Tom Jones. Henry Fielding

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Tom Jones - Henry Fielding

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um sich eine viel gegründetere Zufriedenheit zu verschaffen. Der Kapitän merkte nicht so bald Fräulein Brigittens edle Leidenschaft (in welcher Entdeckung er sehr schnellsichtig war), als er solche treulich erwiderte. Die Dame war ebensowenig als ihr Geliebter von sehr auffallender Schönheit. Ich würde versuchen, ihr Porträt zu entwerfen, wenn das nicht bereits von einem geschicktern Meister, vom großen Hogarth selbst geschehen wäre, dem sie vor verschiedenen Jahren zu dieser Zeichnung saß, welche Zeichnung von diesem großen Kupferstecher neulich in einem Blatte bekannt gemacht ist, das der Wintermorgen heißt und wovon sie kein unschickliches Sinnbild war. Auf diesem Blatte kann man sie nach Koventgarden-Kirche gehen sehen (denn auf dem Blatte ist sie gehend dargestellt) mit einem verhungerten Diener hinter sich, der ihr das Gebetbuch nachträgt.

      Der Kapitän gab ebenfalls mit überlegender Weisheit dem solideren Genuß, den er sich mit dieser Dame versprach, vor den vergänglichen Reizen der Person den Vorzug. Er war einer von den weisen Männern, welche die Schönheit am weiblichen Geschlecht als eine sehr wertlose und unbedeutende Eigenschaft betrachten oder, um es der Wahrheit gemäßer zu sagen, welche lieber alle Bequemlichkeiten des Lebens mit einer häßlichen Gattin, als eine schöne Ehefrau ohne alle jene Bequemlichkeiten besitzen wollen; und da er einen sehr guten Appetit besaß und eben nicht lecker war, so dünkte ihn, er wolle beim Ehestandsmahle seine Rolle recht gut spielen, ohne eben der Schönheitsbrühe zu bedürfen.

      Um mit dem Leser ganz ehrlich umzugehen, wollen wir ihm sagen, daß der Kapitän sogleich nach seiner Ankunft wenigstens von dem Augenblick an, da ihm sein Bruder die ersten Vorschläge gethan hatte und lange vorher noch, eh er einige schmeichelhafte Anzeichen an Fräulen Brittja entdeckte, heftig verliebt worden war: nämlich in Herrn Alwerths Häuser, Gärten, Ländereien, Meiereien und was so zu der Erbschaft gehörte, in welches alles der Kapitän so innigst verliebt geworden, daß er sie höchst wahrscheinlicherweise erheiratet haben würde, wäre er auch genötigt gewesen, die Hexe von Endor als Zugabe mit in den Kauf zu nehmen.

      Da also Herr Alwerth sich gegen den Doktor erklärt hatte, daß er gar nicht willens sei, eine zweite Frau zu nehmen; da seine Schwester seine nächste Verwandte war, und da ferner der Doktor ausfindig gemacht hatte, daß sein Vorsatz sei, wenn seine Schwester ein Kind bekäme, solches zum Erben einzusetzen, welches denn freilich die Gesetze ohne sein Zuthun würden befohlen haben: so hielten es der Doktor und sein Bruder für eine wohlthätige Handlung, einem menschlichen Geschöpfe sein Dasein zu geben, welches mit den wesentlichsten Mitteln zur Glückseligkeit so gar reichlich versehen sein würde. Alle Gedanken beider Brüder waren also darauf gerichtet, wie die Liebe dieses holdseligen Frauenzimmers zu gewinnen stehe.

      Aber Madame Fortuna, die eine so zärtliche Mutter ist und oft mehr für ihre Augäpfelkinder thut, als solche verdienen oder nur wünschen, hatte so fleißig zum Besten des Kapitäns gewirkt, daß das Fräulein, unterdessen daß er Plänchen zur Ausführung seines Zweckes anlegte, mit ihm einerlei Verlangen empfand und ihrerseits darauf sann, wie sie dem Kapitän schicklicherweise Hoffnung machen könnte, ohne dabei zu vorschüssig zu scheinen; denn sie war eine strenge Beobachterin aller Regeln der Zucht und Ehrbarkeit. Dies gelang ihr indessen ohne viel Mühe; denn da der Kapitän beständig auf der Warte stand, so entwischte ihm kein Blick, Gebärde oder Wort.

      Die Freude, welche der Kapitän über das holdselige Betragen des Fräulein Brigitta empfand, ward nicht wenig durch die Furcht vor Herrn Alwerth gemindert; denn ungeachtet seiner uneigennützigen Erklärung deuchte doch dem Kapitän, würde er, wenn es zur That käme, dem Beispiel der übrigen Weltmänner folgen und seine Einwilligung zu einer Verbindung versagen, die seiner Schwester in Ansehung der Glücksumstände so nachteilig wäre. Von was für einem Orakel er diese Meinung mitgeteilt erhalten hatte, das überlasse ich der Entscheidung des Lesers. Er sei aber dazu gekommen, wie er wolle, so setzte es ihn doch in nicht geringe Verlegenheit, wie er sein Benehmen so einrichten sollte, zu gleicher Zeit seine Neigung der Dame zu entdecken und ihrem Bruder zu verhehlen. Am Ende beschloß er, alle geheime Gelegenheiten wahrzunehmen, wo er sich ihr als Verliebten zeigen konnte; in Gegenwart des Herrn Alwerth aber so zurückhaltend und so sehr auf seiner Hut zu sein als nur immer möglich; und dieses Betragen fand den höchsten Beifall des Bruders.

      Er fand bald Mittel, seiner Schönen einen förmlichen Liebesantrag zu thun und von ihr eine Antwort in gehöriger Form zu erhalten; das heißt, eben die Antwort, welche vor etlichen tausend Jahren schon auf den ersten Antrag gegeben worden und welche seitdem allezeit durch eine ununterbrochene Tradition von Mutter auf Tochter gebracht ist. Sollte ich sie ins Lateinische übersetzen, so würde ich es durch zwei Worte, nolo episcopari, geben; eine bräutliche Redensart, die bei andern Gelegenheiten schon seit undenklichen Jahren her im Gebrauch ist.

      Der Kapitän, wie er auch immer zu der Kenntnis gelangt sein mochte, verstand seine Schöne vollkommen richtig und wiederholte sehr bald darauf seine Anwerbung mit mehr Ernst und Wärme als vorher und ward abermals in gehöriger Form abgewiesen; so wie aber bei ihm das Verlangen immer dringender wurde, so nahm in eben dem Verhältnis bei der Dame die Heftigkeit im Verweigern immer mehr ab.

      Um dem Leser damit keine Langeweile zu machen, daß wir ihn durch jeden Auftritt dieser Liebeshandlung hindurch führen (welche zwar nach der Meinung eines gewissen großen Gelehrten die behaglichste Szene des Lebens für die handelnde Person selbst ausmacht, dennoch für die Zuschauer vielleicht so schal und langweilig ist, als nur immer eine andre Szene sein kann), sagen wir hiermit in aller Kürze, der Kapitän machte seine Approchen nach den Regeln der Kunst in gehöriger Form; die Zidatelle ward in gehöriger Form verteidigt und ergab sich endlich in gehöriger Form auf Diskretion.

      Während dieser ganzen Zeit, welche beinahe einen Monat betrug, beobachtete der Kapitän ein sehr ehrfurchtsvolles Bezeigen gegen das Fräulein, wann ihr Bruder zugegen war, und je weiter er es unter vier Augen mit ihr brachte, desto zurückhaltender betrug er sich gegen sie in Gesellschaft anderer Zeugen. Die holde Braut anlangend, so hatte sie nicht so bald den Geliebten in ihre sichere Gewahrsame gebracht, als sie sich gegen ihn in Gesellschaft mit dem höchsten Grade von Gleichgültigkeit betrug, so daß Herr Alwerth die Einsicht des Teufels (oder noch eine von seinen schlimmern Eigenschaften) hätte besitzen müssen, um den geringsten Argwohn von dem, was vorging, zu fassen.

Zwölftes Kapitel.

      Enthält, was vielleicht der Leser darin zu finden erwartet.

      Bei allen Händeln, sei's, um sich zu schlagen oder zu verheiraten oder sonst dergleichen Geschäften, werden wenig vorläufige Zeremonien erfordert, um sie abzuthun, wenn es beiden Parteien damit ein wahrer Ernst ist. Dies war hier gegenwärtig wirklich der Fall und in weniger als einem Monate waren der Kapitän und seine Schöne Mann und Frau.

      Nunmehr war der große Punkt, dem Herrn Alwerth die Sache beizubringen, und dies unternahm der Doktor.

      Eines Tages also, da Herr Alwerth in seinem Garten spazieren ging, kam der Doktor zu ihm und sagte mit großer Ernsthaftigkeit in den Mienen und mit alle dem Kummer, den er nur in seinem Wesen nachzumachen vermochte: »Ich komme, lieber Herr Alwerth, Ihnen eine Sache von der größten Wichtigkeit vorzubringen; aber wie soll ich Ihnen da mitteilen, was mir fast den Kopf verwirrt, da ich nur dran denke!« Hierauf brach er in die bittersten Schmähungen aus, beides gegen Männer und Weiber; beschuldigte die ersten, ihr Sinnen und Trachten ginge bloß auf ihren Eigennutz, und die letztern, sie wären den verbotenen Neigungen so ergeben, daß man sie niemals mit Sicherheit einer Person des männlichen Geschlechts anvertrauen könnte. »Hätte ich's vermuten können, teuerster Herr Alwert, daß eine Dame von so kluger Vorsichtigkeit, so richtigem Urteile und solcher Gelehrsamkeit einer so unüberlegten Leidenschaft Raum geben würde; oder hätte ich mir einbilden können, daß mein Bruder – doch, was nenn' ich ihn Bruder? er ist mein Bruder nicht mehr –«

      »Gewiß aber ist er das,« sagte Alwerth, »und der meinige dazu.« – »Ums Himmelswillen, Herr Alwerth,« sagte der Doktor, »wissen

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