Nicht alle sehen gleich aus. Monica Maier

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Nicht alle sehen gleich aus - Monica Maier

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und auch ihrer Erleichterung friedlich aus. Als Berber aus der unteren Mittelschicht kannte er Situationen und Gefühle zwischen Verzweiflung und Hoffnung auf ein besseres Leben selbst gut genug. Im Moment gab es eine Überbevölkerung an jungen Leuten, die teilweise ohne jede berufliche und finanzielle Perspektive lebten, überlegte sie. Ein paar dieser männlichen Exemplare saßen wahrscheinlich gerade vor ihnen. Ein Wunder, dass die hier nicht aggressiv wurden. Wie andere Afrikaner oft auch nahm ihr Mann die Dinge nicht todernst und blieb, wenn möglich, auch in schwierigeren Situationen locker und sogar selbstironisch. Er konnte erstmal sowieso nichts daran ändern.

      Sie kannte ihn jetzt schon fast vier Jahre. Die Rede, die er gerade gegen zu sehr gelebten Fatalismus gehalten hatte, und sein Selbstbewusstsein standen ihm gut. Annika liebte ihn dafür und sah ihn bewundernd an, weil er die Lage hier jetzt wirklich gut meisterte. Er wusste mit den Jungs zu reden und hatte ein gutes Händchen für die schweigsamer und nachdenklich gewordenen jungen Männer und gleichzeitig das Segelboot. Er bahnte sich den Weg aus der Mitte der Jolle wieder hin zum Heck und Motor. Alle ließen ihn freundlich durch.

      „Bitte bleiben Sie ruhig! Wir können das mit diesem Boot hier nicht nach Spanien schaffen, das haben wir Ihnen doch vorher schon gesagt!“, meinte Karim weiterhin auf Französisch, während auf einmal ein lautes Gemurmel durch die Reihen ging. Annika hatte beruflich Erfahrung mit der menschlichen Psyche, sie unterrichtete in Berlin seit vielen Jahren Deutsch als Fremdsprache. Hier verstand sie allein mithilfe von schlichtem gesundem Menschenverstand, dass er sichtlich froh sein konnte, wenn die flüchtenden Männer nicht doch noch meuterten.

      „Alles im grünen Bereich!“, las sie aus den Gesichtern und rief ihm energisch zu: „Los!“ Karim schmiss den Motor an und wendete jetzt ganz vorsichtig und mit ruhigen Bewegungen das Boot, aus Angst, die jungen Afrikaner könnten doch noch aggressiv reagieren, weil er ihnen ihren Traum von Europa nun ganz nahm. Seine Furcht war unbegründet. Wie nahe diese beiden Wörter Traum und Trauma doch klangen, fiel Annika auf.

      Das Boot nahm nun Kurs auf die Küste, und die Reaktionen in den Gesichtern vor ihr schienen positiv zu sein. Die Männer blieben friedlich und bei Verstand oder waren vielleicht nur fatalistisch religiös ihrem Schicksal ergeben. „Inscha‘Allah“, was aus dem Arabischen war und „Wie Gott will“ bedeutete, hörte sie Karim sagen. Dieses Wort vernahm man häufig in diesen Breitengraden und hatte auch mit der Gottergebenheit der Menschen zu tun.

      Ein Fischkutter habe die zehn Männer gestern Abend erst ein Stück aufs Meer hinaus mitgenommen, erzählte Mamadou. Und dann ihrem Schicksal überlassen. Weit waren sie nicht gekommen, und dieser Segler hier, das sei ihm aufgefallen, läge auch viel zu tief im Wasser als dass er es easy nach Spanien hinüberschaffen könnte. Wollte Gott nicht, dass sie nach Europa kamen, und schickten ihnen deswegen die beiden, schienen die schweigenden Blicke der anderen zu fragen. Zwei von ihnen glaubten an Jesus Christus, was ihnen vorhin wichtig war zu bemerken. Waren die beiden Christen und die anderen Muslime?

      Gerade kam etwas Rückenwind auf und die Küste näherte sich ohne Zwischenfälle.

      „Woher habt ihr eigentlich die 1000 Euro für die Schlepper?“, fragte Annika neugierig.

      Mamadou antwortete: „Meine Schwester aus Spanien hat etwas geschickt, sie hat einen Spanier geheiratet, wissen Sie, dann habe ich viel im Tourismus in Mali als Musiker gearbeitet, muss aber auch viel zurückzahlen an Leute in meinem Dorf und meine Schwester.“

      „Habt ihr noch Geld übrig, um euch Essen zu besorgen?“, fragte sie weiter. Alle schwiegen, sogar Mamadou verneinte mit einem Kopfschütteln.

      „Die Jungs sind okay“, flüsterte sie aus Erschöpfung und legte den Arm um ihn am Steuer, als er gerade die Pinne umlegte.

      „Sei ja nicht zu nett, ihr Deutschen seid oft zu nett!“, meinte er.

      „Halt den Mund!“, sagte sie und wusste, dass er damit recht hatte, weil sie in Gedanken schon kurz davor war, in ihr Portemonnaie zu greifen. Im Gegensatz zu ihr störte es ihn sehr, wenn sie Fremden Geld spendete. Auch Wohlfahrtsorganisationen, da sollte sie lieber innerhalb seiner marokkanischen Großfamilie etwas verteilen. Vor allem an diejenigen seiner Verwandten, die nur Tiere und selbst angebautes Gemüse, Kaktusfeigen oder eine Bienenzucht in ihrem Dorf als Lebensunterhalt in den recht trockenen Bergen ihr Eigentum nannten, aber nicht einmal genug warme Kleidung oder Brennholz für kältere Wintermonate besaßen. Da wusste man wenigstens, wo das Geld landete und wofür es ausgegeben wurde.

      Die Küste kam näher, sie fuhren ein gutes Stück schweigend. Was sollte sie diesen Männern jetzt im Moment für ihre Flucht nur wünschen? Freiheit, Glück, Demokratie, freie Meinungsäußerung und die ersehnte gute Arbeit? Schon als Kind hatte sie in der Kirche für die in der Gesellschaft immer wieder zitierten Armen und Wohlfahrtsorganisationen auf dem afrikanischen Kontinent gespendet. Warum eigentlich? Im Nachkriegswirtschaftswunderland Bundesrepublik hatte man noch seine katholischen Missionare dort, Mediziner halfen bei tragischen Krankheiten und man hing sich an Klischees und Stereotypen auf, die früher noch durch ihren eigenen Kopf zogen. Sie sah ihrem Mann zu, wie er zwei Badetücher und ein paar Kekse herumreichte, die von seinem Onkel alias seinem Pflegevater stammten, dem die in die Jahre gekommene Jolle gehörte.

      Annika schätzte die warmherzige Ehrlichkeit, mit der Mamadou wieder zu einer Unterhaltung ansetzte, und hätte allzu gerne seine ganze Geschichte gehört.

      „Mein Freund Owusu und ich sind von Mali zu Fuß durch die Sahara. Für uns ist es das erste Mal, dass wir unser Land überhaupt verlassen“, erzählte er und zeigte auf den Mann neben sich, der sie erschöpft anlächelte. „Die meisten Leute wandern in Afrika nur von Land zu Land, aber wir wollen nach Europa.“

      „Ihr könnt euch wohl noch nicht vorstellen, was auf euch zukommt, oder?“, erwiderte sie mit realistischem und fast ungehaltenem Unterton wegen der Mischung aus Verrücktheit und Naivität, die da vor ihr saß und in die sie gerade ungewollt mit hineingezogen wurden.

      „Da steht schon die Polizei, sie werden uns jetzt festnehmen!“, unterbrach sie Karim plötzlich laut. Mamadou begann mit den anderen im Boot zu streiten, verstand es aber sie zu beschwichtigen, als wäre er so etwas wie der Anführer der Gruppe. Genau auf ein Boot der marokkanischen Küstenwache im Hafen von Tanger steuerten sie jetzt zu. Dieses hatte sie aber schon lange kommen sehen, wie sich zeigte. Die Polizei hatte die Situation sofort erkannt und im Griff und manövrierte das Segelboot zu einem angewiesenen Liegeplatz. Alle an Bord wurden in Verwahr genommen, die jungen Männer dabei eindeutig handgreiflicher als Annika und Karim. Die Polizisten befragten das Ehepaar ein paar Minuten getrennt von den Afrikanern, woraufhin beide wieder freikamen. Sie hätten nichts verbrochen, sondern rein menschlich gehandelt, meinten sie.

      „Passt auf euch auf!“, sagte Annika mit einem weinenden und einem lachenden Auge und gab dem Malier erleichtert wie mitfühlend zum Abschied die Hand: „Viel Glück!“

      „Inscha‘ Allah“, tönte es zurück.

      Warum auch nicht, dachte Annika und fiel Karim endlich erschöpft um den Hals, der sie an sich drückte und meinte: „Wir haben es geschafft! Ich bin froh, dass wir wieder heil an Land sind. Wir hatten Glück, es hätte auch was Schlimmeres passieren können. Aber ich hatte die ganze Zeit über ein positives Gefühl.“

      Plötzlich stand Mamadou noch einmal vor ihnen, wurde aber gleich von einem Polizisten noch fester gepackt. „Ist das okay, wenn wir in Kontakt bleiben? Es würde mich freuen“, fragte er, trotzdem noch höflich.

      Als Karim kein großes Interesse zeigte, nahm sich Annika sofort ein Herz: „Klar, gib mir einfach deine Nummer.“ Mamadou nannte schnell seine Handynummer, während er schon von ihr weggezogen wurde, und sie tippte sie genauso rasch in ihre Kontakte.

      „Was

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