Überredung. Jane Austen

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Überredung - Jane Austen

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nach finanziellen Zuwendungen von seinem Vater waren sie sich immer einig. Aber hier wie in den meisten Punkten behielt er die Oberhand, denn während Mary es außerordentlich beklagte, daß eine solche Zuwendung nicht gemacht wurde, vertrat er immer den Standpunkt, daß sein Vater sein Geld selbst gut gebrauchen könne und ein Recht habe, es auszugeben, wie es ihm gefiel.

       Was die Erziehung der Kinder anging, so waren seine Theorien viel besser als die seiner Frau und ihre praktische Anwendung nicht so schlecht. »Ich könnte ganz gut mit ihnen fertig werden, wenn Mary nicht immer eingriffe«, waren Worte, die Anne ihn oft sagen hörte und für die sie durchaus Verständnis hatte; wenn sie dagegen Marys Vorwürfe: »Charles verwöhnt die Kinder, so daß sie mir nicht gehorchen«, anhörte, verspürte sie niemals die geringste Versuchung zu sagen: »Das stimmt.« Eine der unangenehmsten Begleiterscheinungen ihres Aufenthalts dort war der Umstand, daß alle Parteien sie zu sehr ins Vertrauen zogen und daß beide Häuser sie zu sehr zur Mitwisserin ihrer gegenseitigen Beschwerden machten. Da man wußte, daß sie einen gewissen Einfluß auf ihre Schwester hatte, bat man sie ständig oder deutete ihr doch wenigstens an, ihn weit über ihre tatsächlichen Möglichkeiten hinaus auszuüben. »Wenn du nur Mary dazu überreden könntest, nicht immer krank zu spielen«, kam es von Charles; und wenn Mary niedergeschlagen war, hieß es von ihr: »Ich glaube, wenn Charles mich im Sterben liegen sähe, würde er immer noch nicht glauben, daß mir etwas fehlt. Wenn du wolltest, Anne, könntest du ihn bestimmt davon überzeugen, daß ich wirklich sehr krank bin; jedenfalls sehr viel kränker, als ich je zugebe.«

       Mary erklärte: »Ich schicke die Kinder so ungern ins Herrenhaus, obwohl ihre Großmama sie immer bei sich haben will, denn sie verhätschelt und verzärtelt sie in einem Maße und gibt ihnen so viel unbekömmliches und süßes Zeug, daß sie jedesmal krank und für den Rest des Tages unausstehlich nach Hause kommen.« Und Mrs. Musgrove nahm die erste Gelegenheit wahr, um im Vertrauen zu Anne zu sagen: »Ach, Miss Anne, wenn doch Mrs. Charles nur ein bißchen von Ihrer Art hätte, mit den Kindern umzugehen. Bei Ihnen sind sie wie ausgewechselt. Aber sonst werden sie ja so verwöhnt! Es ist ein Jammer, daß Sie Ihrer Schwester nicht beibringen können, wie man mit ihnen fertig wird. Es sind ausgesprochen nette und gesunde Kinder, die armen Kleinen, ganz ohne Voreingenommenheit, aber Mrs. Charles weiß wirklich nicht mit ihnen umzugehen. Meine Güte, wie ungezogen sie manchmal sind! Sie können mir glauben, Miss Anne, es verleidet mir den Wunsch, sie öfter zu uns herüberzuholen, als ich es sonst täte. Ich glaube, Mrs. Charles ist es gar nicht recht, daß ich sie nicht öfter einlade, aber es ist wirklich schrecklich, Kinder bei sich zu haben, die man immerzu mit ›Tu dies nicht‹ und ›Tu das nicht‹ zurechtweisen muß oder die man nur mit mehr Kuchen, als ihnen bekommt, einigermaßen – im Zaum halten kann.«

       Mary verdankte sie außerdem folgende Information: »Mrs. Musgrove hält ihr ganzes Personal für so zuverlässig, daß es an Hochverrat grenzen würde, daran zu zweifeln. Aber ohne Übertreibung, ich weiß, daß ihr Zimmermädchen und ihr Wäschemädchen sich, statt ihre Arbeit zu tun, im Dorf herumtreiben, und zwar den ganzen Tag. Ich laufe ihnen dauernd über den Weg; und ich sage dir, ich kann Kinderzimmer gehen, ohne sie dort zu finden. Wenn Jemima vertrauenswürdige, zuverlässige Person wäre, hätten sie bestimmt einen schlechten Einfluß auf sie; denn sie hat mir erzählt, sie wollen sie immer überreden, mit ihnen spazierenzugehen.« Und von Mrs. Musgroves Seite hieß es: »Ich mische mich grundsätzlich nicht in die Angelegenheiten meiner Schwiegertochter ein, weil ich weiß, das führt zu nichts. Aber Ihnen kann ich es ja sagen, Miss Anne, weil Sie vielleicht Einfluß darauf nehmen können, daß ich von Mrs. Charles’ Kindermädchen gar keine gute Meinung habe. Man erzählt merkwürdige Geschichten von ihr. Sie treibt sich ständig herum; und nach dem, was ich mit eigenen Augen gesehen habe, kann ich Ihnen sagen, sie spielt so sehr die feine Dame, daß sie allen Mädchen, mit denen sie umgeht, Flausen in den Kopf setzt. Mrs. Charles schwört auf sie, das weiß ich; aber ich will Sie lieber darauf hinweisen, damit Sie auf der Hut sind; und wenn Ihnen irgend etwas auffällt, scheuen Sie sich nicht, es mir zu sagen.«

       Andererseits beschwerte sich Mary, daß Mrs. Musgrove dazu neigte, den ihr zukommenden gesellschaftlichen Rang nicht anzuerkennen, wenn sie mit anderen Familien im Herrenhaus zum Dinner waren; und sie sah nicht ein, warum man sie als so sehr zur Familie gehörig betrachten sollte, daß sie ihre Stellung einbüßte. Und eines Tages, als Anne nur mit den Miss Musgrove einen Spaziergang machte, bemerkte eine von ihnen, nachdem sie über Standesunterschiede, Standesbewußtsein und Standesdünkel gesprochen hatten: »Ich scheue mich nicht, in deinem Beisein zu erwähnen, wie unsinnig manche Leute auf ihren Rang bedacht sind, denn alle Welt weiß, wie nüchtern und unvoreingenommen du darüber denkst. Aber wenn doch nur jemand Mary mal zu verstehen gäbe, wieviel klüger es wäre, nicht so hartnäckig darauf zu bestehen; vor allem, daß sie es nicht immer darauf anlegt, den Vorrang vor Mama zu haben. Es bestreitet ja keiner, daß sie Mama gesellschaftlich überlegen ist, aber es würde einen sehr viel besseren Eindruck machen, wenn sie nicht immer so darauf beharrte. Nicht daß es Mama auch nur das geringste ausmacht, aber ich weiß doch, daß es vielen Leuten auffällt.«

       Wie sollte Anne alle diese Dinge ins rechte Lot bringen? Sie konnte nicht viel mehr tun, als geduldig zuzuhören, Verständnis für alle Sorgen zu zeigen und sie gegenseitig zu nicht in mein nicht eine so entschuldigen, sie alle darauf hinzuweisen, wie wichtig es bei so enger Nachbarschaft war, nachsichtig miteinander zu sein, und da am deutlichsten zu werden, wo ihre Schwester von ihren Hinweisen lernen konnte.

       Abgesehen davon begann und verlief ihr Besuch sehr erfreulich. Ihre eigene Stimmung hob sich in neuer Umgebung und bei neuen Gesprächen, jetzt, wo sie drei Meilen von Kellynch entfernt war; auch Marys Leiden ließen nach, da sie nun ständige Gesellschaft hatte, und der tägliche Umgang mit der anderen Familie erwies sich, da es in dem Cottage weder besondere Zuneigung, noch Vertraulichkeit oder Beschäftigung gab, die darunter gelitten hätten, eher als Vorteil. Sie nahmen wirklich beinahe jede sich bietende Gelegenheit wahr, denn sie trafen sich jeden Vormittag und verbrachten kaum einen Abend getrennt. Aber Anne war überzeugt, es wäre, wenn nicht die ehrfurchtgebietenden Gestalten von Mr. und Mrs. Musgrove an ihrem gewohnten Platz gesessen oder ihre Töchter nicht geredet, gelacht und gesungen hätten, längst nicht so gut gegangen.

      Sie spielte sehr viel besser Klavier als beide Miss Musgrove; aber da sie keine Stimme, keine Ahnung vom Harfenspiel und keine liebenden Eltern hatte, die dabeisaßen und sich entzückt gaben, wurde ihre Darbietung wenig, und wie sie wohl merkte, nur aus Höflichkeit oder um die anderen zu ermuntern, geschätzt. Sie wußte, wenn sie spielte, daß es nur zu ihrem eigenen Vergnügen geschah. Aber diese Erfahrung war nichts Neues; außer für eine sehr kurze Zeit hatte sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr nie, nie seit dem Verlust ihrer lieben Mutter das Glück empfunden, daß man ihr zuhörte oder sie mit ehrlicher Dankbarkeit oder wirklichem Geschmack ermutigte. Sie war längst daran gewöhnt, Musik einsam zu genießen, und Mr. und Mrs. Musgroves liebevolle Voreingenommenheit für das Spiel ihrer Töchter und ihre völlige Gleichgültigkeit gegenüber allen anderen bedeutete ihr mehr Vergnügen für die beiden als Kränkung für sie selbst.

       Die Gesellschaft im Herrenhaus wurde manchmal durch andere Gäste erweitert. Die Zahl der Nachbarn war nicht groß, aber die Musgroves wurden von allen besucht und hatten mehr Dinnerparties und mehr Gäste, mehr eingeladene und zufällige Besucher als irgendeine andere Familie. Sie waren eben am beliebtesten.

       Die Mädchen waren wild aufs Tanzen, und die Abende endeten gelegentlich in einem unvorhergesehenen kleinen Ball. Nur einen Spaziergang von Uppercross entfernt, gab es eine Familie von Vettern und Kusinen in weniger wohlhabenden Verhältnissen, die bei all ihren Vergnügungen auf die Musgroves angewiesen waren. Sie waren bereit, jederzeit zu kommen, bei allem mitzuspielen oder überall zu tanzen; und Anne, die die Aufgabe, Klavier zu spielen, dem aktiveren Mitmachen bei weitem vorzog, spielte Stunde um Stunde Kontratänze für sie – eine Gefälligkeit, durch die ihre musikalischen Talente Mr. und Mrs. Musgrove überhaupt nur auffielen und die oft das Kompliment hervorrief: »Gut gemacht, Miss Anne! Wirklich gut gemacht! Du lieber Gott! Wie ihre kleinen Finger über die Tasten fliegen!«

       So vergingen die ersten drei Wochen. Der September näherte sich seinem

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