Quentin Durward. Walter Scott
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„Tretet näher, Graf Crevecoeur“, sprach Ludwig, nachdem er einen flüchtigen Blick auf die Vollmacht geworfen hatte, „es bedurfte dieses Schreibens unsers Vetters nicht, einen so wohlbekannten Krieger einzuführen, noch uns des wohlverdienten hohen Vertrauens zu versichern, worin Ihr bei Eurem Herrn steht. Wir hoffen, dass Eure schöne Gemahlin, in deren Adern auch Blut von unsern Vorfahren fließt, bei bester Gesundheit ist. Hättet Ihr sie mitgebracht, so hätten wir gedacht, Ihr tragt Eure Rüstung bei dieser ungewohnten Gelegenheit, um die Überlegenheit ihrer Reize gegen die verliebte Ritterschaft Frankreichs zu behaupten. In diesem Fall aber vermögen wir nicht zu erraten, aus welchem Grunde Ihr in diesem vollständigen Waffenschmuck vor Uns erscheint.“
„Sire“, erwiderte der Gesandte, „Meine Wenigkeit, Graf Crevecoeur muss sein Missgeschick bedauern und um Vergebung bitten, dass er die königliche Artigkeit, womit Eure Majestät ihn beehrt hat, nicht mit der gebührenden demütigen Unterwürfigkeit verehren kann. Allein obgleich es bloß die Stimme Philipp Crevecoeurs von Cordes ist, die da spricht, so müssen doch die Worte, die er vorbringt, die seines gnädigsten Herrn und Souveräns sein.“
„Und was hat Crevecoeur mit den Worten Burgunds vorzubringen?“, fragte Ludwig, in einem Ausdruck königlicher Würde. „Doch halt! Erinnert Euch, dass in diesem Augenblick Graf Crevecoeur zu dem spricht, den er seines Herrn Souverän nennen muss.“
„König von Frankreich, der mächtige Herzog von Burgund sendet Euch nochmals eine geschriebene Nachweisung der Unbilden und Bedrückungen, die Euer Majestät Besatzungen und Beamte an seinen Grenzen sich zuschulden kommen ließen, und der erste Punkt seiner Anfrage ist, ob es der Wille Euer Majestät ist, ihm für diese Beeinträchtigungen Genugtuung zu geben?“
Der König warf einen flüchtigen Blick auf die Denkschrift, die ihm der Herold kniend überreichte, und sprach: „Diese Angelegenheiten sind schon lange von unserem geheimen Rat eingesehen worden. Was die Beeinträchtigungen betrifft, über die man Klage führt, so sind einige nur Widervergeltung derjenigen, die meine Untertanen erlitten. Wieder andere durch des Herzogs Besatzungen und Soldaten erwidert worden. Sollten aber noch einige übrig sein, die nicht zu den Genannten zu rechnen wären, so sind Wir als christlicher Fürst nicht abgeneigt, Genugtuung für Unrecht zu geben, das unsere Nachbarn erlitten haben, obgleich es nicht allein ohne unser Zutun, sondern sogar gegen Unsern ausdrücklichen Befehl verübt worden ist.“
„Ich werde Eurer Majestät Antwort“, erwiderte der Gesandte, „meinem gnädigsten Gebieter überbringen; erlaubt mir jedoch zu bemerken, dass sie in keiner Hinsicht von den früheren ausweichenden Antworten verschieden ist, die ihm bereits auf seine gerechten Beschwerden zugekommen sind, und dass ich darum nicht hoffen kann, sie werde dazu beitragen, Frieden und Freundschaft zwischen Frankreich und Burgund wiederherzustellen.“
„Sei dem, wie es wolle“, erwiderte der König. „Nicht aus Furcht vor den Waffen Eures Gebieters, sondern einzig um des Friedens willen gebe ich eine so gemäßigte Antwort auf seine beleidigenden Vorwürfe. Doch fahrt fort mit Eurem Auftrag. Es wird sicherlich noch mehr Punkte geben.“
„Die weitere Forderung meines Gebieters“, fuhr der Gesandte fort, „geht dahin, dass Eure Majestät aufhöre, geheime Einverständnisse mit seinen Städten Gent, Lüttich und Mecheln zu vereinbaren. Er verlangt, dass Eure Majestät die geheimen Unterhändler zurückruft, die unter seinen Bürgern von Flandern Unzufriedenheit anfachen. Des Weiteren sollen die verräterischen Flüchtlinge, die von dem Schauplatz ihrer Umtriebe Aufnahme in Paris, Orleans, Tours und andern französischen Städten gefunden haben, aus Euern Landen ausgewiesen oder vielmehr ihrem Lehnsherrn zur wohlverdienten Bestrafung überantwortet werden.“
„Sagt dem Herzog von Burgund“, versetzte der König, „dass ich von solchen geheimen Umtrieben, deren er mich beschuldigt, nichts wisse. Meine französischen Untertanen mit den Städten Flanderns nur in Handelsverkehr stehen, dessen Unterbrechung sowohl seinem als meinem Interesse zuwiderliefe. Fernerhin leben viele Flamen in meinem Königreich die den Schutz meiner Gesetze genießen. Soviel mir bekannt jedoch keine, Verrat oder Meuterei gegen den Herzog von Burgund anzettelten. Doch fahrt fort mit Eurer Botschaft! Meine Antwort auf das Bisherige habt Ihr vernommen.“
„Mit Bedauern, wie zuvor, Sire“, erwiderte Graf Crevecoeur, „denn sie ist nicht so bestimmt und ausführlich, wie sie mein Herr, der Herzog, sie erwartet. Ob sie Eure Majestät in Abrede stellt, oder nicht. Ich fahre fort mit meiner Botschaft. Der Herzog verlangt von dem König von Frankreich, dass er ohne Verzug und unter sicherem Geleit, in sein Land die Gräfin Isabelle von Croye, nebst ihrer Verwandten und Beschützerin, der Gräfin Hameline von derselben Familie zurücksende. In Anbetracht, dass besagte Gräfin Isabelle zufolge der Gesetze des Landes und des Lehnsverbandes ihrer Güter, Mündel des besagten Herzogs von Burgund ist, aus seinem Land floh und sich seiner Obhut entzog, wird erwartet, dass sie zurückgeschickt werde. Scheinbar wird die widerspenstige Gräfin samt Begleitung insgeheim hier von dem Könige von Frankreich zurückgehalten. Auch dazu erwarte ich die Antwort Eurer Majestät.“
„Ihr habt wohlgetan, Graf Crevecoeur“, entgegnete der König zornig, „Eure Botschaft bei guter Tageszeit zu beginnen. Wenn Ihr die Absicht habt, mich für jeden Vasallen, den Eures Herrn heftige Leidenschaft aus seinem Land vertrieb, zur Rechenschaft zu ziehen, so wird die Litanei vor Sonnenuntergang nicht zu Ende sein. Wer kann behaupten, dass die beiden Damen sich in meinem Gebiet befinden? Wer will behaupten, dass ich, wenn dem so wäre, ihnen zur Flucht behilflich war oder sie unter Zusicherung meines Schutzes aufgenommen habe?“
„Sire“, versetzte Crevecoeur, „Eure Majestät gestatten mir zu erwähnen, ich hatte für diese Tatsache einen Zeugen. Dieser sah die flüchtigen Damen im Gasthaus zur Lilie. Und er sah Eure Majestät in ihrer Gesellschaft, obgleich unter der ungeziemenden Verkleidung eines Bürgers von Tours. Ein Zeuge sah, wie er von ihnen in Eurer königlichen Gegenwart Aufträge und Briefe an ihre Freunde in Flandern empfing, die er alle dem Herzog von Burgund unter eingehendem mündlichem Bericht in die Hände lieferte.“
„Bringt uns den Zeugen her“, sagte der König, „stellt mir denjenigen, der solche Unwahrheiten behauptet, gegenüber.“
„Ihr sprecht so triumphierend, Sire, denn Ihr wisset wohl, dass dieser Zeuge nicht mehr lebt. Man nannte ihn, Zamet Magraubin. Er war von Geburt Zigeuner. Wie ich in Erfahrung brachte, ist er gestern von den Leuten des Generalprofoß Eurer Majestät hingerichtet worden. Wahrscheinlich um zu verhindern, dass er hier auftrete, um das zu bestätigen, was er über diesen Gegenstand dem Herzog von Burgund angesichts seines Geheimen Rates und meiner Wenigkeit ausgesagt hat.“
Der König entgegnete daraufhin: „Diese Anschuldigungen sind abgeschmackt, und mein Gewissen ist frei von allem, was mit solcher Tatsache in Verbindung steht, dass ich, bei meiner königlichen Ehre, darüber eher lache. Meine Polizeiwache bringt pflichtmäßig alle Diebe und Landstreicher vom Leben zum Tode; und was immer diese Diebe und Landstreicher unserem heißblütigen Vetter von Burgund und seinem weisen Rat zutragen, ist Verleumdung meiner Krone. Ich bitte Euch, meinem lieben Vetter zu sagen, dass er am Besten täte, wenn er solche Gesellschaft liebt, sie in seinem Land zu behalten, denn hier wird ihnen nur eine kurze Beichte und ein festes Stück Hanfstrick bewilligt.“
„Mein Herr bedarf keiner solcher Untertanen, Herr König“, erwiderte der Graf in einem minder ehrfurchtsvollen Ton, als dem, in welchem er bisher gesprochen hatte, „denn der edle Herzog pflegt nicht Hexen, herumstreunende Zigeuner und derlei Volk über das künftige Schicksal und die Bestimmung seiner Nachbarn und Verbündeten zu befragen.“
„Wir haben bis jetzt Geduld gehabt“, unterbrach ihn der König, „und werden, da der Zweck Seiner Sendung nur der gewesen zu sein scheint, Uns zu beleidigen, jemand in Unserm Namen an den Herzog von Burgund senden. Überzeugt, dass Er in Seinem Benehmen