Die Macht der Geheimbünde. Walter Brendel
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Tempelarbeit
Die Tempelarbeit oder Logenarbeit bezeichnet eine geschlossene rituelle Versammlung der Freimaurer. Der Begriff wurde, ebenso wie manche andere freimaurerische Eigenheiten, auch von den Mormonen für ihre nichtöffentlichen Tempelrituale übernommen.
Den Raum, in dem das im Folgenden skizzierte Ritual zelebriert wird, nennen Freimaurer in ihrer Symbolsprache „Tempel“ in Erinnerung an den Salomonischen Tempel. Hierbei handelt es sich um ein Sinnbild des „Tempels der Humanität“. In der frei-maurerischen Symbolsprache fügt sich der einzelne Bruder als „Stein“ in den Gesamtbau dieses „Tempels“ ein.
Das freimaurerische Ritual der Tempelarbeit verfolgt das Ziel einer freimaurerischen Sozialisation. Es vermittelt dem Einzelnen durch eine mündlich überlieferte Methode die freimaurerischen Werte durch Symbole und Allegorien, wobei Verstand und Gefühl gleichermaßen angesprochen werden. Der Freimaurer wird dabei nicht auf religiöse Inhalte oder metaphysische Glaubenssätze verpflichtet.
Das Ritual bestärkt Logenmitglieder, am einmal eingeschlagenen Weg der Menschlichkeit festzuhalten - analog zur aristotelischen Überlegung, dass der Mensch nicht allein durch intellektuelle Reflexion sich zum Besseren entwickle, sondern hierzu des Einübens bedarf. So wird das Verständnis gemeinsamer ethischer Werte bei jeder freimaurerischen „Tempelarbeit“ in Erinnerung gerufen.
Gemeinsame Identität wird dadurch gestiftet, dass jeder, der nach reiflicher Selbstprüfung dem Bund der Freimaurer beitreten möchte, ein für alle gleiches Aufnahmeritual durchläuft.
Initiation eines Suchenden, Stich, 1745 in Frankreich
Die in den Tempelarbeiten vermittelten Werte sind nicht exklusiv. Es sind die allgemeinen Grundsätze der humanitären Tradition des Zeitalters der Aufklärung. Damit verbunden ist der emanzipatorische Anspruch, die Freiheit und Verantwortung des Individuums zu stärken.
„Niemand soll und wird es schauen, was einander wir vertraut, denn auf Schweigen und Vertrauen ist der Tempel aufgebaut.“ Goethe: Verschwiegenheit, „Wenn die Liebste...“,Gedicht einer Freimaurerversammlung 1815 in Weimar.
Das gegenseitige Vertrauen der Logenmitglieder ist ein wichtiger Grundsatz der Freimaurerei. Dieses kann jedoch nur dann wachsen, wenn sich jeder Bruder zur Diskretion verpflichtet. Vertrauliche Informationen der Privatsphäre anderer Mitgliedersollen nicht nach außen getragen werden.
Diese Gewissheit gilt als Grundvoraussetzung für einen freien Ideen- und Meinungs-austausch.
Das vom Freimaurer bei seiner Aufnahme geforderte Versprechen: „Verschwiegenheit zu bewahren über die inneren Angelegenheiten der Maurerei“ dient der Bewusstwerdung des moralischen Wertes, vertrauliche Informationen im Allgemeinen gewissenhaft zu bewahren und eingegangene Versprechen zuhalten.
Traditionellerweise wahren Freimaurer Stillschweigen überfreimaurerische Erkennungszeichen (Zeichen, Passwörter, Handgriffe) und detaillierte Formen und Inhalte der Rituale. Das persönliche Ritualerlebnis selbst wird als freimaurerisches „Geheimnis“ umschrieben. Die individuelle Erfahrung der tieferen Erkenntnis vom Sinn des Lebens, der Freiheit und des Todes, die im freimaurerischen Ritual symbolisiert wird, entzieht sich gewöhnlich der Sprache.
Ein weniger moralischer, aber dennoch unmittelbar einleuchtender Grund, Ritualinhalte nicht nach außen zu tragen, liegt darin, dass die Intensität des emotionalen Erlebens einer Aufnahme wesentlich geringer ausfallen würde, wenn der Ablauf dem Aufzunehmenden im Vornherein bekannt wäre. Trotzdem sind freimaurerische Rituale unzählige Male „verraten“ und veröffentlicht worden.
Getragen wird der Ablauf des Rituals durch ein festgelegtes Wechselgespräch des Meisters vom Stuhl mit dem Ersten und Zweiten Aufseher.
In kontinentaleuropäischen Logen gehört ein Vortrag des Redners über freimaurerische oder andere Themen zur Tempelarbeit (genannt Zeichnung).
Der Feierlichkeit des Ereignisse angemessen, tragen Freimaurer zur Logenarbeit eine bestimmte traditionelle Bekleidung. Diese besteht heute u.a. aus einem dunklen Anzug oder Smoking, dem Schmuckabzeichen der jeweiligen Loge: dem so ge-nannten „Bijou“, dem symbolischen Maurerschurz, weißen Handschuhen und dem in manchen Logen noch üblichen sogenannten „hohen Hut“, einem Zylinder.
Ritualtexte aus den Anfängen der Freimaurerei sind nicht erhalten, eine Rekonstruktion der ursprünglichen Gebräuche ist daher schwierig. Die Rituale waren im Laufe der Zeit häufig Veränderungen unterworfen und sind in der Freimaurerei nicht einheitlich; sie gleichen sich aber grundsätzlich in ihrem Aufbau der drei Johannisgrade.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte sich mit der sogenannten „Strikten Observanz“ ein komplexes System von hierarchischen Abstufungen in der europäischen Freimaurereietabliert. Zu Beginn der 1780er Jahre begann eine Gegenbewegung einzusetzen, die sich wieder auf das alte Ritual der drei Grade (Lehrling – Geselle – Meister) besann.
In diesem Reformprozess forderte Georg Heinrich Sieveking darüber hinaus die Abschaffung der „Hieroglyphen und Symbole“ und bezeichnete diese und die Gebräuche als Farce. Friedrich Ludwig Schröder antwortete darauf mit seiner Rede über „Sittlichkeit und Gefälligkeit als Urstoff der Freundschaft sowie über unsere Bilderzeichen und Geheimnisse“ in seiner Loge Emanuel. Darin setzte er diese Forderung mit der Auflösung der Freimaurerei gleich und zeigte deren Relevanz für die große Bruderkette auf. Dies führte zu Rededuellen zwischen beiden und resultierte schließlich darin, dass Sieveking am 10.April 1790 sein Amt als Meister vom Stuhl niederlegte und sein bisheriges Engagement in der Freimaurerei aufgab.
Unter Berücksichtigung altenglischer Ritualtexte machte man sich im 18. Jh. daran, freimaurerische Rituale in ihrem vermuteten Ursprungssinn zu rekonstruieren. Hierbei kommt Friedrich Ludwig Schröder besonderes Verdienst zu. Als historischer Au-todidakt sammelte er Materialien zur Geschichte der Freimaurerei seit ihrer Entstehung bis 1723, die er im Jahr 1815 veröffentlichte. Aufgrund dieser Studien schuf er in Zusammenarbeit mit Johann Gottfried Herder deutsche Rituale für die drei Grade, die noch heute als Schrödersche Lehrart in Gebrauch sind und sich durch ihre schlichte Klarheit und rituelle Dynamik auszeichnen.
Anm.: Zur Gesellschaft der Freimaurer s. das Hauptkapitel
Arkanprinzip
Das Arkanprinzip (von lateinisch arcanum – „Geheimnis“) ist der Grundsatz, Kultbräuche und Rituale nur einem Kreis von Eingeweihten zugänglich zu machen und sie vor der Öffentlichkeit geheim zu halten.
Bereits in vorchristlicher Zeit existierte in Mysterienkulten eine Verpflichtung, Kultgebräuche geheim zu halten. Diese Tradition wurde vom Christentum übernommen. So wurden in der Spätantike vor Ungetauften die Taufe und das Taufbekenntnis, der Brauch des Abendmahls und das Vaterunser geheim gehalten. Es gab aber keine allgemein anerkannte Festlegung des Umfangs der Geheimhaltungspflicht, und von Strafbestimmungen für den Fall einer Übertretung ist nichts bekannt.
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