Der fliegende Holländer. Фредерик Марриет
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Die Stimme des Kleinen war sehr eigentümlich – eine Art gedämpften Kreischens, und die Laute tönten noch in den Ohren, nachdem der Mann längst zu sprechen aufgehört hatte.
»Ich bin Schriften, einer der Piloten des Schilling,« fuhr er fort, »und komme nun – hi! hi!« – ein scharfer Blick auf Aminen – »um Euch hin wegzuholen aus den Armen der Liebe –« ein weiterer Blick nach dem Schranke – »hi! hi! Von aller Bequemlichkeit, und auch von diesem!« rief er, während des Aufstehens vom Sofa mit dem Fuß auf den Boden stampfend – »von der Terra firma! – hi! hi! – vielleicht zu einem nassen Grabe. Angenehm!« fuhr Schriften kichernd fort, während er sein einziges Auge mit einer bedeutsamen Miene auf Philipps Gesicht heftete.
Philipps erster Gedanke war, den Besuch zur Tür hinauszuwerfen; Amine jedoch, welche seine Gedanken las, trat mit verschlungenen Armen vor den kleinen Mann, blickte ihn mit Verachtung an und bemerkte:
»Wir alle müssen unser Schicksal über uns ergehen lassen, guter Freund, und der Tod will das seinige haben, sei es auf dem Lande, oder auf der See. Aber selbst wenn ihm der Tod ins Auge schaut, wird Philipp Vanderdecken's Wange nicht so weiß sein, wie die Eurige jetzt.«
»Meint Ihr?« entgegnete Schriften, augenscheinlich ärgerlich über diese ruhige Entschiedenheit von Seiten eines so jungen und schönen Wesens; dann heftete er seine Augen auf den silbernen Tabernakel der Heiligen Jungfrau, der auf dem Kaminmantel stand.
»Ihr seid ein Katholik, wie ich bemerke – he?«
»Ich bin Katholik,« versetzte Philipp, »aber was geht das Euch an? Wann segelt das Schiff aus?« »In einer Woche – hi! hi! – nur eine Woche zur Vorbereitung – nur sieben Tage, um dann alles zu verlassen – kurze Frist!«
»Mehr als zureichend,« entgegnete Philipp, sich vom Sofa erhebend. »Ihr mögt Eurem Kapitän sagen, dass ich nicht fehlen werde. Komm, Amine, wir dürfen keine Zeit verlieren.«
»Nein, in der Tat nicht,« erwiderte Amine; »aber unsere erste Pflicht ist Gastfreundlichkeit. Mynheer, dürfen wir Euch Erfrischung anbieten nach Eurer Wanderung?«
»Heute über acht Tage,« sagte Schriften zu Philipp, ohne Aminen eine Antwort zu geben.
Philipp nickte mit dem Kopfe. Der Kleine wandte sich um, verließ das Zimmer und war in kurzer Zeit nicht mehr zu sehen.
Amine sank auf das Sofa nieder. Das Ende ihrer kurzen Glücksstunde war dem zärtlich liebenden, obgleich heroischen Weibe doch zu plötzlich und zu grausam beigebracht worden. In den Worten und in dem Wesen des einäugigen Boten lag eine gewisse Bosheit und ein Ausdruck, wie wenn er mehr wisse als Andere, so dass sowohl Philipp, als sie selbst scheu und verwirrt wurden. Amine weinte nicht, bedeckte aber ihr Antlitz mit den Händen, während Philipp mit unsteten Schritten in dem kleinen Gemache auf- und abging. Die halbvergessenen Szene tauchten wieder auf's Lebhafteste in seiner Erinnerung auf. Abermals trat er in die verhängnisvolle dunkle Stube. Die Stickerei lag zu seinen Füßen, und wieder fuhr er zurück, als er den Brief auf dem Boden bemerkte.
Sie waren beide aus dem Traum ihres gegenwärtigen Glücks erwacht und schauderten vor der furchtbaren Zukunft, die ihnen jetzt mit ihren düsteren Ahnungen nahe trat. Indes reichten einige Minuten zu, um Philipp seine natürliche Selbstbeherrschung wieder gewinnen zu lassen. Er setzte sich an Aminens Seite und schlang sie in seine Arme. Sie blieben stumm – kannten sie ja doch gegenseitig ihre Gedanken zu gut, und es kostete sie eine peinliche Anstrengung, ihren Muth und ihre Herzen gegen die Überzeugung zu stählen, dass sie sich für eine Zeitlang trennen müssten – vielleicht für immer!
Amine ergriff zuerst das Wort; die Arme sinken lassend, die sie um ihren Gatten geschlungen hatte, drückte sie seine Hand an ihr Herz, als wollte sie das peinliche Klopfen desselben beschwichtigen, und bemerkte sodann –
»Gewiss war das kein irdischer Boote, Philipp! Fühltest du dich nicht in den Tod erkältet, als er an deiner Seite saß? Wenigstens ging es mir so, als er hereinkam.«
Philipp hatte wohl den gleichen Gedanken, wünschte aber nicht, Aminen zu beunruhigen, als er verwirrt antwortete:
»Nein, Amine, du bildest dir's nur ein – das heißt, sein plötzliches Erscheinen und sein seltsames Benehmen haben eine derartige Vorstellung in dir geweckt. Was mich betrifft, so sah ich in ihm nur einen Mann, der durch seine Missgestalt zu einem neidischen Auswürfling der Gesellschaft wurde – einen Menschen, dem das häusliche Glück und das Lächeln des andern Geschlechtes versagt ist, denn welches weibliche Wesen könnte freundlich auf eine solche Kreatur blicken? Seine Galle wurde rege, als er so viel Schönheit in den Armen eines Andern sah, und es machte ihm eine boshafte Freude, eine Nachricht überbringen zu dürfen, von der er wusste, sie werde eine Wonne verkürzen, die ihm unzugänglich ist. Sei versichert, meine Liebe, das ist das Ganze.«
»Und selbst wenn meine Vermutung richtig wäre, was läge daran?« versetzte Amine. »Es gibt Nichts mehr – Nichts, was deine Lage furchtbarer und verzweifelter machen könnte. Als deine Gattin, Philipp, fühle ich weniger den Mut, den ich besaß, als ich dir meine Hand reichte. Damals kannte ich den Umfang meines Verlustes noch nicht – doch fürchte nichts: wie tief ich auch hier fühle,« fügte Amine bei, indem sie ihre Hände an's Herz drückte – »so bin ich doch gefasst und stolz darauf, dass mein Gatte für ein solches Werk erkoren wurde.« Amine hielt inne. »Du kannst dich doch nicht geirrt haben, Philipp?«
»Nein, Amine; ich habe mich weder in der Aufforderung, die an mich ergangen, noch in meinem eigenen Mut, oder in der Wahl meiner Gattin geirrt,« entgegnete Philipp traurig, indem er sie mit seinen Armen umschlang. »Es ist der Wille des Himmels.«
»So möge er denn geschehen!« erwiderte Amine, von ihrem Sitze aufstehend. »Der erste Schmerz ist vorüber. Ich fühle mich jetzt besser, Philipp. Deine Amine kennt ihre Pflicht.«
Philipp antwortete nicht und Amine fuhr nach einer kleinen Weile fort:
»Aber nur eine kurze Woche, Philipp – –«
»Ich wollte, es wäre nur ein Tag gewesen,« versetzte er; »auch dieser wäre schon lange genug. Das einäugige Ungeheuer ist zu bald gekommen.«
»Nicht doch, rede nicht so, Philipp. Ich danke ihm für diese Woche – es ist doch eine kurze Frist, um mich meines Glückes zu entwöhnen. Freilich, würde ich dich nach Weise so vieler anderer Weiber durch meine Tränen quälen, ärgern und entmutigen – würde ich dir mit Bitten oder Vorwürfen zusetzen, Philipp, so wäre schon ein Tag mehr als hinreichend, um dich durch meine Schwäche elend zu machen. Doch nein, Philipp, deine Amine kennt ihre Pflicht besser. Du musst wie ein Ritter des Altertums zu einem gefährlichen Abenteuer ausziehen, indem du vielleicht den Tod findest; aber Amine wird dich bewaffnen und dir ihre Liebe zeigen, indem sie sorgfältig jede Niete deines Harnisches schließt und dich ziehen lässt, voll zuversichtlicher Hoffnung deiner Rückkehr entgegenblickend. Eine Woche ist nicht zu lang, Philipp, wenn ich sie, wie ich hoffe, zweckmäßig benütze – eine Woche des Austausches unserer Gefühle, in der ich auf deine Stimme und deine Worte lausche, jedes derselben in mein Herz eingrabe, bei ihnen verweile und meine Liebe damit nähre, wenn du abwesend bist und ich mich einsam fühle. – Nein, nein, Philipp; ich danke Gott, dass es doch noch eine Woche ist.«
»Und auch ich, Amine. Im Grunde wussten wir ja, dass es so kommen musste.«
»Ja! Aber meine Liebe war so übermächtig, dass sie die Erinnerung daran ganz verbannte.«
»Und doch muss während unserer Trennung deine