Der eiserne Gustav. Ханс Фаллада

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Der eiserne Gustav - Ханс Фаллада

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es gab Beispiele dafür in der Militärzeit, Richtlinien. Er erinnerte sich so manchen Diebes in den Mannschaftsstuben, es gab unverbesserliche Kerle, die ihren Kameraden immer wieder den Tabak oder die von Haus geschickten Würste stahlen. Da gab es erst Stubenkeile, erbarmungslose Prügel mit dem Koppelschloß, in der dunklen Nacht, auf den nackten Hintern, während das Gesicht mit einem Woilach verdeckt wurde. Aber auch ohne das hätte kein Unteroffizier Ohren für solches Geschrei gehabt ...

      Half aber die Keile nicht, war der Dieb wirklich unverbesserlich, ein Feind seiner Kameraden, so gab es die Entehrung vor offener Front, die Versetzung zu einem Strafbataillon – Schande und Schmach. Kameraden, ja, ein Kamerad war etwas Gutes – aber war ein Vater nicht vielleicht doch noch mehr? War es nicht viel gemeiner, einen Vater zu bestehlen als einen Kameraden? Der alte Hackendahl steht zögernd, er sieht seinen Sohn vor sich, in drei Stunden hat der seine Schulsachen zu nehmen und ins Gymnasium zu gehen. Es ist fast unmöglich, sich auszudenken, daß der Sohn nicht ins Gymnasium gehen wird, nie wieder, dieser sein Stolz, sein Ehrgeiz! Und doch – es muß ja sein! Er sieht den Soldaten vor der Front, einen ganz bestimmten Soldaten, mit einer großen, höckrigen, bleichen Nase. Tränen liefen über seine Backen, aber erbarmungslos sprach die Stimme des Offiziers fort, das endgültige, unwiderrufliche, verdammende Urteil über den Mann und Dieb ...

       Es darf kein Weichsein gegen das eigene Herz geben; daß es das eigene Fleisch und Blut ist, das sündigte, ändert nichts: Ein Dieb ist ein Dieb. Sie haben ihn den eisernen Gustav getauft, wohl halb im Spott, weil er so starrköpfig sein kann. Aber man kann aus einem Spottnamen auch einen Ehrennamen machen.

      Und schon zählt er, und nur, als er die Höhe der fehlenden Summe festgestellt hat, hält er einen Augenblick bestürzt inne. So viel ...? Es kann doch nicht sein ...! Aber es ist so – noch mehr Schande und Schmach! Das kann nicht nur vertrunken sein, siebzehn Jahre, und plötzlich sieht der Vater hinter dem blassen, beweglichen, klugen Gesicht seines Sohnes die Fratzen von Weibern, käuflichen Weibern, jedem sauberen Manne ein Ekel! Siebzehn Jahre ...!

      Mit einem Ruck stößt er die Schreibtischlade zu, schließt ab und geht eilend, eisern entschlossen zurück in das Schlafzimmer der Söhne.

      Als der Vater so unerwartet zurückkommt, fährt der jetzt schon angekleidete Älteste, der Otto, auf seinem Fensterplatz schreckhaft zusammen. Angstvoll versucht er, Holz und Schnitzmesser zu verbergen, schon zehnmal hat ihm der Vater diese lächerliche Spielerei verboten: Pfeifenköpfe aus Holz schnitzen, oder kleine Tiere – eine Albernheit, die eines Mannes, der einmal einen Stall mit dreißig Pferden leiten soll, unwürdig ist!

      Aber der Vater beachtet dieses Mal nicht die Unfolgsamkeit des Ältesten – er geht ohne Zögern auf das Bett von Erich zu, legt ihm die Hand fest auf die Schulter und befiehlt: »Wach auf!«

      Der Schläfer bewegt sich, er versucht, seine Schulter dem harten Griff zu entziehen, die Augenlider zittern – aber er wird nicht wach.

      »Du sollst wach werden, hörst du!« befiehlt der Vater lauter.

       Erich versucht noch immer, sich in den Schlaf zurückzuretten, aber es ist umsonst. Die Hand des Vaters macht Schmerz, die Stimme des Vaters droht.

      »Was ist denn los?« fragt Erich und reißt die Augen mühsam auf. »Schon Zeit für die Penne?«

      Der Vater sieht dem Sohn wortlos in das erwachende Gesicht. Dann greift er mit einer Hand in das lange, blonde Haar des Schläfers, er zieht den widerstrebenden Kopf so nahe an den seinen, daß Stirn und Stirn sich fast berühren ... Die Augen sehen das zu nahe Gesicht nicht mehr, sie sehen nur das dunkle, feuchte Auge des anderen, so nahe – und in dem einen Auge ist Angst, in dem anderen aber ein dunkles, finsteres Glühen ...

      »Was ist denn los?« fragt Erich wieder. Aber er fragt es ohne Mut, ohne Überzeugung.

      Der Vater antwortet nicht, er hat im Auge des Sohnes schon das Geständnis gelesen, das Herz klopft ihm so schwer ...

      Lange, lange bleibt er wortlos, dann hat er plötzlich, ohne es gewollt zu haben, doch leise gefragt: »Wo hast du das Geld gelassen ...?«

      Die dunkle, nahe Pupille scheint sich eng zusammenzuziehen, hat der Sohn geantwortet? Der Vater weiß es nicht. Er reißt an den Haaren des anderen, er schlägt mit der Stirn des Sohnes gegen die eigene, wieder und wieder.

      »Mein Geld!« flüstert er. »Dieb! Schlüsselfälscher!«

      Der Kopf wackelt haltlos, er versucht nicht einmal, sich dem grausamen Griff zu entziehen.

      »Wie stinkst du?« fragt der Vater wieder. »Nach Schnaps. Nach Huren – gibst du denen mein Geld?«

      Wieder keine Antwort, ach, diese schlaffe, feige Nachgiebigkeit steigert den Zorn Hackendahls nur noch!

      »Was denkst du, was ich mit dir tue?!« stöhnt er, fast sinnlos vor Zorn. »Zur Polizei ...! Ins Gefängnis ...?«

      Keine Antwort.

      »Was willst du?!« fährt Hackendahl zornig herum zu dem anderen, dem ältesten Sohn. »Misch dich nicht ein, du Tölpel!«

       »Ich gehe in den Stall«, sagt Otto gleichgültig. »Soll ich für dich Futter ausgeben?«

      »Du Futter ausgeben?!« ruft der Vater verächtlich und freut sich doch irgendwie über die Ablenkung, hat sogar den Sohn Erich aus dem Griff entlassen. »Das gäbe was Rechtes! Nein, geh voran, ich komme gleich nach.«

      »Jawohl, Vater«, sagt Otto gehorsam und geht aus der Stube.

      Der Vater sieht der schwerfälligen Gestalt nach, dann wendet er den Blick und sieht wieder auf Erich, der jetzt aufgestanden ist und blaß, mit verzogenem Gesicht, auf der anderen Bettseite steht.

      »Und was hast du zu sagen?« fragt er und versucht, sich wieder in Zorn zu bringen. »Mach schnell – du hörst, ich habe zu tun. Ich muß Geld verdienen für meinen Herrn Sohn zum Stehlen, Versaufen, Verhuren ...«

      Der Sohn sieht den Vater von unten her an, seine Lippe zittert, als wollte er weinen. Aber er weint nicht, und jetzt, da er aus dem Griff des Vaters ist, das Bett als Deckung zwischen ihnen steht, spricht er auch. »Ich will auch was vom Leben haben ...«, sagt er.

      »Häh? Willst du das?« ruft der Vater zornig. »Und was gibst du dem Leben? Wenn man was haben will, muß man auch was geben!«

      Er sieht den Sohn an. Dann sagt er verächtlich: »Aber du bist ja ein Dieb, du stiehlst ...«

      »Ich will so nicht leben«, sagt der Sohn mürrisch und streicht die Haare aus der schmerzenden Stirn. »Immer nur Penne und Schularbeiten, und wenn ich eine halbe Stunde fort will, habe ich dich zu fragen, und du lauerst mit der Uhr, daß aus dreißig Minuten auch keine einunddreißig werden.«

      »Kannst du so nicht leben? Als ich so alt war wie du, war ich Knecht beim Bauern. Ich habe morgens um drei aus dem Bett gemußt, und wenn ich mich Klock neun zur Nacht hinlegte, fühlte ich keinen Knochen mehr, so tot war ich! Du kannst nicht leben mit fünf Schulstunden, mit heilen Kleidern und gutem Essen – so kannst du nicht leben?!«

       »Aber ich bin kein Bauernknecht! Ein Schüler lebt nicht wie ein Knecht! Und die Zeiten sind auch anders geworden, Vater!«

      »Ja, die sind freilich anders geworden! Es sind Zeiten geworden ohne Respekt und Ehre!

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