Bern ... aus einer anderen Sicht. Peter Baumgartner
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Der Abend gestaltete sich alles andere als zufriedenstellend. Der Ofen liess sich nach wie vor nicht in Gang setzen und die Temperaturen im Haus waren so, dass man den Hauch sah; an eine wohltuende Dusche war schon gar nicht zu denken, brauchte der Boiler doch seine Zeit, um das Wasser zu erwärmen – immerhin hatte er den Schalter gefunden, um ihn in Betrieb nehmen zu können. Was Philippe jedoch ebenfalls zu denken gab, war die Tatsache, dass seine Essensvorräte schon aufgebraucht waren. Das kann ja heiter werden, dachte er und er schickte Deborah eine kurze SMS mit dem Inhalt, dass er gut angekommen sei und sich noch etwas zurechtfinden müsse. Er wünsche ihr eine gute Nacht und grüsse Enrico ebenfalls ganz herzlich. Auf die Details wollte Philippe im Moment nicht eingehen.
Die Nacht verbrachte er im Schlafsack. Diesen hatte er in weiser Voraussicht von zuhause mitgenommen und er konnte seiner Eingebung nicht genügend dankbar sein. In Militärmanier steckte er seine Kleider ebenfalls in den Sack und versuchte so etwas Schlaf zu finden.
Deborah ihrerseits hatte es sich in der Stube gemütlich gemacht und war daran, einen wohlriechenden Tee zu trinken. Enrico lag zu ihrer Seite und er genoss die Streicheleinheiten, die er ab und zu von seinem Frauchen in Empfang nehmen durfte. Deborah selber studierte ihrem erhaltenen Angebot nach, in der nahen gelegenen Gärtnerei mitwirken zu können, und sie war je länger je mehr davon überzeugt, dass sie dies tun wollte.
Die Nacht verlief für Philippe alles andere als erholsam. Andauernd erwachte er und es fröstelte ihn trotz des Schlafsackes. Auch der moderige Gestank im Haus war nicht seine Sache; er musste unbedingt den Ofen in Gang bringen, ansonsten er dem Häuschen wohl schon bald wieder den Rücken zuwenden würde. – Aber auch das wäre im Moment wahrscheinlich nicht ganz einfach, soviel Schnee wie auf den Strassen lag.
Die ganze Nacht hindurch hatte es geschneit und es lagen sicher gut und gern 50 Zentimeter Neuschnee, und es schneite noch immer. So konnte es im Bündnerland sein, jedoch hatte Philippe sich dies zu wenig überlegt. In Bern und Umgebung schneite es selten, und so ging er von diesen Wetterverhältnissen aus. Im Tessin und eben auch in Graubünden trafen jedoch oftmals ein Tiefdruckgebiet von Genua herkommend mit einem Kaltluftpfropfen zusammen und gemeinsam sorgten sie dann für das entsprechende Wetter.
Nach einer kurzen Dusche, die nun angenehm warm war, zog sich Philippe so gut wie möglich und dem Wetter entsprechend an und er wollte im Dorfladen «Nachschub» für seine Verpflegung holen. Er hoffte vor allem, dass der Laden offen hatte und dass er sich seinen Wünschen entsprechend mit Lebensmittel eindecken konnte. Der Weg dorthin würde eine halbe Stunde in Anspruch nehmen; der Rückweg mit Sicherheit eine Stunde. Vorgängig wagte er nochmals einen Versuch, den Ofen in Betrieb zu nehmen. Und siehe da: bereits beim zweiten Anlauf nahm das Holz Farbe an, und Philippe konnte schon bald weitere Scheiten nachlegen. Er wartete noch einen kurzen Moment bis er sicher war, dass der Schwedenofen seinem Namen gerecht wurde; sodann wollte er den Weg unter die Füsse nehmen. Ein aufgefundener Rucksack im Foyer des Hauses sollte ihm dienen, die Esswaren nach Hause zu tragen.
Nach mühsamem Stampfen durch den hohen Schnee, kam er endlich im Dorfladen an, und dieser hatte Gott sei Dank geöffnet. Einige andere Kunden, vor allem Einheimische, waren ebenfalls anwesend und alle unterhielten sich über das Wetter. Philippe nahm das, was in «gluschtete» in den Einkaufskorb und er gönnte sich auch noch zwei Flaschen Rotwein aus der Gegend. Der «Malanser», ein «Herrschäftler» aus dem «Heidiland», am Rhein zwischen Fläsch und Malans gelegen, ist wirklich vorzüglich und er würde Philippe für einiges entschädigen, auf was er bislang verzichten musste.
Nach elendiglich langen Minuten, um nicht zu sagen Stunden, war Philippe wieder zurück in seinem Häuschen. Die Temperaturen waren langsam so, dass man sich wohlfühlen konnte, und auch der muffige Gestank im Haus hatte sich zum grössten Teil verflüchtigt. Philippe versuchte nun seinen Laptop in Gang zu setzen und zu seinem Erstaunen funktionierte die WLAN-Verbindung auf Anhieb. Er gönnte sich ein Glas Malanser und fing an zu schreiben. Der Titel sollte wie folgt lauten:
Dabei könnte alles so einfach sein …
So um die Jahrtausendwende verfiel die Schweizer Politik in Aktionismus. Alles sprach von Organisierter Kriminalität und so durfte die Schweiz dem Mainstream natürlich nicht nachhängen. …
Jedoch schon nach kurzer Zeit musste er feststellen, dass er noch nicht so weit war, seine Gedanken richtig zu ordnen und aufs Papier zu bringen. Er war irgendwie noch zu aufgebracht und auch seine Finger waren nach wie vor zu klamm, um sie über die Tasten zu führen. Er setzte ab und gönnte sich ein zweites Glas des fein schmeckenden Weines.
Auf einmal sah er auf seinem Handy eine Nachricht, die ihn interessierte. Es war Isidor Habersack und dieser erkundigte sich nach seinem Befinden. Philippe antwortete postwendend und er tat ihm kund, dass er jetzt in St. Peter sei und mit dem Schreiben begonnen habe, dass dies wahrscheinlich aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde und er sich dann gerne wieder melden werde. Isidor wollte es sich allerdings nicht nehmen lassen und er wollte mit Philippe direkt sprechen und schon klingelte dessen Smartphone.
«Salut Isidor, wie geht es dir?» «Hervorragend danke und wie geht es dir? Hast du dich im Haus zurechtgefunden und ist alles zu deiner Zufriedenheit?» «Ja selbstverständlich», flunkerte Philippe und er erwähnte den grossen Schnee im Bündnerland. «Hör zu, Philippe. Ich lasse dir per E-Mail den Entwurf unserer Graphiker zukommen und ich finde die Idee wirklich toll, deine bisherigen fünf Geschichten in zwei Bänden als Roman zusammenzufassen und sie auf diese Weise herauszugeben. Schau dir doch bitte das Ganze einmal an und gib mir anschliessend Bescheid, was du davon hältst. Ich melde mich dann wieder. Bis bald. Ciao amigo.»
Philippe öffnete seine Mailbox und er sah sogleich das Cover der beiden Bände. Dieses sprach ihn auf Anhieb an, und er wollte Isidor das auch sogleich kundtun.
Lieber Isidor
Die Umschlaggestaltung ist hervorragend und sie spricht mich voll und ganz an.
Auch kann ich mir sehr gut vorstellen, meine Geschichten in Romanform zu veröffentlichen und sie in dieser Form einer breiten Leserschaft zuzuführen.
Den gewünschten Begleittext zu den beiden Büchern sollte ich in den nächsten Tagen fertig gestellt haben und ich werde ihn dir sodann zukommen lassen. Gerne hoffe, dass er deinen Vorstellungen entspricht.
In der Zwischenzeit wünsche ich dir alles Gute und verbleibe mit den besten Grüssen
Philippe Baumann
Auch Isidor liess nicht lange auf sich warten und er antworte wie folgt:
Lieber Philippe
Ich danke dir für deine freundliche und schnelle Rückmeldung und ich bin davon überzeugt, dass deine Bücher Anklang finden werden.
Das Lektorat ist in der Zwischenzeit auch schon so weit, dass ich dir das «Gut zum Druck» ebenfalls in den nächsten Tagen zustellen kann.
Was die Formalitäten betrifft, so bin ich mir sicher, dass wir uns finden werden: ein Drittel für den Autor, ein Drittel für den Verlag und ein Drittel für den Vertrieb und den Druck. – Gerne hoffe ich, dass du damit