Der kleine Lord. Frances Hodgson Burnett

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Der kleine Lord - Frances Hodgson Burnett

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hatte ich eine Unterredung mit Mylord, in deren Verlauf er mir verschiedene Verhaltungsmaßregeln gab. Sein Wunsch ist, daß sein Enkel dem künftigen Leben in England und auch der Begegnung mit ihm selbst mit Vergnügen und freudigen Erwartungen entgegensehen solle. Er hat mir ausdrücklich gesagt, daß ich Seine Herrlichkeit von der Umwandlung seiner Verhältnisse in Kenntnis setzen solle und ihm mitteilen, daß ihm Geld und jegliches Vergnügen, das seinem Alter angemessen, zur Verfügung stehe; er hat mir außerdem den Auftrag erteilt, jeden Wunsch des Knaben zu erfüllen und ihm dabei zu sagen, daß es sein Großvater sei, der ihm diese Freuden bereite. Nun bin ich mir allerdings wohl bewußt, daß der Graf hierbei ganz andre Dinge im Sinne hatte; wenn jedoch Lord Fauntleroy Freude daran findet, der armen Frau zu helfen, so würde es nicht in der Absicht meines Auftraggebers liegen, ihm dies Vergnügen zu versagen.«

      Es war das zweite Mal, daß Mr. Havisham die Wünsche des Grafen in einer Umschreibung wiedergab. Seine Herrlichkeit hatte gesagt: »Der Junge soll wissen, daß ich ihm geben kann, was sein Herz begehrt; er soll merken, was es heißt, der Enkel des Grafen Dorincourt sein. Kaufen Sie ihm, was ihm einfällt, stecken Sie ihm die Taschen voll Geld und sagen Sie ihm, daß es von seinem Großvater komme.«

      Die Motive dieser Großmut waren nichts weniger als rein, und wenn es sich um ein minder liebevolles, warmherziges Kind gehandelt hätte, würde das Experiment vielleicht schlimm ausgefallen sein. Cedriks Mutter ahnte keinerlei Gefahr; sie dachte einfach, daß ein einsamer, unglücklicher alter Mann, der seinen Kindern hatte ins Grab blicken müssen, ihrem Jungen Liebe erweisen und seine Neigungen gewinnen wollte. Dabei freute sie sich, daß Cedrik der armen Frau sollte helfen können, und es ward ihr leichter ums Herz bei dem Gedanken, daß die erste Wirkung dieser seltsamen Wandlung ihres Geschickes die sein sollte, daß ihr Kind andern helfen und beistehen konnte, und ein warmes Rot stieg in ihr hübsches, schmales Gesicht.

      »O,« sagte sie, »das war sehr gütig von dem Grafen, und wie wird Cedrik sich freuen! Er hing immer sehr an dieser Bridget und ihrem Manne; die Leute sind einer Unterstützung würdig, und es hat mir oft weh gethan, daß ich nicht mehr geben konnte. Der Mann ist ein tüchtiger Arbeiter, aber nun war er lange krank und hat kostspielige Arzneien und allerhand Stärkung nötig gehabt.«

      Mr. Havisham zog seine Brieftasche hervor und öffnete sie langsam mit einem eigentümlichen Lächeln. Er überlegte sich im stillen, was der Graf wohl über diesen ersten, seinem Enkel gewährten Wunsch denken werde, und war nicht sehr im klaren, wie der mürrische, egoistische Herr diese Deutung seines Auftrages auffassen werde.

      »Ich weiß nicht, gnädige Frau,« fuhr er fort, »ob Ihnen genau bekannt ist, daß der Graf Dorincourt ein ungemein reicher Mann ist und vollkommen in der Lage, jede Laune zu befriedigen. Er wäre ohne Zweifel ganz damit einverstanden, daß Lord Fauntleroys Einfälle ausgeführt werden. Darf ich Sie bitten, ihn hereinzurufen, ich werde ihm fünf Pfund für die Leute geben.«

      »Fünfundzwanzig Dollar!« rief Mrs. Errol. »Das ist ja ein Vermögen für die Frau, das kann ich kaum glauben!«

      »Glauben Sie es immerhin und gewöhnen Sie sich an den Gedanken, daß im Leben Ihres Knaben ein Wendepunkt eingetreten ist, und daß von jetzt ab viel Macht in seine Hände gegeben sein wird.«

      »Ach, und er ist noch so jung – noch solch ein ganzes Kind! Wie soll ich ihn lehren, sie segensreich zu gebrauchen? Ich erschrecke fast davor – mein kleiner, guter Herzensjunge.«

      Der Advokat hatte abermals das Bedürfnis, sich zu räuspern, es war merkwürdig, wie der ängstliche, schüchterne Blick dieser braunen Augen sein verknöchertes Herz rührte.

      »Wenn ich aus der Unterredung, die ich heute früh mit Lord Fauntleroy gehabt, schließen darf, gnädige Frau, so möchte ich vorhersagen, daß der künftige Herr von Dorincourt mindestens ebensoviel an andre als an seine Person denken wird. Er ist freilich nur ein Kind, aber meiner Ansicht nach, in dem Punkte zuverlässig.«

      Die Mutter ging, Cedrik zu holen, und brachte ihn ins Wohnzimmer. Vor der Thüre hörte Mr. Havisham ihn laut reden.

      »Entzündlichen Rheu'tismus hat er,« sagte er, »und das ist eine besonders schreckliche Art von Rheu'tismus, Und er denkt immer an die Hausmiete, die nicht bezahlt ist, und Bridget sagt, das mache die Entzündlichkeit viel schlimmer. Pat könnte eine Stelle kriegen in einem Laden, aber er hat keine anständigen Kleider.«

      Das kleine Gesicht war noch ganz bekümmert, als er hereinkam; offenbar thaten ihm seine Schützlinge sehr leid.

      »Herzlieb sagt, Sie wollen etwas von mir,« wandte er sich an Mr. Havisham. »Ich habe nur mit Bridget gesprochen.«

      Mr. Havisham sah ihn freundlich an, fühlte sich aber einigermaßen verlegen und ungeschickt; wie die Mutter gesagt hatte, war er doch noch ein sehr kleiner Junge.

      »Der Graf Dorincourt,« begann er und warf dann unwillkürlich einen hilfesuchenden Blick auf Mrs, Errol.

      Plötzlich kniete die Mutter an der Seite des kleinen Lord und schlang zärtlich die Arme um seine schlanke kleine Gestalt.

      »Herzenskind, der Graf, siehst du, ist dein Großvater – deines Papas Vater, und er ist sehr, sehr gütig und hat dich lieb und möchte, daß du ihn auch lieb hättest, jetzt, wo alle drei Söhne tot sind, die einst seine kleinen Jungen waren. Er möchte dich glücklich wissen und möchte, daß du andre glücklich machst, und er ist sehr reich und will, daß du alles haben sollst, was du dir wünschest. Das hat er Mr. Havisham gesagt und hat ihm viel, viel Geld für dich gegeben. Wenn du nun willst, so darfst du Bridget so viel geben, daß sie ihre Miete bezahlen und ihrem Manne alles kaufen kann, was er braucht – ist das nicht herrlich, Ceddie? Ist der Großpapa nicht gut?« Und sie küßte das Kind auf seine runden Wangen, deren Farbe vor lauter Freude und Aufregung immerfort wechselte.

      »Kann ich das Geld jetzt gleich haben?« rief er. »Darf ich's ihr jetzt geben? Sie will eben gehen.«

      Mr. Havisham händigte ihm die Summe ein, und er stürmte aus dem Zimmer.

      »Bridget,« hörte man ihn jubelnd rufen. »Bridget, so warte doch. Hier ist Geld, das gehört dir, jetzt kannst du deine Miete zahlen. Mein Großpapa hat es mir gegeben für dich und Michael!«

      »O Master Ceddie,« stotterte Bridget ganz überwältigt. »Das sind ja fünfundzwanzig Dollar. Wo ist die Mrs. Errol?«

      »Ich werde wohl selbst gehen müssen und ihr die Sache klar machen,« sagte Mrs. Errol.

      Mr. Havisham blieb allein, und seine Gedanken flogen zurück zu dem heftigen, egoistischen Greise, der sein lebenlang nicht Zeit gefunden hatte, an etwas andres zu denken als an sich und sein Vergnügen, und der nun als alter Mann keine Menschenseele um sich hatte, die ihm zugethan war. Und daneben stellte sich ihm in scharfem Gegensätze das Bild des hübschen, frischen Jungen dar, wie er in seinem Stuhle gesessen und von Dick und seinen andern Freunden erzählt hatte, und er bedachte, welch unermeßliche Reichtümer, welch herrliche Besitzungen, welche bedeutende Macht zum Bösen oder Guten eines Tages in den kleinen runden Händchen liegen werde, die der kleine Lord so tief in seine Taschen zu versenken liebte.

      »Es wird vieles anders werden,« sagte er sich, »ganz anders werden die Dinge sich gestalten.«

      Bald darauf trat Cedrik mit seiner Mutter wieder ein, der Junge in großer Erregung. Er setzte sich auf seinen eignen kleinen Stuhl zwischen die Mutter und den Advokaten und nahm eine seiner wunderlichen Stellungen an, die Hände um die Kniee gefaltet.

      »Geweint hat sie,« sagte er ganz strahlend. »Vor Freude geweint – das hab' ich noch nie gesehen! Mein Großpapa muß sehr gut sein, hab's gar nicht gewußt,

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