Franz Kafka: Gesammelte Werke. Franz Kafka

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Franz Kafka: Gesammelte Werke - Franz Kafka

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Mann aber wollte sie nicht ausschicken.

      »Nun ja«, sagte Karl, »ich werde gehen.«

      »Sie sind sehr gefällig«, sagte die Frau, und sie wie auch ihr Mann drückten Karl die Hand.

      Die Burschen liefen zusammen, um aus der Nähe zu sehen, wie Karl auf das Podium stieg. Es war, als bliesen die Frauen stärker, um den ersten Stellensuchenden zu begrüßen. Diejenigen aber, an deren Postament Karl gerade vorüberging, gaben sogar die Trompeten vom Munde und beugten sich zur Seite, um seinen Weg zu verfolgen. Karl sah auf dem anderen Ende des Podiums einen unruhig auf und ab gehenden Mann, der offenbar nur auf Leute wartete, um ihnen alle Auskunft zu geben, die man nur wünschen konnte. Karl wollte schon auf ihn zugehen, da hörte er über sich seinen Namen rufen.

      »Karl!« rief der Engel. Karl sah auf und fing vor freudiger Überraschung zu lachen an. Es war Fanny.

      »Fanny!« rief er und grüßte mit der Hand hinauf.

      »Komm doch her!« rief Fanny. »Du wirst doch nicht an mir vorüberlaufen!« Und sie schlug die Tücher auseinander, so daß das Postament und eine schmale Treppe, die hinaufführte, freigelegt wurde.

      »Ist es erlaubt hinaufzugehen?« fragte Karl.

      »Wer will uns verbieten, daß wir einander die Hand drücken!« rief Fanny und blickte sich erzürnt um, ob nicht etwa schon jemand mit dem Verbote käme. Karl lief aber schon die Treppe hinauf.

      »Langsamer!« rief Fanny. »Das Postament und wir beide stürzen um!« Aber es geschah nichts, Karl kam glücklich bis zur letzten Stufe. »Sieh nur«, sagte Fanny, nachdem sie einander begrüßt hatten, »sieh nur, was für eine Arbeit ich bekommen habe.«

      »Es ist ja schön«, sagte Karl und sah sich um. Alle Frauen in der Nähe hatten schon Karl bemerkt und kicherten. »Du bist fast die Höchste«, sagte Karl und streckte die Hand aus, um die Höhe der anderen abzumessen.

      »Ich habe dich gleich gesehen«, sagte Fanny, »als du aus der Station kamst, aber ich bin leider hier in der letzten Reihe, man sieht mich nicht, und rufen konnte ich auch nicht. Ich habe zwar besonders laut geblasen, aber du hast mich nicht erkannt.«

      »Ihr blast ja alle schlecht«, sagte Karl, »laß mich einmal blasen.«

      »Aber gewiß«, sagte Fanny und reichte ihm die Trompete, »aber verdirb den Chor nicht, sonst entläßt man mich.«

      Karl fing zu blasen an; er hatte gedacht, es sei eine grob gearbeitete Trompete, nur zum Lärmmachen bestimmt, aber nun zeigte es sich, daß es ein Instrument war, das fast jede Feinheit ausführen konnte. Waren alle Instrumente von gleicher Beschaffenheit, so wurde ein großer Mißbrauch mit ihnen getrieben. Karl blies, ohne sich vom Lärm der anderen stören zu lassen, aus voller Brust ein Lied, das er irgendwo in einer Kneipe einmal gehört hatte. Er war froh, eine alte Freundin getroffen zu haben und hier, vor allen bevorzugt, die Trompete blasen zu dürfen und möglicherweise bald eine gute Stellung bekommen zu können. Viele Frauen stellten das Blasen ein und hörten zu; als er plötzlich abbrach, war kaum die Hälfte der Trompeten in Tätigkeit, erst allmählich kam wieder der vollständige Lärm zustande.

      »Du bist ja ein Künstler«, sagte Fanny, als Karl ihr die Trompete wieder reichte. »Laß dich als Trompeter aufnehmen.«

      »Werden denn auch Männer aufgenommen?« fragte Karl.

      »Ja«, sagte Fanny, »wir blasen zwei Stunden lang. Dann werden wir von Männern, die als Teufel angezogen sind, abgelöst. Die Hälfte bläst, die Hälfte trommelt. Es ist sehr schön, wie überhaupt die ganze Ausstattung sehr kostbar ist. Ist nicht auch unser Kleid sehr schön? und die Flügel?« Sie sah an sich hinab.

      »Glaubst du«, fragte Karl, »daß auch ich noch eine Stelle bekommen werde?«

      »Ganz bestimmt«, sagte Fanny, »es ist ja das größte Theater der Welt. Wie gut es sich trifft, daß wir wieder beisammen sein werden. Allerdings kommt es darauf an, welche Stelle du bekommst. Es wäre nämlich auch möglich, daß wir, auch wenn wir beide hier angestellt sind, uns doch gar nicht sähen.«

      »Ist denn das Ganze wirklich so groß?« fragte Karl.

      »Es ist das größte Theater der Welt«, sagte Fanny nochmals, »ich habe es allerdings selbst noch nicht gesehen, aber manche meiner Kolleginnen, die schon in Oklahoma waren, sagen, es sei fast grenzenlos.«

      »Es melden sich aber wenig Leute«, sagte Karl und zeigte hinunter auf die Burschen und die kleine Familie.

      »Das ist wahr«, sagte Fanny. »Bedenke aber, daß wir in allen Städten Leute aufnehmen, daß unsere Werbetruppe immerfort reist und daß es noch viele solcher Truppen gibt.«

      »Ist denn das Theater noch nicht eröffnet?« fragte Karl.

      »O ja«, sagte Fanny, »es ist ein altes Theater, aber es wird immerfort vergrößert.«

      »Ich wundere mich«, sagte Karl, »daß sich nicht mehr Leute dazu drängen.«

      »Ja«, sagte Fanny, »es ist merkwürdig.«

      »Vielleicht«, sagte Karl, »schreckt dieser Aufwand an Engeln und Teufeln mehr ab, als er anzieht.«

      »Wie du das herausfinden kannst«, sagte Fanny. »Es ist aber möglich. Sag es unserem Führer, vielleicht kannst du ihm dadurch nützen.«

      »Wo ist er?« fragte Karl.

      »In der Rennbahn«, sagte Fanny, »auf der Schiedsrichtertribüne.«

      »Auch das wundert mich«, sagte Karl, »warum geschieht denn die Aufnahme auf der Rennbahn?«

      »Ja«, sagte Fanny, »wir machen überall die größten Vorbereitungen für den größten Andrang. Auf der Rennbahn ist eben viel Platz. Und in allen Ständen, wo sonst die Wetten abgeschlossen werden, sind die Aufnahmekanzleien eingerichtet. Es sollen zweihundert verschiedene Kanzleien sein.«

      »Aber«, rief Karl, »hat denn das Theater von Oklahoma so große Einkünfte, um derartige Werbetruppen erhalten zu können?«

      »Was kümmert uns denn das?« sagte Fanny. »Aber nun geh, Karl, damit du nichts versäumst, ich muß auch wieder blasen. Versuche, auf jeden Fall einen Posten bei dieser Truppe zu bekommen, und komm gleich zu mir, es melden. Denke daran, daß ich in großer Unruhe auf die Nachricht warte.«

      Sie drückte ihm die Hand, ermahnte ihn zur Vorsicht beim Hinabsteigen, setzte wieder die Trompete an die Lippen, blies aber nicht, ehe sie Karl unten auf dem Boden in Sicherheit sah. Karl legte wieder die Tücher über die Treppe, so wie sie früher gewesen waren, Fanny dankte durch Kopfnicken, und Karl ging, das eben Gehörte nach verschiedenen Richtungen hin überlegend, auf den Mann zu, der schon Karl oben bei Fanny gesehen und sich dem Postament genähert hatte, um ihn zu erwarten.

      »Sie wollen bei uns eintreten?« fragte der Mann. »Ich bin der Personalchef dieser Truppe und heiße Sie willkommen.« Er war ständig wie aus Höflichkeit ein wenig vorgebeugt, tänzelte, obwohl er sich nicht von der Stelle rührte, und spielte mit seiner Uhrkette.

      »Ich danke«, sagte Karl, »ich habe das Plakat Ihrer Gesellschaft gelesen und melde mich, wie es dort verlangt wird.«

      »Sehr richtig«, sagte der Mann anerkennend, »leider verhält sich hier nicht jeder so richtig.«

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