Überredung. Jane Austen

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und werde, gleichgültig, wie er seinen eigenen Haushalt gestalte, ein Vorbild für den Lebensstil anderer sein.

       Sir Walter würde Kellynch Hall verlassen – und nach nur wenigen Tagen voller Zweifel und Unschlüssigkeit war die große Frage, wohin er ziehen solle, beantwortet und ein erster Plan für diese tiefgreifende Veränderung entworfen.

       Es hatten drei Möglichkeiten zur Debatte gestanden, London, Bath oder ein anderer Landsitz. Annes Wünsche richteten sich ganz auf das letzte. Ein kleines Haus in ihrer alten Nachbarschaft, wo sie weiterhin mit Lady Russell verkehren, weiterhin in Marys Nähe sein und weiterhin das Vergnügen haben konnten, ab und zu die Anlagen und Wäldchen von Kellynch zu sehen, war das ganze Ziel ihrer Wünsche. Aber es traf sie das übliche Schicksal Annes, denn man entschied sich für etwas ihren Wünschen völlig Entgegengesetztes. Sie mochte Bath nicht und konnte sich nicht vorstellen, daß sie sich dort wohl fühlen werde – und ausgerechnet Bath sollte ihr Zuhause werden. Sir Walter hatte zuerst eigentlich an London gedacht, aber Mr. Shepherd fand, daß man ihm in London nicht trauen konnte, und war geschickt genug gewesen, ihm Bath schmackhaft zu machen. Bath sei ein viel sicherer Ort für einen Gentleman in seiner schwierigen Lage: dort habe er mit verhältnismäßig wenig Aufwand großes Ansehen. Zwei wesentliche Vorteile von Bath gegenüber London hatten natürlich den Ausschlag gegeben, und zwar seine geringere Entfernung von Kellynch, nur fünfzig Meilen, und die Tatsache, daß Lady Russell jedes Jahr einen Teil des Winters dort verbrachte; und zur großen Beruhigung von Lady Russell, die bei dem bevorstehenden Umzug Bath von Anfang an den Vorzug gegeben hatte, wurden Sir Walter und Elizabeth davon überzeugt, daß sie weder auf Ansehen noch Abwechslung verzichten müßten, wenn sie sich dort niederließen.

       Lady Russell sah sich gezwungen, den ihr bekannten Wünschen ihrer lieben Anne zu widersprechen. Man mute Sir Walter zu viel zu, wenn man erwarte, daß er sich dazu herablassen werde, in ein kleines Haus in seiner eigenen Nachbarschaft zu ziehen. Anne selbst würde die Demütigung stärker empfinden als erwartet, und für Sir Walters Ehrgefühl wäre sie bestimmt unerträglich. Und was Annes Abneigung gegen Bath angehe, so halte sie sie für ein Vorurteil und einen Irrtum, der erstens darauf beruhe, daß sie dort drei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter zur Schule gegangen sei, und daß es ihr zweitens in dem einzigen Winter, den sie dort anschließend mit ihr selbst verbracht habe, nicht besonders gut gegangen sei.

       Kurz und gut, Lady Russell gefiel Bath, und sie neigte deshalb zu der Annahme, daß es für alle das Richtige sei.

       Und was die Gesundheit ihrer jungen Freundin betreffe, so werde jedes Risiko vermieden, wenn sie die warmen Sommermonate bei ihr in Kellynch Lodge verbringe. Es handle sich also um einen Wechsel, der sowohl ihrer Gesundheit als auch ihrer Stimmung guttun müsse. Anne sei zu wenig von zu Hause fortgekommen, zu wenig in Gesellschaft gewesen. Es fehle ihr an Unternehmungslust. Mehr Gesellschaft werde ihr guttun. Sie wolle sie mehr unter Leute bringen.

       Das Fatale eines Hauses in derselben Nachbarschaft wurde für Sir Walter natürlich wesentlich durch ein Element verstärkt, und zwar ein entscheidendes Element des Plans, das man dem ersten Schritt arglos noch aufgepfropft hatte. Er sollte sein Heim nämlich nicht nur verlassen, sondern es in anderen Händen sehen – eine Prüfung, die für stärkere Naturen als Sir Walter zuviel gewesen wäre. Kellynch Hall sollte vermietet werden. Dies allerdings war ein tiefes Geheimnis, das nicht über ihren unmittelbaren Kreis hinausdringen durfte.

       Sir Walter hätte die erniedrigende Bekanntmachung, daß sein Haus zu vermieten sei, nicht ertragen. Mr. Shepherd hatte ein einziges Mal das Wort »annoncieren« fallenlassen, aber nicht gewagt, je wieder darauf zurückzukommen. Sir Walter wies den Gedanken, daß man es auf irgendeine Weise feilbieten könne, empört von sich; verbat sich die leiseste Anspielung, er könne eine derartige Absicht haben; und nur unter der Voraussetzung, daß er ein ganz spontanes Angebot von einem ganz außergewöhnlichen Bewerber erhalte, würde er nach seinen eigenen Bedingungen und als große Gefälligkeit überhaupt vermieten.

       Wie schnell wir Gründe bei der Hand haben, das zu billigen, was uns gefällt! Lady Russell führte einen weiteren ausgezeichneten Grund für ihre übergroße Freude an, daß Sir Walter und seine Familie vom Land in die Stadt zogen. Elizabeth hatte vor kurzem eine enge Freundschaft angeknüpft, die sie gern unterbunden hätte. Es handelte sich um eine Tochter von Mr. Shepherd, die nach unglücklicher Ehe mit der zusätzlichen Bürde zweier Kinder ins Haus ihres Vaters zurückgekehrt war. Sie war eine geschickte junge Frau, die es verstand, sich beliebt zu machen, jedenfalls in Kellynch Hall, und die sich so bei Miss Elliot eingeschmeichelt hatte, daß sie trotz aller Anspielungen auf Vorsicht und Zurückhaltung von Lady Russell, die diese Freundschaft für völlig unstandesgemäß hielt, dort schon mehr als einmal länger zu Besuch gewesen war.

       Lady Russell hatte tatsächlich kaum Einfluß auf Elizabeth und liebte sie anscheinend eher, weil sie es sich vorgenommen hatte, als weil Elizabeth es verdiente. Sie hatte von ihr nie mehr als oberflächliche Aufmerksamkeit erhalten, nichts, was über die notwendige Höflichkeit hinausging, und es war ihr nie gelungen, sie von einer einmal gehegten Vorliebe abzubringen. Sie hatte mehrfach ernsthaft versucht, daß Anne bei den Besuchen nach London mitgenommen wurde, da sie schmerzlich die ganze Ungerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit dieser egoistischen Unternehmungen empfand, von denen sie ausgeschlossen war, und hatte bei viel geringfügigeren Anlässen versucht, Elizabeth von ihrer eigenen besseren Einsicht und Erfahrung profitieren zu lassen – aber immer vergeblich. Elizabeth bestand darauf, ihren eigenen Weg zu gehen, und nie hatte sie ihn in entschiedenerem Widerspruch zu Lady Russell verfolgt als bei ihrer Wahl von Mrs. Clay. Sie verschmähte die Gesellschaft einer so schätzenswerten Schwester und schenkte ihre Neigung und ihr Vertrauen statt dessen einer Person, die nichts als ein Gegenstand kühler Höflichkeit hätte sein sollen. Ihrer Stellung nach war Mrs. Clay in Lady Russells Augen eine sehr unebenbürtige, ihrem Charakter nach, glaubte sie, sehr gefährliche Freundin; und ein Umzug, der Mrs. Clay zurücklassen und Miss Elliot den Umgang von geeigneteren Gefährtinnen ermöglichen würde, war deshalb ein höchst wünschenswertes Ziel.

      Kapitel 3

      »Ich gestatte mir zu bemerken«, sagte Mr. Shepherd eines Morgens in Kellynch, als er die Zeitung beiseitelegte, »daß die augenblickliche Lage der Dinge uns sehr entgegenkommt. Dieser Friede3 wird alle unsere reichen Marineoffiziere an Land bringen. Sie werden alle ein Haus brauchen. Kein besserer Zeitpunkt denkbar, Sir Walter, um eine ganze Auswahl an Mietern zu haben, sehr verantwortungsbewußten Mietern. Manch einer hat während des Krieges ein stattliches Vermögen gemacht. Wenn uns ein reicher Admiral über den Weg liefe, Sir Walter…«

      »Dann könnte er sich glücklich schätzen, Shepherd«, erwiderte Sir Walter, »mehr habe ich dazu nicht anzumerken. Kellynch Hall wäre wahrlich eine schöne Prise für ihn; vermutlich die bei weitem größte Prise, da kann er bisher noch so viele Schiffe gekapert haben, wie, Shepherd?«

       Mr. Shepherd, der wußte, was er Sir Walter schuldig war, lachte über soviel Witz und fuhr dann fort:

       »Ich erlaube mir anzumerken, Sir Walter, daß sich mit den Herren von der Marine in geschäftlichen Dingen ausgezeichnet verhandeln läßt. Ich habe ein wenig Erfahrung mit ihrer Art, Geschäfte zu machen, und bin so frei zu gestehen, daß sie sehr großzügige Vorstellungen haben und wahrscheinlich nicht weniger erstrebenswerte Mieter sind als Leute aus anderen Kreisen. Deshalb, Sir Walter, möchte ich mir vorzuschlagen gestatten, daß ich, John Shepherd …, falls infolge irgendwelcher über Ihre Absichten in Umlauf geratener Gerüchte, die man ja als Möglichkeit einkalkulieren muß, denn wir wissen, wie schwierig es ist, die Handlungen und Absichten des einen Teils der Menschheit vor der Aufmerksamkeit geheimzuhalten – Größe hat ihren Preis Familienangelegenheiten, bei denen es mir nötig scheint, geheimzuhalten, denn mich zu beobachten würde niemand für lohnend halten, aber auf Sir Walter Elliot ruhen Augen, denen zu entgehen sehr schwierig sein dürfte … und deshalb wäre es keineswegs eine große Überraschung für mich, so viel wage ich zu sagen, wenn bei all unserer Vorsicht doch Gerüchte von der

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