Nana. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Nana - Emile Zola страница 15
»Madame, es ist noch einer draußen, der sich nicht abweisen lassen will.«
»Na, so laß ihn doch stehen!« gab sie ruhig zur Antwort.
»Auf diese Weise kommen die Leute aber immer wieder!«
»Bah! Sag ihnen, sie sollen warten. Wenn sie der Hunger treibt, werden sie schon gehen.«
Plötzlich hatte sie einen Einfalt, und vergnügt folgte sie der neuen Eingebung: sie entglitt Francis' Händen, eilte zu den Türen und schob die Riegel vor; nun mochten sie sich nebeneinander aufstapeln, die Mauer zu durchbrechen würde ihnen schwerlich gelingen; Zoé konnte ja durch die kleine Tür hereinkommen, die nach der Küche führte. Unterdessen läutete die Glocke in einem fort. Alle fünf Minuten ließ sich ihr Klingen hell und deutlich vernehmen, mit der Regelmäßigkeit einer in gutem Stande befindlichen Maschine. Und Nana zählte die Schläge, um sich Zerstreuung zu verschaffen. Aber plötzlich fiel ihr etwas anderes ein.
»Wo sind denn meine gebrannten Mandeln, Francis?« sagte sie. Auch Francis hatte nicht an die Mandeln gedacht. Er zog jetzt eine Tüte aus seiner Rocktasche mit der verbindlichen Gebärde eines Weltmannes, der seiner Freundin ein Geschenk überreicht; aber auf jeder seiner Monatsrechnungen fand sich immer ein stattlicher Posten gebrannter Mandeln verzeichnet. Nana schob die Tüte zwischen ihre Knie und begann, indem sie den Kopf unter dem leichten Händedruck des Friseurs bewegte, von den Mandeln zu knabbern.
»Sapperlot!« flüsterte sie nach einer kurzen Pause des Schweigens. »Ist das eine Bande!«
Dreimal hatte plötzlich die Glocke hintereinander geschellt. Das Läuten wiederholte sich in rascher Folge; es waren sowohl bescheidene Töne, die mit dem Beben eines ersten Geständnisses gestammelt wurden, als kühne, die unter dem Druck eines unwirschen Fingers erschallten, als auch eilige, die mit jähem Schrillen die Luft durchschnitten. Ein förmliches Glockenspiel, wie sich Zoé ausdrückte, ein Glockenspiel, welches das gesamte Stadtviertel alarmieren müsse, da ja ein ganzer Schwarm Männer reihenweise auf den Elfenbeinknopf drückte. Dieser Schlingel von Bordenave hatte gewiß an zu viele Leute Nanas Adresse bekanntgegeben; das ganze Auditorium des gestrigen Abends begehrte ja Zutritt!
»Sagen Sie mal, Francis«, wandte sich jetzt Nana an den Friseur, »können Sie mir fünf Louisdor borgen?«
Er trat einen Schritt zurück, blickte prüfend auf die Frisur und erwiderte dann gelassen:
»Fünf Louisdor? Je nachdem.«
»Ah, Francis«, meinte Nana wieder, »wenn Sie eine Sicherheit wünschen … «
Und ohne den Satz zu vollenden, deutete sie mit einer weiten Handbewegung auf die zunächst stehenden Stücke. Francis lieh die fünf Louisdor. Zoé trat, wenn sie ein paar Augenblicke Zeit hatte, in das Kabinett, um die Toilette ihrer Herrin vorzubereiten. Bald nachher mußte sie sie ankleiden, während der Friseur wartete, um an den Haarputz noch die letzte Hand zu legen. Aber die elektrische Glocke störte die Zofe in einem fort, so daß sie Nana mit halb zugeschnürter Taille und halb barfüßig sitzen lassen mußte. Sie verlor trotz ihrer reichen Erfahrungen den Kopf. Nachdem sie die Männer erst einzeln, jedes Winkelchen der Wohnung benutzend, überallhin postiert hatte, war sie nun genötigt gewesen, deren drei bis vier zusammenzuschachteln, so sehr dies auch allen Bräuchen und Wünschen ihrer Herrin widersprach. Ach was! Desto besser, wenn sie einander auffraßen, da gab's doch Platz! Und Nana, die hinter den zugeschobenen Riegeln wohlgeborgen in ihrem Kabinettchen saß, machte sich lustig über sie, deren Atem sie bis in ihren Winkel hinaus hörte; sie müßten, wie sie meinte, einen recht dicken Schädel haben, und die Zunge müßte ihnen ja schon lange aus dem Halse hängen. Ihr Erfolg vom gestrigen Abend nahm seinen Fortgang, die Männermeute war ihrer Spur gefolgt.
»Wenn sie wenigstens nichts zerbrechen«, meinte Nana.
Sie fing an, unruhig zu werden. Aber in diesem Augenblick führte Zoé Herrn Labordette in das Kabinett, und Nana stieß einen Ruf der Erleichterung aus. Er wollte mit ihr von einer Rechnung sprechen, die er für sie beim Friedensrichter beglichen hatte. Sie hörte gar nicht auf seine Worte, sondern rief ihm zu:
»Labordette, ich nehme Sie mit … Wir speisen zusammen, und dann begleiten Sie mich nach dem Theater. Ich brauche erst um halb zehn Uhr aufzutreten.«
Der wackere Labordette, wie gelegen er gerade kam! Niemals begehrte er etwas für seine Dienste. Er war lediglich der Freund der Damen, deren kleine Angelegenheiten zu ordnen er keine Mühe scheute. So hatte er eben noch im Vorbeigehen die Gläubiger, die im Vorzimmer weilten, um eine Wartefrist gebeten; die braven Leute wollten ja übrigens gar nicht bezahlt sein: wenn sie hier gewartet hätten, so sei es ja nur geschehen, um der gnädigen Frau ihr Kompliment zu machen und ihre Dienste von neuem anzutragen: der ungeheure Erfolg, den die gnädige Frau am gestrigen Abend gehabt, habe ja ganz Paris auf die Beine gebracht.
»Kommen Sie, Labordette, wir wollen uns drücken!« wandte sich Nana, die jetzt angekleidet war, an ihren Besucher.
»Madame, ich mache ganz entschieden nicht auf … Es stehen noch eine ganze Reihe Männer auf der Treppe!«
Das überstieg doch alle Begriffe! Sogar Francis mußte, gegen sein englisches Phlegma, das er affektierte, lachen, während er sein Frisierzeug in Ordnung brachte. Nana hatte Labordettes Arm ergriffen und drängte diesen nach der Küche. Glücklich, endlich von den Männerscharen befreit und sich selbst überlassen zu sein, eilte sie die Stufen der Dienertreppe hinab.
»Sie begleiten mich doch wieder zurück?« fragte sie ihren Führer, als sie den Hausflur betraten. »Ich werde dann wenigstens unbehelligt bleiben … Denken Sie sich, Labordette, ich habe mir vorgenommen, heute einmal eine ganze Nacht allein zu schlafen … Was einem doch so manchmal in den Sinn kommt, nicht wahr?«
Kapitel 3
Gräfin Sabine, wie man sich gewöhnt hatte, Frau Muffat de Beuville zu nennen, um sie von ihrer Frau Schwiegermutter zu unterscheiden, die im vergangenen Jahr gestorben war, hatte jeden Dienstag in ihrem Haus in der Rue Miromesnil, an der Ecke der Rue de Penthièvre, Empfangsabend. Es war ein weites viereckiges Gebäude, das die gräfliche Familie der Muffat seit länger als einem Jahrhundert bewohnte. Auf die Straße hinaus starrte die schwarze und düstere Fassade in klösterlicher Melancholie mit ungeheuren Jalousien, die beinahe immer geschlossen blieben. Hinter dem Hause standen in einem feuchten Gartenwinkel ein paar Bäume, die keine Sonne erhielten und so lang aufgeschossen waren, daß man ihre Zweige über den Schiefern des Daches erblickte.
An dem heutigen Dienstag waren gegen zehn Uhr kaum ein Dutzend Personen in dem Saal. Da man nur Freunde des Hauses erwartete, öffnete die Gräfin weder den Salon noch das Eßzimmer. Man war auf diese Weise mehr unter sich und plauderte neben dem Kamin. Der Salon war übrigens sehr groß und sehr hoch; vier Fenster mündeten auf den Garten, dessen durch den regnerischen Apriltag erhöhte Feuchtigkeit man trotz der im Kamin brennenden Buchenscheite im Zimmer gar wohl verspürte. Nie drang die Sonne in dieses Gemach; am Tage erhellte ein grünliches Licht matt das Zimmer, und abends, wenn die Lampen und der Kronleuchter angezündet waren, hatte es mit seinem massiven Mahagonimobiliar, seinen gelbseidenen Vorhängen und großgemusterten Polstern nur einen ernsten, gemessenen Charakter. Man trat in den Bereich einer frostigen Würde, alter, ergrauter Bräuche und Sitten, in ein verschwundenes, vom Geruch frommer Andacht angewehtes Zeitalter.
Gegenüber dem alten viereckigen Lehnstuhl aus hartem Holz und rauhem Stoff, in dem die Mutter des Grafen gestorben