Tokeah. Charles Sealsfield

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Tokeah - Charles  Sealsfield

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konnten und im Miko der Oconees ihren Feind sahen. Sie haben zugegeben, daß die Yankees sich über das ganze Land verbreitet, und, nachdem sie zahlreicher geworden als der Büffel auf den Fluren der großen Cumanchees, haben sie, die Toren, das Kriegsgeschrei erhoben, und wurden – geschlagen und vernichtet.«

      Ein dumpfes Stöhnen erhob sich in der Versammlung und dauerte eine geraume Weile. Der Sprecher fuhr fort.

      »Ihre bleichenden Gebeine sind nun mit Erde bedeckt, und ihr Blut ist vom Regen weggewaschen; aber ihr Land ist von ihnen genommen, auf ihren Flüssen schwimmen nicht mehr ihre Kanus. Die Rosse der Weißen laufen nun auf breiten Pfaden durch ihre Wälder, die angefüllt sind mit Krämern und absterben durch ihre verwüstenden Hände. Was ihre Kugeln und ihre langen Messer übriggelassen, wird ihre gekrümmte Zunge, ihr Feuerwasser vollends aufreiben. Tokeah hat ihn gesehen, den heiligen Grund, er hat sie gesehen, die verbrannten, zerstörten Dörfer seines Volkes, er hat also gesehen seine Brüder, sie gesehen, wie sie vor den Häusern mit gemalten Schildern lagen, Schweinen gleich, ihre Gewehre und Tomahawks mit Kot besudelt, sie selbst die Zielscheibe der Verachtung und Beschimpfung der schwarzen Sklaven.«

      Die letzten Worte hatte er mit einer beinahe schmerzlichen Wut mehr herausgestoßen als ausgesprochen. Ein dumpfes Geheul entfuhr der Versammlung. Der alte Mann fuhr fort:

      »Durch die Wälder, in denen Tokeah als Häuptling, als ein mächtiger Miko gejagt, hat er gleich einem Diebe im Dunkeln schleichen müssen, wenn die Sonne hinter den Bergen war. Sein Volk, die Blüte des roten Geschlechtes, hat er im Unflate, in Pfützen sich wälzen gesehen.« Als er diese Worte gesprochen, fiel sein Haupt wieder in seine beiden Hände, und eine lange Pause erfolgte.

      »Und hat der große Miko nicht zu seinen Brüdern geredet?« fragte der zweite Indianer. Der Häuptling erhob sein Antlitz und betrachtete den Sprecher einige Augenblicke mit einem würdevollen Ausdrucke.

      »Hat mein Bruder vergessen,« sprach er endlich, »daß unsre roten Brüder jenseits des großen Flusses selbst das Band zerrissen haben, welches Tokeah und seine Männer an sie knüpfte, und daß sie ihn und die Seinigen verrieten und sie zwangen, dem Lande ihrer Väter den Rücken zu wenden? Nur ein Tor wird zweimal sprechen. Seine Brüder haben ihre Ohren verschlossen vor sieben Sommern, als es noch Zeit war, einen Schlag zu tun; und nun hat der Miko seinen Mund verschlossen. Seine Zunge war gebunden, als er das Grab seiner Väter zum letzten Male sah; denn sein Herz war mit seinen treuen Männern. Aber nicht lange, und die Muscogees werden von den Weißen aus ihrem noch übriggebliebenen Besitze getrieben werden, so wie sie die Hirsche und Elke über den großen Fluß getrieben. Sie werden kommen, um ihre Wigwams auf dieser Seite des großen Flusses aufzuschlagen; dann wird Tokeah seine geöffnete Hand ausstrecken, um sie zu empfangen. Sein Wigwam wird für sie bereitstehen. Seine Männer haben Fülle von Wild und Korn, und ihre Mädchen wissen Jagdhemden zu weben. Er wird teilen mit den Ankommenden, was er besitzt, und dann wird die gebrochene Kette des Verbandes wieder geschlossen werden.«

      Der laute achtungsvolle Zuruf, mit dem die Worte des Sprechers aufgenommen wurden, schien eine schmerzliche Wirkung auf ihn hervorzubringen; ohne ein Wort zu erwidern, neigte er sein Haupt auf seine Brust und versank wieder in tiefes Sinnen.

      Die Sonne sank nun in einer Flut von Glorie den westlichen Rücken des Natchez hinab, der breite Gürtel des östlichen schimmerte noch in tausend prachtvollen Tinten. Allmählich schmolzen die gold- und purpurfarbenen Gipfel der Bäume in graues Helldunkel, der silberne Wasserspiegel des grauen Natchez dämmerte ins Dunkelblaue – die Natur schien sich zur Rast begeben zu wollen – ruhig, friedlich, prachtvoll. Der Miko warf einen letzten Blick auf die zitternd zaudernden Strahlen, als sie ermattend ineinander verschmolzen; allmählich zogen sich seine Schenkel aus ihrer kreuzweisen Verschlingung voneinander, und die Fersen auf den Boden stemmend, erhob er sich langsam ohne Anstrengung und ohne seine Hände zu gebrauchen. Sein Aufstehen war das Zeichen des allgemeinen Aufbruches. Alle erhoben sich auf dieselbe Weise, und es schien einen Augenblick, als wenn sie aus der Erde gewachsen wären.

      Der Häuptling schritt nun auf das hinter der Laube stehende Häuschen zu. Nachdem er eingetreten, schloß er die Tür hinter sich. Das Innere bestand aus zwei Stübchen, die voneinander durch einen Teppichvorhang getrennt waren. Der Fußboden und die Wände waren mit Matten überzogen. Längs den Wänden lief ein niedriger Sitz, einem Diwan nicht unähnlich, und ganz mit spanischem Moose ausgefüllt und gleichfalls mit einer Matte überzogen. Zunächst der einen Wand stand eine längliche Tafel von einfacher, kunstloser Arbeit. Auf derselben Seite hing ein Karabiner von amerikanischer Arbeit und daneben ein zweiter sehr schön gearbeiteter, doppelläufiger Stutzen und eine Jagdflinte. Gegenüber waren indianische Waffen in zierlicher Ordnung gereiht: Köcher von Damhirsch- und Alligatorfellen, Bogen, Schlachtmesser und Tomahawks. In der Mitte war eine ziemlich große, kunstreich verzierte Tasche zu sehen, die, einer Jagdtasche nicht unähnlich und auf Wampumart reichlich gewirkt, wahrscheinlich die mysteriöse Medizin des Häuptlings enthielt, die bekanntlich von Vater auf Sohn übergeht, und welcher der amerikanische Wilde, als Symbol der Gewalt, ebensoviele Ehrfurcht bezeugt, als die europäischen Völker den Zeptern, Tiaren und Kronen ihrer geistlichen und weltlichen Herrscher vor alters erwiesen. Die Dämmerung, kurz in diesen Gegenden, war bereits in Dunkelheit übergegangen, als zwei weibliche Gestalten in die Stube traten.

      »Meine Töchter sind lange ausgeblieben«, sprach der alte Mann, der sich auf dem erwähnten Tillandseasitze niedergelassen hatte, seinen Kopf in beiden Händen ruhend.

      »Sie haben die Trauben gesammelt, die Vater so sehr liebt«, erwiderte eines der Mädchen.

      Canondah, die mit Rosa zurückgekehrt war, nahm nun ein irdenes Geschirr, füllte es mit Trauben und setzte es mit zwei andern, deren eines getrocknete Hirschschinken und das andere geröstete Maiskörner enthielt, vor ihren Vater. Sie goß dann eine Flüssigkeit aus einem irdenen Kruge in einen Becher und reichte diesen gleichfalls dem alten Mann, der, nachdem er einen Zug getan, ihn wieder zurückstellte, hierauf einige Stücke vom Hirschschinken schnitt und eine Handvoll gerösteten Kornes nahm. Sein Mahl war ebenso schnell geendigt, als die Vorbereitungen dazu kurz waren, und in wenigen Minuten räumte Canondah die Tafel.

      »Sind meine Kinder nicht hungrig?« fragte er seine mit Wegtragung der Gerichte beschäftigte Tochter.

      »Sie haben von den Trauben gegessen.«

      »Gut!« versetzte der alte Mann und legte sein Haupt wieder in seine vorige Stellung. Das Mädchen hatte kaum diese Bewegung bemerkt, als sie vorwärts glitt, und, vor dem Häuptling niedersinkend, ihre Hände auf ihrem Busen faltete. Er hatte die seinigen auf ihre Schultern gelegt, gleichsam als segnete er sie. So wie sie die Berührung fühlte, brach sie in eine Art melodischen Sumsens aus, das dem Tone entfernter Blasinstrumente nicht unähnlich war. Allmählich jedoch wurde ihre Stimme lauter und stärker, wirbelnd ging sie in die wilden leidenschaftlichen Töne ihres Volksstammes über und wieder in die sanftern der weiblichen Brust. Als sie eine Weile in ihrem improvisierenden Gesang fortgefahren, schien sich ihre Begeisterung dem alten Manne mitzuteilen. Er beugte sich herab zur Sängerin, und seine Stimme vereinte sich mit der ihrigen in den gewöhnlichen tiefen indianischen Kehlentönen. Plötzlich hielt sie inne und fragte singend in den melodischsten Tönen nach der Ursache der Schwermut ihres Vaters.

      »Warum«, sang sie, »ist der Blick des Miko der Oconees trübe, sein Angesicht verfinstert? Er ist ferne von den Gräbern seiner Väter, aber der große Geist ihm nahe; seine Wolken schwimmen beschützend über seinem Haupte, ihn verbergend seinen Feinden, auf daß sie ihn nicht sehen mögen, bis er erstehen wird in seinem gerechten Zorne.« Und sie brach aus in eine melancholische, wild prachtvolle Phantasie, besingend die Großtaten der Mikos der Oconees auf dem Kriegspfade und auf der Jagd; dann sang sie den Ruhm ihres Vaters, seine Wunden und Taten, malte die Schlachten, die er gegen die Tscherokesen und die Weißen geliefert, die Gefahren seines Zugs über den großen Fluß, seine kindliche Frömmigkeit, die ihn nicht ruhen ließ, bis er wieder die Gräber seiner Väter

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