsch. »Was? Wie? Sie sind schon wieder da? Lauter!« Die Person drüben verursachte in der Leitung ein verzweifeltes Getöse, jetzt hatte der Direktor verstanden. »Was ich mache? Alles.« – »Wie? Was?« begann er wieder. »Die Aktien sind nicht zu bekommen? Weiß ich, ist nicht zu machen. Ich natürlich mache es, ich mache alles. Mit Ihrem Geld, sagen Sie? Wieviel? Lauter! Sie können nicht mehr schreien? Wer mir Geld gibt, muß schreien. Siebzig? Weil Sie es sind, siebzigtausend nehme ich. Zahlen Sie an der Kasse!« Er füllte ein Papier aus und trug es hinter die Bücheratrappe. Dann stellte er sich vor Terra auf, er lächelte großartig, indes er mit einer Verbeugung die gesenkten Arme öffnete, als sagte er: »Geschwindigkeit ist keine Hexerei.« Hiernach faßte er Terra ins Auge, in das eine; das andere schloß er. »Wenn nun statt meiner Sie allein soeben hier gewesen wären?« Das weit offene Auge verhieß eine ganze Welt von Durchtriebenheit; wer so angesehen ward, mußte mitschmunzeln. »Und Sie reden von hundertfünfzig Mark«, schloß, der Direktor herumwippend. Terra konnte nur den Kopf senken.

      »Seien wir ernst!« verlangte der Direktor. Er versah sich mit einer Mappe, drehte seinen Sessel dem Kamin zu und legte die Füße auf das Gitter. »Ich gebe Ihnen knapp, kurz, bindend meine Direktiven. Sie haben schöpferisch danach vorzugehen. Aktuell sind heute zwei entscheidende Sachen: die Zulassung an der Börse für unser neuestes Papier – ein Papier, nehmt Alles nur in Allem, hier haben Sie die Unterlagen; und zweitens eine Oper.«

      »Ich werde sie schreiben lassen«, versprach Terra. – »Eine noch unbekannte Oper von hoher Hand soll uns anvertraut werden«, berichtigte der Direktor und zog die Brauen hinauf. »Noch haben wir sie nicht, aber wir müssen sie haben. Sie ist von einer Hand, mit der verbündet wir Weltmacht werden.«

      Terra verneigte sich zum Zeichen, daß er zu verstehen beginne. Der Direktor machte eine Pause, des Eindruckes wegen und um sich vorzubereiten. Inzwischen drehte sich hinter seinem Rücken die Polstertür links. Ein stattlicher Mann in feinem blauen Anzug, mit Bauch, Glatze, blondem Spitzbart, ging sicher und beschwingt hinter die Bücheratrappe, knisterte dort eine Weile mit Papieren und kam wieder hervor, in der Hand, was er gefunden hatte. Der vom Direktor kürzlich ausgefüllte Zettel war es. Der stattliche Mann nahm keine Rücksicht auf Terra. Erst bei der Tür wandte er seine, von fetten Wangen eingeengte Äuglein her und blinzelte witzig. Schon war er fort; und als habe der Hintergrund immer so leer gelegen wie jetzt, wiederholte der Direktor: »Weltmacht«. Er setzte neu an.

      »Zu diesem Zweck bringen wir die Oper im Ausland heraus. Petersburg. Monte Carlo. Wir bearbeiten die Plätze, hier das Material. Ausstrahlen aber müssen wir mit unserer eigenen Presse. Die Schwierigkeit ist, daß offiziell nichts verlauten darf. Ihre Sache, Gerüchte zu verbreiten. Tauchen Sie die Menschheit in ein aufregendes Dunkel. Wer nichts weiß, kann alles wagen.«

      »Mein gewohnter Zustand«, sagte Terra, in dem ein Plan entstand. »Ich mache mich hiermit anheischig, das hohe Meisterwerk an uns zu locken. Wenn in den nächsten vierundzwanzig Stunden nichts Neues geschieht, können Sie mich als hoffnungslos unbegabt zum Teufel schicken.«

      »Das ist meine Absicht. Wer nicht als Sieger anfängt, kommt nie ans Ziel. Zuerst Erfolg – dann meinetwegen Arbeit.«

      Plötzlich setzte der Direktor sich zurecht, er hörte etwas. In der Versenkung rechts entstand ein Rascheln, – und der Direktor, der taub blieb, wenn Geld kam, und auch, wenn es davonlief, hier hörte er. Ein Schritt; ganz leicht und verschwiegen knarrte drunten die Treppe, aber der Direktor war schon auf den Füßen. »Fertig, gehen Sie!« Ein Hut mit Veilchen schwebte herauf. Der Direktor stampfte. Mit seiner Person verdeckte er dem Störer die Aussicht und drängte ihn zur Polstertür links. Bevor sie sich schloß, erspähte Terra noch gelbes Haar und ein Stück Schleier.

      Terra sah sich in einem gut ausgestatteten Schreibzimmer. Auf dem Teppich ging jemand umher, der freche Dickwanst von soeben. Hinter der Glastür drüben war ein Gesumm wie von einer beträchtlichen Anzahl Menschen. Terra hob die Gardine: das Vorzimmer. Er hatte also um die Generalagentur für das gesamte Leben die Runde gemacht. Das Vorzimmer hatte sich bevölkert, zur Qual des gehetzten Seifert. Er sprang von Augenblick zu Augenblick an sein Geländer, um gegen die Menge eine zurückdrängende Gebärde zu machen. Einer, der zu wild tat, durfte in die Öffnung des Schallrohrs brüllen – brüllte aber scheinbar umsonst. Rückwärts standen Wartende mit zuversichtlichen Mienen; in einem rotgesprenkelten Mann, der sich die Hände rieb, ahnte Terra den Glücklichen, der seine siebzigtausend Mark hatte abliefern dürfen.

      Als Terra die Tür öffnete, hielt eine Hand auf seiner Schulter ihn fest. »Meine Name ist Mohrchen«, sagte der Dicke, mit seinen witzigen Äuglein. »Entschuldigen Sie, daß ich vorhanden bin. Dies ist nämlich Ihr Zimmer, darf ich Sie bekannt machen?«

      »Ich danke, es wird mir nicht schwer fallen«, erwiderte Terra, und ohne Pause: »An der Polstertür zum Direktor ist ein Schloß, wer hat den Schnepper?«

      »Ich«, sagte Mohrchen ertappt und zog ihn sogar hervor. Aber fortnehmen ließ er ihn sich nicht. »Spielen wir mit offenen Karten«, sagte er. »Sie glauben, daß ich klaue.«

      Terra zündete sich wortlos eine Zigarette an.

      »Nun, ich klaue nicht«, erklärte der Dicke und hielt den Zettel her. Darauf bescheinigte freilich Herr von Praß dem Herrn Mohrchen, daß er die siebzigtausend Mark an der Kasse zu erheben habe. »Und was tun Sie damit?« fragte Terra.

      »Geschäftsgeheimnis. Nie sollst Du mich befragen.« Mohrchen blinzelte. »Im tiefsten Ernst, legen Sie gegen mich lieber keine Bombe, wer weiß, was sonst noch mit auffliegen könnte.«

      »Ich habe Ihnen keinen Grund gegeben, mich für einen

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