Die verborgenen Geheimnisse. Marc Lindner
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Читать онлайн книгу Die verborgenen Geheimnisse - Marc Lindner страница 18
Vergeblich horchte er nach einem Zeichen. Er setzte den Weg fort, blieb aber nun alle hundert Schritt stehen. Sein Gefühl sagte ihm, dass er nicht mehr weit weg sein konnte.
Nach dem fünften Halt wechselte er die Richtung und ging schräg zurück. Das wiederholte er zweimal bis er endlich etwas in einiger Entfernung fallen hörte.
Er wechselte abermals die Richtung, aber dennoch fand er Claras Baum nicht. Wer wusste wie weit sie in seine Richtung geworfen hatte und in der Nacht waren die Geräusche trügerisch.
Erst jetzt fiel ihm ein, dass er auch für sich ein Zeichen hätte vereinbaren sollen, denn er wollte sie nun ungern rufen. Wer wusste, wer in diesem Wald noch alles wach sein würde.
Er blieb stehen und wartete. Vielmehr blieb ihm nicht übrig. Das nächste Stück fiel keine zehn Meter von ihm entfernt. Nach fünfzehn Metern sah er einen dicken Baum und glaubte ihn wiederzuerkennen.
„Clara“, flüsterte er als er darunter stand.
„Bruder Johannes!“, stieß sie erleichtert aber leise hervor und kletterte hinab.
„Endlich, ich hatte so schrecklich Angst“, fiel sie ihm in die Arme.
„Es ist alles in Ordnung.“ Er fuhr ihr mitfühlend über den Kopf. Sie zitterte am ganzen Leib.
Abermals ließ der Esel ein Schreien ertönen, weil er sich freute Clara wiederzusehen und stupste sie an. Doch diesmal bekam er nichts zu fressen. Stattdessen kraulte Clara ihn hinter den Ohren. Die Zwei hatten sich rasch angefreundet, stellte Hönnlin erfreut fest.
„Was meinst du?“, fragte Hönnlin. „Meinst du, du kannst jetzt schlafen?“
Clara sah ihn an, überlegte kurz und schüttelte zaghaft den Kopf.
„Gut“, atmete Hönnlin erleichtert aus. „Ich würde ohnehin noch lieber eine halbe Stunde gehen, dann eine Rast einlegen und morgen sehr früh aufbrechen. Was immer auch passiert, ich glaube es ist besser, wenn wir denen kein zweites Mal begegnen.“
Clara nickte wie in Trance. Ihr war alles recht, solange sie nicht in die Nähe der Abtrünnigen musste. Bei Nacht durch den Wald zu gehen, war keine leichte Angelegenheit und sie kamen weit weniger schnell voran als am Tag und so gab es Hönnlin noch vor der halben Stunde auf. Fürs erste würde sie keiner einholen und wenn sie morgen früh losgingen, dann war die Fläche, die die anderen absuchen müssten viel zu groß, als dass sie eine Chance hätten sie zu finden. Aber Clara hatte schwer gelitten. Obschon sie mehr als müde war, fand sie lange keinen Schlaf. Auch kam sie aus dem Frieren nicht mehr heraus, weil Hönnlin kein Feuer wagte und wohl auch keines zustande bekomme hätte. Die einzige Wärme, die Hönnlin ihr geben konnte, war die seines Esels. Clara lag eng an seine Seite geschmiegt, da Hönnlin ihr versichert hatte, dass er ruhig schlief, erst recht, wenn er selbst seiner Wärme bedurft hatte.
Mit beginnender Morgendämmerung schreckte Hönnlin aus dem Schlaf. Er hatte ein Geräusch gehört. Er blickte sich bedächtig um. Es war wohl ein Tier gewesen. Trotzdem stand er auf und ging in einem weiten Kreis um ihr notdürftiges Lager. Es war kein Mensch weit und breit. Dennoch wurde er seine innere Unruhe nicht los als er vor Clara stand. Ihre Augen flackerten ängstlich im Schlaf. Er blieb unentschlossen stehen. Es war wahrscheinlich übertrieben, aber er wollte weiter. Aus Erfahrung wusste er, dass einzelne Grüppchen an Abtrünnigen selten weit verstreut waren. Oft gingen sie ihre eigenen Wege, aber doch hielten sie sich in den gleichen Gegenden auf. Es war sicherer Verbündete in der Nähe zu haben und wenn ihre Gäste von heute Nacht aufwachten, würden sie vielleicht Alarm schlagen.
Mit diesem Wissen bückte er sich. „Wach auf“, fuhr er ihr sanft an die Schulter. Sie war viel zu schnell wach und wollte sich gleich aufrichten. „Es ist alles in Ordnung. Ich möchte nur weiter.“
Clara nickte und stand auf. Der Aufbruch ging rasch von statten.
„Es tut mir leid, dass das passiert ist.“ Hönnlin machte sich deshalb große Sorgen.
„Sie konnten doch nichts dafür“, sprach Clara endlich und versuchte sich an einem Lächeln.
Sie schluckte angestrengt, da ihre Kehle ganz trocken war.
„Ich habe fürchterlich Durst“, sorgte sie sich jetzt um andere Dinge und ging zum Esel der unbekümmert hinter ihnen her schritt. Dort hing ihre Trinkflasche.
„Nimm nur kleine Schlucke“, riet Hönnlin dem eben erst auffiel, dass er das gleiche Bedürfnis empfand. Er griff zu seiner Flasche. „Sonst kullert das Wasser nachher in deinem Bauch.“ Er setzte zum ersten Schluck an. „Das ist kein gutes Gefühl.“
Clara zwang sich sichtlich nicht gleich die ganze Flasche zu leeren.
„Wie sieht es mit deinem Hunger aus?“, wollte Hönnlin wissen.
„Habe ich auch. Aber ich dachte es ist besser, wenn wir jetzt keine Rast machen?“
„Tapferes Mädchen“, lobte er Clara. „Ohnehin muss ich gestehen, dass wir nichts mehr zu essen haben.“ Hönnlin setzte eine Miene auf, die sein schlechtes Gewissen zeigte.
„Aber“, begann Clara verwirrt. „Aber sie waren doch alles zurückholen?“ Clara konnte das nicht recht verstehen.
„Ja und nein“, gestand Hönnlin. „Ich habe alles geholt, was wir wirklich brauchen. Viel von unseren Rationen hatten die Fünf ohnehin bereits in sich gestopft. Den Rest habe ich ihnen gelassen.“
„Aber wieso? Werden wir jetzt verhungern?“ Clara war gleichermaßen verwirrt und besorgt.
„Werden wir nicht. Nicht wenn du mit mir unterwegs bist und nicht zu dieser Jahreszeit. Wir werden alles finden, was wir brauchen. Wir werden nur etwas Zeit verlieren.“
Clara nickte bloß. Sie konnte es sich nicht vorstellen. Ja, er hatte ihr bereits Einiges gezeigt, und die Pilze vom gestrigen Abend hatten sie selbst gepflückt. Aber konnten sie so viel finden, dass es für den Rest des Weges reichte?
„Du hast gefragt, warum?“, fuhr Hönnlin fort.
Clara nickte.
„Es gibt zwei Gründe“, erklärte er. „Erstens führen sie ein hartes und vielleicht ungerechtes Leben und die Freude wollte ich ihnen nicht nehmen.“
Das machte keinen Sinn, fand Clara.
„Zweitens musst du eines bedenken, merk dir das gut, man begegnet sich immer zwei Mal im Leben. Und selbst wenn nicht, so wollte ich sie freundlich stimmen, denn sie werden dies auch bei anderen Reisenden versuchen und dann ist es gut, wenn sie nicht böse gestimmt sind.“
„Aber sie sind doch böse“, widersprach Clara.
„Nein Clara, die Fünf waren nicht böse und das war unser Glück.“
„Aber Mathias“, begann Clara und wusste nicht recht, wie sie ihn beschreiben sollte.
„Auch er nicht. Ja, er war grob, aber nicht böse. Eigentlich wollte er sich nur aufspielen. Das tun die meisten Menschen, wenn sie glauben über etwas Macht zu verfügen.“
„Aber noch keiner wollte mich töten!“
„Mathias