Die Schlacht von Terria. Sabine Gräfin von Rothenfels
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In diesem Moment ließ ein fürchterliches Geräusch sie alle auffahren. Es war unmenschlich, grässlich. Ließ ihnen die Haare zu Berge stehen. Ein dumpfes Grollen und Fauchen. Die Erde bebte.
Alle hatten die Waffen erhoben. Waren die Darker schon dabei über sie herzufallen? Sie starrten in die Dunkelheit. Die Pferde wieherten angstvoll und zerrten an ihren Leinen. Elmar hielt Lilly fest an sich gedrückt und umklammerte sein Schwert.
Dann kam es über sie. Eine schwarze, kolossale Masse. Klauen und Zähne, stinkender Atem. Als das Feuer die Kreatur erhellte, schrien alle gleichzeitig auf.
Ein riesiger Bär verwüstete das Biwak. Eine ungeheure Kreatur, wie sie wohl nie zuvor eines Menschen Auge erblickt hatte. Er wich auch keineswegs vor den Flammen zurück, sondern kam furchtlos und geradewegs auf sie zu. Auge in Auge standen sich Mensch und Tier gegenüber.
Ein solches Monster mit einem Schwert oder einer einzelnen Axt besiegen zu wollen schien unmöglich.
Prinz Hendrik gab den Männern ein Zeichen und gemeinsam rückten sie vor, versuchten die Bestie einzukreisen. Doch der Bär war schlau. Wich seitlich aus und schlug seine fürchterlichen Krallen in Elmar, der sich schützend über Lilly geworfen hatte. Offenbar war sie das erklärte Ziel des Ungetüms. Lilly schrie und hob abwehrend eine Hand in Richtung des Ungetiers. Die Männer stöhnten auf. Das kleine Mädchen war dem Tod geweiht und keiner konnte ihr helfen.
Sonji rammte dem Bären das Schwert in die Seite. Wig hatte seine Keule auf ihn niedersausen lassen. Das Tier gab einen fürchterlichen Laut von sich, der ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mit einem Ruck befreite er sich von allen Angreifern, stieg auf zu fürchterlicher Größe. Machte auf den Hintertatzen kehrt und verschwand mit Gebrüll in der Dunkelheit.
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Elmar und Lilly lagen am Boden. Eine Blutlache breitete sich unter ihnen aus. Eine Schrecksekunde standen alle wie erstarrt, unfähig die beiden anzurühren. Überwältigt von dem Unglück, das über sie hereingebrochen war. Da durchbrach ein leises Röcheln die Stille, Elmar bewegte sich! Sofort streckten sich ihm zwanzig Hände entgegen um ihm aufzuhelfen.
Sonji beugte sich hinunter und hob die bewegungslose Lilly auf, aus den Armen ihres Vaters. Die Kleine lebte! Deutlich sah er, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte. Der Hauptmann sank auf die Knie, überwältigt von dem Glücksgefühl, das ihn plötzlich durchströmte. ”Lilly?”
Das Kind hob den Kopf. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn an. ”Onkel Sonji?” Sie drehte sich in seinen Armen: ”Papa?” Ängstlich suchte sie das Gesicht ihres Vaters. Der stand schon wieder auf seinen Füßen. Wackelig zwar, doch offenbar nicht tödlich verletzt. Sein Hemd hing in Fetzen. Blut quoll aus seiner Wunde an der Schulter hervor und er war leichenblass. Er taumelte. Fing sich wieder, um dann gegen Sonji zu kippen, der noch immer am Boden kniete. Elmar streckte die Arme nach seiner Tochter aus. Die Kraft, sie hochzuheben, hatte er nicht. Lilly befreite sich aus Sonjis Umarmung und umklammerte Elmars Beine: ”Papa!” Die Männer jubelten. Das Kind hatte nicht einen Kratzer. Es war unglaublich!
Olan bahnte sich einen Weg durch die Männer. Elmar sank wieder auf den Boden. Das stehen war zu anstrengend. Der Weise begann ihn zu versorgen. Aus seiner riesigen, abgeschabten Ledertasche förderte er eine Kräutersalbe und reines Leinen zu Tage. Er ließ sich rasch heißes Wasser bringen. Tröpfelte einige Tropfen einer trüben Tinktur hinein und begann die Wunde auszuwaschen. Elmar kommentierte es mit deftigen Flüchen hinter zusammengebissen Zähnen. Als Olan schließlich die letzten Streifen Verband anlegte, war Elmar vor Schmerz schon wieder halb besinnungslos.
Lilly war keine Sekunde von der Seite ihres Vaters gewichen. Tapfer hatte sie seine Hand gehalten. Immer nur auf die verwüstete Fleischmasse gestarrt, die einmal Elmars Schulter gewesen war. Sonji hatte versucht sie wegzuholen, doch sie hatte sich geweigert.
Jetzt, als Elmar in seinem Zelt lag und in einen unruhigen Schlaf gefallen war, wandte der Weise sich dem Mädchen zu. ”Wie hast du das gemacht, Lilly?”
Sie starrte ihn mit großen Augen an. Sie wusste jedoch, dass er den Vorfall mit dem Bären meinte. ”Ich weiß nicht. Ich habe mir nur ganz fest gewünscht, dass er weggeht.”
Hendrik schüttelte unwillig den Kopf. ”Was soll das? Die beiden haben Glück gehabt. Wir haben das Vieh wohl gerade rechtzeitig erwischt.”
Olan widersprach: ”Ein Bär dieser Größe und mitten im Angriff? Den stört es nicht, wenn man ihn verwundet. Das weißt du ebenso wie ich. Es muss etwas anderes gewesen sein, was ihn in die Flucht geschlagen hat.”
Der Prinz zuckte mit den Schultern. ”Das Glück war mit ihnen, ungeheureres Glück.” Olan war nicht überzeugt. ”Ich spüre eine seltsame Aura um das Kind. Als ob eine große Macht sie begleitet.”
Wig mischte sich ein: ”Wir sind alle sehr verwirrt von den Ereignissen. Aber das Kind kann nicht hier bleiben. Gleich morgen früh bringen wir sie zurück. Würdest du das tun, Wamba?” Er wandte sich an seinen gewichtigen Freund. Der verzog das Gesicht, kam jedoch gar nicht zu einer Erwiderung.
”Nein!” schrie Lilly: ”Nein, ich will mitkommen. Ich MUSS mitkommen!”
Sonji schüttelte den Kopf: ”Auf keinen Fall.” Auch die Männer ringsum starrten Lilly abweisend an. Ein Kind dieser Gefahr auszusetzen, erschien ihnen völlig unsinnig.
Prinz Hendrik schließlich kniete sich hinunter zu dem weinenden Kind. ”Schau, du kannst einfach nicht bei uns bleiben. Es ist zu gefährlich. Wir ziehen in den Krieg. Kleines, dort passieren viele schlimme Dinge. Das ist nichts für ein Mädchen. Wir bringen dich zurück zu deiner Mami, das willst du doch sicher?”
Das Kind hörte auf zu schluchzen und sah Hendrik an, als sei er nicht ganz richtig im Kopf. ”Heim zu meiner Mami? Ich bin doch kein Baby mehr. Ich komme mit!” Sie stampfte mit dem Fuß auf: ”Ich muss Papa beschützen. Ich weiß es einfach. Der Bär ist bloß weggegangen, weil ich es ihm gesagt habe!“ Sie sah sich Hilfe suchend um: ”Ich muss Papa beschützen” wiederholte sie eigensinnig. Hendrik stand kopfschüttelnd auf. Er hatte nichts mehr dazu zu sagen.
Olan trat an das Mädchen heran und musterte sie fasziniert. Er suchte eine tiefergehende Erklärung. ”Sieh mich an Lilly! Versenke dich tief in meine Augen...” Eine ganze Weile standen die beiden so da und starrten sich gegenseitig an. Ab und zu gab der Weise seltsam gurrende Töne von sich und wippte auf den Zehenspitzen. Lilly dagegen war stocksteif und gab keinen Laut von sich. Schließlich lächelte der Weise und nickte: ”Lasst sie bleiben.”
Entrüstung machte sich breit. ”Aber sie ist ein kleines Mädchen, sie kann nicht bleiben, es ist zu gefährlich.”
Doch Olan lächelte als hätte er etwas besonders Schönes gesehen. ”In ihr wohnt eine große Kraft. Sie wird uns helfen diesen Krieg zu gewinnen. Lasst sie bleiben, sage ich!”
Die Männer murmelten missbilligend, doch keiner begehrte hörbar auf. Olan der Weise war von allen angesehen. Jeder wusste, wie viel Wissen und Magie in dem kleinen alten Mann schlummerte. Daher wagte es keiner ihm offen zu widersprechen.
Am nächsten Morgen versuchte Hendrik noch einmal Lilly und den Weisen zu überzeugen. Doch beide schüttelten nur beharrlich die Köpfe und setzten eine entschlossene