Wolfsblut. Jack London

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Wolfsblut - Jack London

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Es waren in der dichten Finsternis weder Formen, noch Gestalten zu erblicken, nur ein Augenpaar konnte man wie glühende Kohlen darin leuchten sehen. Heinrich deutete mit einer Kopfbewegung nach einem zweiten und einem dritten Augenpaar. Ein Kreis glühender Augen schien sich um das Lager zu ziehen. Hin und wieder bewegten sich die glühenden Punkte, verschwanden, um einen Augenblick später wieder aufzutauchen.

      Die Ruhelosigkeit der Hunde hatte zugenommen, sie rannten in einem Anfall plötzlicher Angst nach der Innenseite des Feuers und drängten sich an die Männer heran. Bei der wilden Flucht war einer dicht am Feuer zu Falle gekommen, und während der Geruch seines versengten Pelzes die Luft erfüllte, winselte er vor Schmerz und Angst. Unterdessen hatte sich der Kreis glühender Augen unruhig hin- und herbewegt und einen Augenblick sogar ein wenig zurückgezogen, aber wieder kehrten die leuchtenden Punkte an den früheren Platz zurück, als die Hunde ruhiger wurden.

      »Heinrich, es ist ein großes Unglück, daß wir keine Patronen mehr haben.«

      Bill hatte seine Pfeife ausgeraucht und half dem Gefährten, auf die Tannenzweige, die sie noch vor dem Abendessen auf den Schnee gelegt hatten, die wollenen Decken und Pelze zum Nachtlager auszubreiten. Heinrich brummte zustimmend und machte sich daran, seine Mokassins aufzuschnallen.

      »Wie viele Patronen haben wir noch, sagtest du?« fragte er.

      »Drei,« war die Antwort. »Ich wünschte, es wären dreihundert. Dann wollte ich ihnen schon was zeigen, den verdammten Bestien.«

      Bill schüttelte ärgerlich die Faust nach den glühenden Augen hin und fing ebenfalls an, sich die Mokassins auszuziehen, die er am Feuer aufstellte.

       »Ich wünschte, diese Kälte möchte mal endlich nachlassen,« fuhr er fort. »Wir haben nun schon vierzehn Tage lang fünfzig Grad gehabt, und ich wollte, ich hätte mich nie auf diese Fahrt begeben, Heinrich. Mir gefällt sie nicht! Mir ist nicht wohl dabei, und wenn ich einmal beim Wünschen bin, so möcht' ich, die Fahrt wäre erst vorbei, und du und ich, wir säßen am Feuer in Fort Mc. Gurry so um diese Zeit des Tages, und spielten Karten. Ja, das möcht' ich!«

      Heinrich brummte und kroch ins Bett. Beim Einduseln weckte ihn die Stimme des Gefährten.

      »Hör mal, Heinrich – den andern, der dazukam und den Fisch bekam –, warum bissen den die Hunde nicht weg? Das beunruhigt mich.«

      »Du plagst dich zu sehr, Bill,« kam schläfrig die Antwort. »Du warst doch vorher nie so. Nun hör 'mal auf und schlafe, dann bist du morgen wieder frisch und munter. Du hast dir den Magen verdorben, und das quält dich!«

      Die Männer schliefen unter derselben Decke schwer atmend nebeneinander. Das Feuer brannte herunter und der Kreis glühender Augen zog sich immer enger um das Lager. Die Hunde drängten sich angstvoll aneinander und knurrten jedesmal drohend, wenn ein Augenpaar näher herankam. Einmal wurde der Lärm so toll, daß Bill erwachte. Er kroch vorsichtig aus dem Bett, um den Schlaf seines Kameraden nicht zu stören, und warf mehr Holz auf das Feuer. Als es aufflammte, zog sich der Augenkreis weiter zurück. Zufällig blickte er nach den sich zusammendrängenden Hunden hinüber, rieb sich die Augen und blickte schärfer hin. Darauf kroch er unter die Decken zurück.

       »Du, Heinrich,« sagte er, »hör doch mal, Heinrich!«

      Dieser, aus dem Schlafe erwachend, brummte: »Was ist denn los?«

      »Nichts,« war die Antwort. »Nur daß es jetzt wieder sieben sind. Ich hab' sie eben gezählt.«

      Heinrich beantwortete die Kunde mit einem Brummen, das in ein Schnarchen überging, als der Schlaf ihn übermannte. – Am Morgen erwachte Heinrich zuerst und trieb den Gefährten zum Aufstehen an. Der Tag brach erst drei Stunden später an, obgleich es schon sechs Uhr war, und so ging Heinrich in der Dunkelheit umher und kochte das Frühstück, während Bill die Decken zusammenrollte und den Schlitten zur Abfahrt bereit machte.

      »Hör mal, Heinrich,« fragte er plötzlich, »wie viel Hunde sagtest du, daß wir hätten?«

      »Sechs.«

      »Falsch!« verkündete Bill triumphierend.

      »Wieder sieben?« fragte Heinrich.

      »Nein, aber fünf, denn einer ist weg.«

      »Höll und Teufel!« rief Heinrich wütend, ließ das Frühstück stehen und kam, um die Hunde zu zählen.

      »Du hast recht,« erwiderte er. »Fett ist fort.«

      »Und wie ein geölter Blitz ging es mit ihm, als er erst los war. Nichts war mehr von ihm zu sehen.«

      »Wie sollte es auch?« erwiderte Heinrich. »Sie verschlangen ihn gewiß gleich lebendig. Ich wette, er bellte noch, als sie ihn hinunterschluckten, die verdammten Bestien.«

      »Er war immer ein bißchen dämlich,« meinte Bill.

       »Aber kein dummer Hund sollte so dämlich sein, daß er hinliefe, um Selbstmord zu begehen.« Dabei ließ Heinrich den Blick prüfend über die übrigen Hunde gleiten, als wollte er sich die Charakterzüge jedes Einzelnen vergegenwärtigen.

      »Ich wette, das würde keiner von den andern tun.«

      »Die könnte man nicht mal mit 'nem Knüppel vom Feuer jagen,« stimmte Bill bei. »Ich dachte immer, daß es mit Fett nicht ganz richtig wäre.«

      Und dies war die Grabrede auf einen toten Hund bei einer Nordlandfahrt – nicht dürftiger als die manches anderen Hundes und manches Mannes.

      Als das Frühstück verzehrt und die wenigen Lagergerätschaften auf den Schlitten gepackt waren, drehten die Männer dem hellen Feuer den Rücken und verschwanden in der Dunkelheit. Sogleich begann wieder das fürchterlich traurige Geheul, das auf verschiedenen Seiten wie antwortend durch Kälte und Dunkelheit tönte. Der Männer Gespräch verstummte. Um neun ward es Tag. – Mittags erglänzte der Himmel im Süden in rosigem Lichte, aber die Rosenfarbe verblaßte schnell. Das graue Tageslicht, das zurückblieb, dauerte bis drei Uhr, wo es ebenfalls erblich, und nun breitete die Polarnacht ihr dunkles Leichentuch über die einsame, schweigende Welt.

      Als die Dunkelheit hereinbrach, erklang das Geheul rechts, links und im Rücken näher, ja, mehr als einmal so nahe, daß die müden Hunde vor Angst zitterten und in der Aufregung durcheinander gerieten.

      Nach einem solchen kurzen Aufenthalt, als Bill und Heinrich das Gespann wieder in Ordnung gebracht hatten, sagte jener: »Ich wünschte, sie möchten ein anderes Wild irgendwo aufspüren und uns in Ruhe lassen.«

      »Sie fallen einem wirklich gräßlich auf die Nerven,« stimmte Heinrich bei. Weiter sagten sie nichts, bis das Nachtlager aufgeschlagen wurde.

      Heinrich beugte sich über den Topf, in dem die Bohnen brodelten, und in den er kleine Stückchen Eis hineintat, als ein lauter Schlag und ein Ausruf von Bill sowie das scharfe Knurren und das Wehgeschrei eines Hundes ihn zusammenfahren ließ. Er richtete sich auf und sah noch, wie eine dunkle Gestalt über den Schnee lief und in der Finsternis verschwand. Dann erblickte er Bill, halb triumphierend, halb niedergeschlagen, unter den Hunden, wie er in der einen Hand einen dicken Knüttel, in der andern das Schwanzende eines gedörrten Lachses hielt.

      »Die Hälfte hat die Bestie doch gekriegt,« verkündete er, »aber

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